06.04.2011

Zur Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferverträgen

Preisanpassungsklauseln werden den Anforderungen des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV nur dann gerecht, wenn sie neben einem Marktelement auch ein Kostenelement enthalten. Darüber hinaus verlangt die Vorschrift, Preisanpassungsklauseln so transparent zu gestalten, dass der Kunde den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerung aus der Formulierung hinreichend erkennen kann.

BGH 6.4.2011, VIII ZR 273/09 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ VIII ZR 273/09+++
In diesem Fall verlangte die Klägerin, ein kommunales Versorgungsunternehmen, von der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft restliche Zahlung von Fernwärme für das Jahr 2006. Die Klägerin erhöhte im Jahre 2006 den Wärmearbeitspreis vier Mal, dem trat die Beklagte entgegen und nahm Zahlungen nur auf der Basis des Wärmearbeitspreises aus dem Jahre 2005 vor. Zur Änderung dieses Wärmearbeitspreises heißt es in dem zwischen den Parteien geschlossenen Fernwärmeliefervertrag:

"Der Arbeitspreis für die zu verrechnenden Mengen ändert sich entsprechend nachstehender Formel:
WAP = WAP0 + 1,26 x (HEL - 31,24) €/MWh"

Dabei steht WAP für den aktuellen und WAP0 für den ursprünglichen Wärmearbeitspreis. Bei dem mit "HEL" bezeichneten Faktor handelt es sich um den vom Statistischen Bundesamt monatlich veröffentlichten Preis für leichtes Heizöl.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

+++ VIII ZR 66/09 +++
Im zweiten Fall verlangte die Klägerin, ebenfalls ein kommunales Versorgungsunternehmen, von den Beklagten Zahlung für Fernwärme, die sie in den Jahren 2001 bis 2003 für die von den Beklagten angemietete Wohnung geliefert hat. Die Beklagten zahlten zwar die von der Klägerin geforderten Abschläge, glichen jedoch die jeweiligen Endabrechnungen nicht aus, denen die Klägerin jeweils die Preise ihrer aktuellen Preisblätter zugrunde legte.

Die von der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum verwendeten Preisbestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

HEL L
"AP = AP0 x (0,5 x-----+ 0,2 x ---- + 0,3 x fEG)"
HEL0 L0

"HEL" bezeichnet dabei ebenfalls den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Preis für leichtes Heizöl, "L" entspricht dem jeweiligen Index für den tariflichen Stundenlohn in der Fernwärmeversorgung. Der Faktor "fEG" ist im Vertrag wie folgt definiert:

"fEG = jeweiliger Preisänderungsfaktor im Gasbezug der [Klägerin] gegenüber dem Stand zum 01.01.97 - er wird anhand der Bestimmungen in dem Gasbezugsvertrag der [Klägerin] ermittelt und vom Vorlieferanten (z.Z. BEB Erdgas und Erdöl GmbH) der [Klägerin] mitgeteilt. fEG = 1,0000 Basiswert zum Stand 01.01.97)"

Das AG wies die Klage ab, das LG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Kunden können sich gegen das Zahlungsbegehren des Energieversorgers mit dem Einwand verteidigen, die den Preiserhöhungen zugrunde liegende Preisanpassungsklausel sei unwirksam. Zwar berechtigt § 30 AVBFernwärmeV den Kunden zur Zahlungsverweigerung nur, wenn ein offensichtlicher Fehler vorliegt. Nicht von dem Einwendungsausschluss des § 30 AVBFernwärmeV erfasst sind aber nach der Rechtsprechung des BGH Einwendungen des Kunden, die sich nicht auf bloße Abrechnungs- oder Rechenfehler beschränken, sondern die Grundlagen der Vertragsbeziehung betreffen. Um eine derartige Einwendung handelt es sich, wenn der Kunde Einwände gegen die Wirksamkeit einer vom Versorgungsunternehmen vorformulierten Preisanpassungsklausel erhebt.

Preisanpassungsklauseln werden den Anforderungen des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV nur dann gerecht, wenn sie neben einem Marktelement auch ein Kostenelement enthalten. Nur hierdurch wird sichergestellt, dass neben der Kostenentwicklung auf dem Wärmemarkt auch die dem Versorgungsunternehmen entstehenden Kosten der Erzeugung und der Bereitstellung (etwa Transport, Verteilung) von Fernwärme bei einer Preisanpassung angemessen berücksichtigt werden. Darüber hinaus verlangt § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV, Preisanpassungsklauseln so transparent zu gestalten, dass der Kunde den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerung aus der Formulierung hinreichend erkennen kann.

Den beschriebenen Anforderungen werden die Preisanpassungsklauseln in den heute entschiedenen Fällen nicht gerecht. In dem einen Fall (VIII ZR 273/09) sind bei der Preisanpassungsklausel die konkreten Kosten der Erzeugung der Fernwärme durch die Klägerin und damit das von § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV geforderte Kostenelement unberücksichtigt geblieben. Denn die verwendete Klausel für den Wärmearbeitspreis sieht als einzige Variable den Preis für extra leichtes Heizöl ("HEL") vor, die Klägerin setzt aber zur Wärmeerzeugung Erdgas ein und hat nicht dargelegt, ob und inwieweit die Entwicklung ihrer eigenen Erdgasbezugskosten ebenfalls an dem von ihr angesetzten oder wenigstens einem ähnlichen "HEL"-Faktor ausgerichtet ist.

Im anderen Fall (VIII ZR 66/09) genügt der Faktor "fEG" nicht den Transparenzanforderungen, weil dem Kunden nicht offen gelegt wird, wie sich dieser Faktor berechnet, und er daher nicht nachvollziehen kann, welche Kriterien auf den Gasbezugspreis der Klägerin Einfluss haben. Das Verfahren wurde an das LG zurückverwiesen, damit Feststellungen dazu getroffen werden können, ob das Nachforderungsverlangen der Klägerin - wie von dieser behauptet - auch bei Zugrundelegung der bei Vertragsschluss geltenden Preise, also ohne Berücksichtigung der erfolgten Preiserhöhungen, begründet ist.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte der Entscheidungen werden demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 56 vom 6.4.2011
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