11.06.2013

Zur Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde nach "Einigung" über den Streitwert in Vergleichsverhandlungen

Der Zulässigkeit einer Streitwertbeschwerde steht es nicht entgegen, dass sich die anwaltlich vertretene Partei in außergerichtlich geführten Vergleichsverhandlungen mit diesem Streitwert einverstanden erklärt hat und dieser Streitwert der Kostenquote des gerichtlich festgestellten Vergleichs zugrunde gelegt wurde. Dies lässt weder die Beschwer entfallen noch ist diesem Verhalten ein Rechtsmittelverzicht zu entnehmen.

OLG Frankfurt a.M. 21.5.2013, 17 W 15/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nahm die beklagte Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung und vorsätzlichen Kapitalanlagebetrugs im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an einem geschlossenen Medienfonds auf Schadenersatz in Anspruch. Dabei begehrte sie u.a. die Zahlung des Anlagebetrages zzgl. Agio i.H.v. rd. 27.000 € (Klageantrag zu 1). Daneben nahm sie die Beklagte auf Zahlung entgangener Anlagezinsen i.H.v. 12.000 € in Anspruch (Klageantrag zu 2). Zudem beantragte die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte sie von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen im Zusammenhang mit der Beteiligung freizustellen hat (Klageantrag zu 3).

Die Beklagte teilte dem Gericht mit, dass sich die Parteien auf einen Vergleich dahingehend geeinigt hätten, dass die Beklagte an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 40 Prozent des Nominalbetrages der Beteiligung (10.000 €) zahlt, wobei von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs die Klägerin gut drei Viertel und die Beklagte knapp ein Viertel zu tragen hat. Die Beklagte gab an, dass sich die Parteien auch auf den Streitwert und die daraus resultierende Kostenquote geeignet hätten. Der Gesamtstreitwert betrage 44.000 €, wobei auf den Klageantrag zu 1) 27.000 €, auf den Klageantrag zu 2) 12.000 € und auf den Klageantrag zu 3) 5.000 € entfielen. Nachdem die Klägerin gegenüber dem LG ihr Einverständnis mit dem mitgeteilten Vergleich erklärt hatte, stellte das LG das Zustandekommens dieses Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO fest und setzte den Streitwert auf "bis 45.000 €" fest.

Gegen die Streitwertfestsetzung legte der Klägervertreter "namens und im Auftrag der hinter der klagenden Partei stehenden Rechtsschutzversicherung" Beschwerde ein, mit der er die Herabsetzung des Streitwertes um den für die entgangenen Anlagezinsen (Klageantrag zu 2) berücksichtigten Betrag (12.000 €) begehrt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stelle ein solcher Zinsschaden eine Nebenforderung dar, die den Streitwert der Hauptsache nicht erhöhe. Die Beklagte hält die Klägerin schon nicht für beschwerdebefugt, weil der dem gerichtlichen Vergleich zugrunde gelegte Streitwert auf einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien beruhe. Dies sei als Verzicht auf eine Streitwertbeschwerde auszulegen.

Das OLG gab der Beschwerde statt.

Die Gründe:
Der Gebührenstreitwert des Rechtsstreits und der Gegenstandswert des Vergleichs werden auf 32.000 € festgesetzt.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass sich die Klägerin im Zuge der außergerichtlich geführten Vergleichsverhandlungen mit einem Streitwert i.H.v. 44.000 € "einverstanden" erklärt hat und dies dem Gericht mitgeteilt wurde. Auch wenn das LG den Streitwert "antragsgemäß" festgesetzt hat, ist die Klägerin dennoch beschwert. Für das Verfahren der Streitwertbeschwerde kommt es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer durch eine von seinem Antrag abweichende Entscheidung formell beschwert ist.

Der Beklagten steht auch nicht die Einrede eines ihr gegenüber erklärten Rechtsmittelverzichts zu. Dass die Klägerin im Zuge der Vergleichsverhandlungen ausdrücklich erklärt hätte, auf die Erhebung einer Streitwertbeschwerde zu verzichten, behauptet auch die Beklagte nicht. Sie will einen dahingehenden Verzicht vielmehr daraus ableiten, dass im außergerichtlich geschlossenen Vergleich eine Vereinbarung über die Höhe des Streitwertes stattgefunden habe. Eine Verzichtserklärung durch schlüssiges Handeln kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn sich der Handlung objektiv betrachtet unzweideutig der Wille entnehmen lässt, sich mit dieser Entscheidung ohne Vorbehalt abfinden zu wollen und das prozessuale Recht, diese in einer übergeordneten Instanz überprüfen zu lassen, endgültig aufgeben zu wollen. Dies ist hier im Hinblick auf den Streitwert nicht der Fall.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung ist auch begründet. Die im Klageantrag zu 2) ursprünglich geltend gemachten entgangenen Anlagezinsen i.H.v. 12.000 € erhöhen den Gebührenstreitwert nicht, so dass der Streitwert des Rechtsstreits und der Gegenstandswert des Vergleichs auf lediglich 32.000 € festzusetzen sind. Wie der BGH bereits wiederholt ausgesprochen hat, handelt es sich bei entgangenen Anlagezinsen, die ein Kläger als gleich bleibenden Hundertsatz von der investierten Anlagesumme berechnet, um eine Nebenforderung der Hauptforderung auf Rückzahlung des investierten Kapitals i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.

Linkhinweis:

Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank
Zurück