25.11.2025

§ 138 Abs. 1 BGB: Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrags

Der Kondiktionsanspruch des Verkäufers ist bei einer Nichtigkeit allein des Kaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB auf Rückübertragung des Eigentums gerichtet, während bei einer Nichtigkeit auch des Erfüllungsgeschäfts nach § 138 Abs. 2 BGB Grundbuchberichtigung verlangt werden kann. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass der Verkehrswert eines Miteigentumsanteils dessen rechnerischem Anteil an dem Verkehrswert des gesamten Grundstücks entspricht; das gilt auch bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages. Derjenige, der sich auf die Nichtigkeit eines Kaufvertrages über einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB beruft, kann sich daher darauf beschränken, Angaben zum Verkehrswert des Grundstücks zu machen; einer gesonderten Darlegung des Werts des Miteigentumsanteils bedarf es nicht.

BGH v. 7.11.2025 - V ZR 155/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war neben ihrem Ehemann zu 1/2 Miteigentümerin eines Grundstücks. Im Zuge der Trennung von ihrem Ehemann verkaufte sie mit notariellem Vertrag vom 8.11.2019 an jeden der Beklagten einen Miteigentumsanteil von jeweils 2/10, sodass ihr selbst ein Anteil von 1/10 verblieb. Als Gegenleistung verpflichteten sich die Beklagten, die Klägerin von dem im Innenverhältnis zu ihrem Ehemann auf sie entfallenden hälftigen Anteil an einer Darlehensverbindlichkeit bei einer Bank freizustellen. Die Gesamtverbindlichkeit valutierte am 12.12.2020 noch mit rd. 98.000 €. Die jeweils gegenüber der Bank fälligen Raten wurden von dem Ehemann der Klägerin bedient. Im Mai 2020 wurden die Beklagten als Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen. Auf ihren Antrag ordnete das AG im Dezember 2021 die Zwangsversteigerung des Grundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an. Am 18.7.2022 zahlten die Beklagten nach Aufforderung durch die Klägerin an deren Ehemann rd. 10.000 € (Kreditraten November 2019 bis Juni 2022).

Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage, die sie - soweit hier von Interesse - auf die Behauptung stützt, der Vertrag sei wegen eines krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, in erster Instanz, die Beklagten zu verurteilen, die Miteigentumsanteile Zug um Zug gegen Zahlung von 10.000 € an sie zurückzuübertragen; hilfsweise beantragte sie, die Beklagten zu verurteilen, die Berichtigung des Grundbuchs dahin zu bewilligen, dass sie wieder Inhaberin der auf die Beklagten gebuchten Miteigentumsanteile sei.

Das LG wies die Klage ab. Mit ihrer Berufung beantragte die Klägerin über die bisherigen Anträge hinaus hilfsweise, die Zwangsversteigerung für unzulässig zu erklären. Im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgte im Teilungsversteigerungsverfahren der Zuschlag des Grundstücks an einen Dritten. Daraufhin beantragte die Klägerin zunächst hilfsweise - bedingt auf die Rechtskraft des Zuschlags - die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und erklärte nach einem Hinweis des KG auf die Unzulässigkeit dieses Antrags den Rechtsstreit für erledigt. Die Beklagten widersprachen der Erledigungserklärung. Zuletzt beantragte die Klägerin festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Das KG wies die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurück. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will die Klägerin erreichen, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben und ihr in einem neuen Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben wird, zu ihrem auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Antrag zurückzukehren.

Der BGH hob den Beschluss des KG auf und verwies die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der Nichtigkeit des Kaufvertrages ist der Rechtsgrund für die Leistung der Klägerin, die in der Verfügung über die insgesamt 4/10 Miteigentumsanteile an dem Grundstück liegt, entfallen. Die Annahme des KG, Rechtsgrund für den Eigentumserwerb der Beklagten sei die Auflassung, die als wertneutrales abstraktes Verfügungsgeschäft von der etwaigen Unsittlichkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht erfasst werde, ist unzutreffend.

Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des KG, die Auflassung sei Rechtsgrund i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB für den Eigentumserwerb, hier der Beklagten. Rechtsgrund für den Eigentumserwerb ist vielmehr der Kaufvertrag als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft. Die Auflassung als dingliche Verfügung über das Grundeigentum (§§ 873, 925 BGB) ist lediglich Teil des Erfüllungsgeschäfts. Gerade weil die abstrakten sachenrechtlichen Erfüllungsgeschäfte im Regelfall - von Ausnahmen wie etwa § 138 Abs. 2 BGB abgesehen - von der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts nicht erfasst werden, ist der Kondiktionsanspruch in einem solchen Fall auf Rückgängigmachung des Rechtserwerbs gerichtet.

Der Anspruch des Verkäufers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückübertragung des Grundeigentums wegen Nichtigkeit des Kaufvertrages setzt somit gerade voraus, dass der in das Grundbuch eingetragene Käufer wirksam Eigentum erworben hat; darin besteht die "Leistung" i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, nicht aber der rechtliche Grund für diese. Wird der Käufer in das Grundbuch eingetragen, ohne materiell-rechtlich Eigentum zu erwerben, kann er lediglich eine Buchposition herausgeben; der Verkäufer kann also nach § 894 BGB die Bewilligung der Grundbuchberichtigung verlangen. Deshalb ist der Kondiktionsanspruch des Verkäufers bei einer Nichtigkeit allein des Kaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB auf Rückübertragung des Eigentums gerichtet, während bei einer Nichtigkeit auch des Erfüllungsgeschäfts nach § 138 Abs. 2 BGB Grundbuchberichtigung verlangt werden kann.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die Klage kann insbesondere nicht mit der von dem LG gegebenen Begründung abgewiesen werden, ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung lasse sich nicht feststellen, weil die Klägerin nicht hinreichend substantiiert zu dem Verkehrswert der von ihr veräußerten Miteigentumsanteile vorgetragen habe. Vielmehr ist der Vortrag der Klägerin hierzu als ausreichend anzusehen. Wie der Senat für die Verkehrswertfestsetzung im Zwangsversteigerungsverfahren entschieden hat, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Verkehrswert eines Miteigentumsanteils dessen rechnerischem Anteil an dem Verkehrswert des gesamten Grundstücks entspricht; das gilt auch bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages. 

Dies folgt daraus, dass der Ersteher (Miteigentümer) entweder nach §§ 749, 752 Satz 1 BGB die Realteilung des Grundstücks verlangen und sein dadurch entstehendes, in seinem Alleineigentum befindliches Grundstück veräußern, oder aber nach §§ 749, 753 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses verlangen kann, bei der das Gesamtgrundstück versteigert wird und die Miteigentümer einen ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil entsprechenden Teil des Erlöses erhalten. Aber selbst wenn es im Einzelfall anders liegen sollte und von dem rechnerischen Wert der Anteile ein Abschlag vorgenommen werden müsste, wäre es nicht Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei, hierzu nähere Angaben zu machen, bei denen es sich für einen Laien regelmäßig um reine Mutmaßungen handeln müsste. Derjenige, der sich auf die Nichtigkeit eines Kaufvertrages über einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB beruft, kann sich darauf beschränken, Angaben zum Verkehrswert des Grundstücks zu machen; einer gesonderten Darlegung des Werts des Miteigentumsanteils bedarf es nicht.

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