07.09.2020

Abgasskandal: Auch Audi muss Schadensersatz an Kunden zahlen

Die Audi AG und die Volkswagen AG müssen dem Käufer eines gebrauchten Audi A 1 wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung als Schadensersatz den Kaufpreis unter Abzug einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs zahlen.

OLG Hamm v. 14.8.2020 - 45 U 22/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger kaufte im Februar 2014 bei einem Autohaus einen erstmals im Februar 2013 zugelassenen Audi A1, 1.6 TDI zu einem Kaufpreis von ca. 16.000 €. In dem Fahrzeug eingebaut ist ein vom sog. Abgasskandal betroffener Dieselmotor mit der herstellerinternen Typenbezeichnung EA 189. Im März 2017 ließ der Kläger ein angebotenes Software-Update ausführen, welches dafür sorgen sollte, im Normalbetrieb die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte einzuhalten.

Der Kläger macht u.a. geltend, er hätte den Audi A1 nicht gekauft, wenn er von der Manipulation der Abgaswerte gewusst hätte. Ihm stünde sowohl ggü. der Volkswagen AG als auch der Audi AG ein Schadensersatzanspruch zu, weil er von ihnen vorsätzlich sittenwidrig im Hinblick auf die Schadstoffemissionen getäuscht worden sei.

Die Volkswagen AG hat insbesondere behauptet, dass die Entscheidung zum Einsatz der Motorsteuerungssoftware unterhalb ihrer Vorstandsebene getroffen worden sei. Die Audi AG hat sich darauf berufen, sie habe den Motor nicht entwickelt, weshalb sie von den Vorgängen keine Kenntnisse gehabt habe; ein etwaiges Wissen der Volkswagen AG könne ihr nicht zugerechnet werden.

Das LG hat die Volkswagen AG und die Audi AG - gesamtschuldnerisch - mit Urteil vom 22.7.2019 (Az.: 19 O 314/18) insbesondere zur Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei durch das Inverkehrbringen des Motors - mit Blick auf die Volkswagen AG - und des Fahrzeugs - in Bezug auf die Audi AG - geschädigt worden. Das OLG bestätigte diese Auffassung. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Audi AG und die Volkswagen AG haben jede für sich zum Nachteil des Käufers des Audi A 1 eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen. Mehr als fernliegend ist die Annahme, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung der Vorstände oder sonstiger Repräsentanten der Unternehmen erfolgt ist und lediglich einem untergeordneten Konstrukteur zugeschrieben werden kann, der sich eigenmächtig verhalten hat.

Der Gesichtspunkt, dass die beteiligten Unternehmen in einem Konzern verbunden sind, genügt für sich genommen zwar nicht, um eine Wissenszurechnung zu begründen. Eine Mithaftung der Audi AG folgt aber daraus, dass nicht vorstellbar ist, dass kein Vorstandsmitglied der Audi AG von dem Einsatz der illegalen Software gewusst hat. Diese Kenntnis drängt sich geradezu angesichts eines bei der Audi AG vorhandenen Compliance-Systems auf, nach dem für jedes Detail eines zu produzierenden Pkw das Einverständnis zumindest eines Vorstandsmitglieds eingeholt werden muss. Beiden Herstellern ist es nicht gelungen, Umstände darzulegen, wonach eine Kenntnis ihrer Vorstände oder sonstigen Repräsentanten ausscheiden würde.
OLG Hamm PM vom 3.9.2020
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