05.05.2020

Abgasskandal: Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen die Volkswagen-AG

Der 7. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat die Volkswagen-AG zu Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB verurteilt, obwohl die Klage erst im Jahr 2019 erhoben wurde. Der 7. Zivilsenat hat dabei - anders als der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart (siehe Hinweis a.E.) - die Ansprüche nicht als verjährt angesehen.

OLG Stuttgart v. 30.4.2020 - 7 U 470/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Jahr 2012 ein Neufahrzeug des Typs VW Sharan bei einem Händler erworben. In diesem war eine sog. Umschalteinrichtung verbaut, die erkennen konnte, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befand und erhöhte in diesem Fall die Abgasrückführungsrate mit der Folge geringeren Stickoxidausstoßes. Der Kläger machte wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatzansprüche geltend. Das LG hatte erstinstanzlich die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Der 7. Zivilsenat hat ihr nun überwiegend stattgegeben. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Der Volkswagen AG ist ein sittenwidrig vorsätzliches Handeln vorzuwerfen. Entgegen der Auffassung des LG sind die mit der am 25.2.2019 erhobenen Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht verjährt.

Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Weder für eine Kenntnis des Klägers noch für eine grob fahrlässige Unkenntnis ergeben sich bis zum Schluss des hier relevanten Jahres 2015 ausreichende Anhaltspunkte. Die öffentlich verbreiteten Informationen durch die Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.9.2015 und die nachfolgende Presseberichterstattung lässt nicht auf eine hinreichende Kenntnis oder eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sog. Dieselskandal und von einem vorsätzlich sittenwidrigen Handeln der Beklagten schließen. Dem Kläger ist eine grobe Fahrlässigkeit auch nicht deshalb vorzuwerfen, weil er von der Möglichkeit, auf einer von der Beklagten eingerichteten Internetplattform die Betroffenheit seines Fahrzeugs zu überprüfen, nicht schon im Jahr 2015 Gebrauch gemacht hat. Zu diesem Zeitpunkt hat sich dem Kläger - trotz der Medienberichterstattung - ein aktives Bemühen um die Feststellung der Betroffenheit seines Fahrzeugs noch nicht aufdrängen müssen. Die Verjährung, die danach frühestens mit dem Ablauf des Jahres 2016 begonnen hat, ist deshalb durch die am 25.2.2019 erhobene Klage rechtzeitig gehemmt worden.

+++ Hinweis: +++
Der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat in zwei ähnlichen Fällen die Ansprüche als verjährt angesehen:
  • OLG Stuttgart, Urteil v. 7.4.2020 - 10 U 455/19
  • OLG Stuttgart, Urteil v. 14.4.2020 - 10 U 466/19

(vgl. Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 15.4.2020)

OLG Stuttgart PM vom 4.5.2020
Zurück