20.01.2016

Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO: Klägervortrag hinsichtlich der Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation genügt

Für die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO reicht es aus, wenn nach dem Klägervortrag eine öffentliche Kapitalmarktinformation verwendet wurde; ob dies durch Übergabe des Prospekts oder in sonstiger Weise erfolgte, ist unerheblich. Trägt der Kläger vor, dass ein Berater oder Vermittler eine in einem Prospekt veröffentlichte Kapitalmarktinformation verwendet hat, ist näheres Vorbringen zu der Frage, ob diese Information unmittelbar oder mittelbar auf den Prospekt zurückgeht, jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn keine anderen Quellen ersichtlich sind.

BGH 8.12.2015, X ARZ 573/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagten, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in zwei unterschiedlichen Gerichtsbezirken haben, auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr durch Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds entstanden ist. Nach dem Vortrag der Klägerin entschied sie sich für die Anlage aufgrund eines Beratungsgesprächs mit einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1). Bei diesem Gespräch wurde der Klägerin eine Werbebroschüre überreicht. Der Fondsprospekt wurde ihr erst nach Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung zugesandt.

Die Klägerin hält die Beratung für fehlerhaft, weil der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) sie nicht über die wirtschaftlichen Risiken der Beteiligung aufgeklärt und insbesondere nicht darauf hingewiesen habe, dass es Probleme bei der Bauausführung gebe, die im Prospekt nicht erwähnt seien. Für diese Prospektfehler hätten auch die Beklagte zu 2) als Initiatorin des Fonds und Herausgeberin des Prospekts und die Beklagte zu 3) als Gründungs- und Treuhandgesellschafterin des Fonds einzustehen.

Die Klägerin beantragt eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und regt an, als zuständiges Gericht das für die Niederlassung der Beklagten zu 1) zuständige LG zu bestimmen, bei dem die Klage gegen alle drei Beklagten bereits anhängig ist. Die Beklagten zu 2) und 3) treten dem Antrag entgegen. Das OLG hält den Antrag für zulässig und begründet und die Bestimmung des von der Klägerin vorgeschlagenen Gerichts für zweckmäßig. Es sieht sich allerdings an einer Entscheidung in diesem Sinne durch einen Beschluss des OLG Frankfurt a.M. gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt.

Der BGH wies den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts zurück.

Die Gründe:
Im Widerspruch zur Ansicht des OLG sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegend nicht gegeben. Für den Rechtsstreit ist gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand am Sitz der Fondsgesellschaft begründet.

Wie auch das OLG zutreffend angenommen hat, ist dieser Gerichtsstand gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet, weil die Klägerin diese als Prospektverantwortliche wegen unzutreffender oder unzureichender Prospektangaben in Anspruch nimmt. Entgegen der Auffassung des OLG ist derselbe Gerichtsstand gegenüber der Beklagten zu 1) gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der seit 1.12.2012 geltenden Fassung gilt der dort vorgesehene besondere Gerichtsstand auch für Klagen gegen Anlageberater oder -vermittler wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist.

In der im Streitfall zu beurteilenden Konstellation bedarf es im Zusammenhang mit § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO grundsätzlich keines näheren Klägervortrags dazu, ob der Anlageberater oder -vermittler den Prospekt übergeben, vorgelegt oder zumindest darauf Bezug genommen hat. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO reicht es aus, wenn nach dem Klägervortrag eine öffentliche Kapitalmarktinformation verwendet worden ist. In welcher Form dies geschieht, ist sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch nach deren Sinn und Zweck unerheblich.

Erforderlich ist lediglich, dass der Berater oder Vermittler eine im Prospekt enthaltene Information an den Interessenten weitergegeben hat. Ob er hierbei ausdrücklich oder konkludent auf den Prospekt Bezug genommen hat, ist hingegen jedenfalls dann unerheblich, wenn diese Information unmittelbar oder mittelbar auf den Prospekt zurückgeht. Letzteres bedarf jedenfalls dann keiner näheren Darlegung durch den Kläger, wenn keine anderen Quellen ersichtlich sind, denen der Berater oder Vermittler diese Information unabhängig vom Prospektinhalt hätte entnehmen können.

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