16.10.2012

Zur Zulässigkeit der Berichterstattung über die schwere Erkrankung einer namentlich genannten Entertainerin

Die Berichterstattung über eine wahre Tatsache, eine (namentlich genannte) Entertainerin sei durch Krankheit aus ihrer Karriere herausgerissen worden, kann zulässig sein. Dies jedenfalls dann, wenn sich die Berichterstattung auf die Wiedergabe in der Öffentlichkeit längst bekannter wahrer Tatsachen beschränkt (hier: der krankheitsbedingter Abbruch einer Tournee und das "Verschwinden von der Bildfläche") und keinerlei konkrete Aussagen zu Art und Ursache der Erkrankung gemacht werden.

BGH 18.9.2012, VI ZR 291/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine bekannte Entertainerin, Comedy-Darstellerin und Kabarettistin, verlangt die Unterlassung einer Wort- und Bildberichterstattung in einer von der Beklagten verlegten Zeitschrift. In einer Ausgabe im Januar 2009 wurde im Zusammenhang mit einem Bericht über die Erkrankung einer bekannten Sportmoderatorin darüber berichtet, dass die Klägerin ihrerseits ein Jahr zuvor durch eine schwere Erkrankung aus ihrer laufenden Tournee herausgerissen worden, seither nicht mehr vor die Kamera zurückgekehrt sei und man bis dato über ihren Gesundheitszustand nichts wisse.

Die Klägerin beanstandet u.a. eine Fotomontage auf der Titelseite der Ausgabe, auf der ein Portraitfoto von ihr zusammen mit einem solchen der Sportmoderatorin zu sehen ist, sowie folgende Berichterstattung über sich im Rahmen eines Artikels über eine aktuelle Erkrankung der Sportmoderatorin:

"Koma nach Routine-OP - erleidet sie das gleiche Schicksal wie G.K.?"
"Droht ihr das gleiche Schicksal wie G.K.?",
"Unwillkürlich denkt man an einen Parallelfall - an G.K. (47). Die prominente Kölner Schauspielerin wurde vor genau einem Jahr von heute auf morgen aus ihrer Tournee herausgerissen. Die Erklärung über ihre Erkrankung war ebenso dürftig. Schweigen. Schwer erkrankt, mehr war nicht zu erfahren. Zunächst hieß es, K.`s Tournee werde im Herbst 2008 fortgesetzt, doch dann wurden alle Termine abgesagt. Und fortan war von der Schauspielerin nichts mehr zu hören. So etwas ist immer höchst beunruhigend. Bis heute weiß man nichts über ihren Gesundheitszustand. G.K. trat vor keine Kamera mehr - sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Werden wir auf sie warten müssen wie auf G.K.?"

LG und KG gaben der auf Unterlassung der entsprechenden Wort- und Bildberichterstattung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des KG hatte die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Wortberichterstattung über die Tatsache der Erkrankung der Klägerin.

Zwar wird das durch Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassagen in dem Artikel der Beklagten beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung hatte die Klägerin aber hinzunehmen. Nach den vom BVerfG entwickelten Vorgaben für den konkreten Abwägungsvorgang müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, insbes. wenn die Privatsphäre - z.B. die eigene erkrankung - betroffen ist.

Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Abwägung insbes. der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Bekanntheit der betroffenen Person und der Gegenstand der Berichterstattung, das frühere Verhalten der betroffenen Person, die Art der Erlangung von Informationen und ihr Wahrheitsgehalt sowie der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröffentlichung zu berücksichtigen. Nach diesen Grundsätzen hat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.

Die Klägerin ist eine in der Öffentlichkeit insbes. durch viele Fernsehauftritte bekannte Entertainerin und damit eine Person des öffentlichen Interesses. Die Berichterstattung der Beklagten beschränkte sich im Verhältnis zur Klägerin auf die Wiedergabe der damals längst bekannten wahren Tatsache, dass die Klägerin im Januar 2008 ihre Tournee krankheitsbedingt abbrechen musste, sie entgegen einer Ankündigung nicht wieder aufgenommen hat und seither - ohne weitere Informationen an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen - "von der Bildfläche verschwunden ist". Es wurden keinerlei konkrete Aussagen zu Art und Ursache der Erkrankung der Klägerin gemacht. Aus den Umständen wurde lediglich die - naheliegende - Schlussfolgerung gezogen, dass die Erkrankung vermutlich schwer sein muss.

Nach alledem war es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den aktuellen Fall der Sportmoderatorin zum Anlass genommen hat, sich erneut mit dem - ihrer Ansicht nach Parallelen aufweisenden - Fall der Klägerin zu beschäftigen, zumal sich dieser Fall zum damaligen Zeitpunkt gerade jährte. Die betreffenden Äußerungen weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf und die Intensität der Beeinträchtigung ist gering. Sie sind in keiner Weise herabsetzend oder gar ehrverletzend.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück