20.02.2013

Zuweisung des Vorsteuerabzugsrechts an den Organträger ist lediglich formeller Natur

Die durch § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG bewirkte Zurechnung der Umsätze des Organkreises an den Organträger als Steuerschuldner gegenüber dem Finanzamt dient im Wesentlichen der Vereinfachung der Steuererhebung und stellt keine andere Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Sie ist lediglich formeller, der Abwicklung des Steuerschuldverhältnisses dienender Natur.

BGH 29.1.2013, II ZR 91/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war seit 2002 am Grundkapital der klagenden AG mit 75,03 % beteiligt. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag bestand nicht. Im Zeitraum von Januar 2003 bis Juni 2003 war die Klägerin in einer umsatzsteuerlichen Organschaft gem. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG in das Unternehmen der Beklagten als Organträgerin eingegliedert. Die Klägerin teilte der Beklagten monatlich die auf die von ihr ausgeführten Lieferungen und Leistungen angefallene Umsatzsteuer sowie die Vorsteuerbeträge für die an sie erbrachten Lieferungen und Leistungen anderer Unternehmer im Rahmen interner Umsatzsteuervoranmeldungen mit. Für den Zeitraum von Januar 2003 bis Juni 2003 wiesen diese einen Vorsteuerüberschuss der Klägerin von 123.253 € aus.

Die Beklagte gab als Organträgerin Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt ab und vereinnahmte im selben Zeitraum Vorsteuervergütungen i.H.v. 123.980 €. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Zahlung des sich aus ihren internen Umsatzsteuervoranmeldungen ergebenden Vorsteuerüberschusses von 123.253 €. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den sich aus den internen Umsatzsteuervoranmeldungen ergebenden Vorsteuerüberschuss i.H.v. 123.253 € auszuzahlen.

Umfang und Grenzen eines Ausgleichsanspruchs im Anwendungsbereich des entsprechend heranzuziehenden § 426 Abs. 1 S. 1 BGB richten sich nach der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses der am Organkreis Beteiligten. Die durch § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG bewirkte Zurechnung der Umsätze des Organkreises an den Organträger als Steuerschuldner gegenüber dem Finanzamt dient im Wesentlichen der Vereinfachung der Steuererhebung und stellt keine andere Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Sie ist lediglich formeller, der Abwicklung des Steuerschuldverhältnisses dienender Natur.

Die gegenüber einer Organgesellschaft erbrachten, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Lieferungen oder Leistungen sind durch die Entrichtung des (Brutto-)Entgelts mit einem tatsächlichen Aufwand verknüpft, der durch den Vorsteuervergütungsanspruch kompensiert werden soll. Es ist daher nicht ersichtlich, dass mit der durch § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG bewirkten Zuweisung der Vorsteuervergütungsansprüche an den Organträger eine den Grundsatz der Belastungsneutralität durchbrechende zivilrechtliche Vermögenszuweisung erfolgen sollte. Vielmehr würde der Grundsatz der Belastungsneutralität auf Unternehmensebene systemwidrig durchbrochen, wenn das Recht zum Vorsteuerabzug für die an eine Organgesellschaft erbrachten Lieferungen und Leistungen zivilrechtlich dem Organträger zugewiesen würde.

Die von der Beklagten behauptete Vereinbarung, wonach der Klägerin wegen der organschaftlich bedingten Zuordnung von Vorsteuerguthaben bei der Beklagten kein Erstattungsanspruch zustehen solle, stand dem Ausgleichsanspruch der Klägerin nicht entgegensteht. Die Klägerin wäre gem. § 317 Abs. 1 S. 1 AktG, § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie sie ohne den Abschluss einer solchen Vereinbarung stünde. Die zu unterstellende Vereinbarung zwischen den Parteien wäre ein für die Klägerin nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG. Die allein steuerrechtlich veranlasste, der zivilrechtlichen Zuordnung nicht entsprechende Vermögensverlagerung von der Klägerin auf die Beklagte ist grundsätzlich auszugleichen. Unterlässt es das herrschende Unternehmen, den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich auszugleichen oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil zu gewähren, ist es der abhängigen Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

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