Abrissarbeiten und knappes Essen: Volle Erstattung bei Zweckfortfall der Pauschalreise
EuGH v. 23.10.2025 - C-469/24
Der Sachverhalt:
Die Kläger reisten für einen All-inclusive-Aufenthalt in einem Fünfsternehotel nach Albanien. Am Tag nach ihrer Ankunft wurden sie durch den Lärm geweckt, der beim Abriss der Schwimmbecken ihres Hotels entstand. Diese Arbeiten, die von den albanischen Behörden angeordnet worden waren, dauerten vier Tage, jeweils von 7.30 Uhr bis 19.30 Uhr und führten zum vollständigen Abriss der Schwimmbecken, der Strandpromenade sowie des gepflasterten Abstiegs zum Meer.
Außerdem mussten die Urlauber in langen Schlangen anstehen, um ihre Mahlzeiten zu erhalten, und bereits zu Beginn der Essenszeiten erscheinen, da die Zahl der verfügbaren Mahlzeiten begrenzt war. Überdies entfiel das Snackangebot am Nachmittag. Schließlich wurde während der letzten drei Tage des Aufenthalts mit neuen Bauarbeiten begonnen, um das Hotel um ein fünftes Stockwerk aufzustocken.
Die Kläger forderten daraufhin die volle Erstattung des Reisepreises sowie Schadensersatz. Das mit der Sache befasste polnische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es möchte wissen, welche Rechte den Reisenden aus der Pauschalreiserichtlinie (Richtlinie (EU) 2015/2302) zustehen.
Die Gründe:
Ein Reisender hat nicht nur dann Anspruch auf volle Erstattung des gezahlten Preises, wenn sämtliche Reiseleistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht wurden, sondern auch, wenn trotz der Erbringung bestimmter Leistungen ihre mangelhafte Erbringung so schwerwiegend ist, dass die Pauschalreise zwecklos wird, und die Reise für den Reisenden objektiv nicht mehr von Interesse ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, ob dies der Fall ist.
Die Richtlinie dient nur der Wiederherstellung des vertraglichen Gleichgewichts zwischen den Reisenden und dem Reiseveranstalter, nicht jedoch dazu, den Reiseveranstalter zu sanktionieren, insbesondere durch Strafschadensersatz. Der Reisende hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Reiseveranstalter nachweist, dass die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung von Reiseleistungen einem Dritten zuzurechnen ist und weder vorhersehbar noch vermeidbar war. Gemäß der Richtlinie hängt diese Möglichkeit, sich der Haftung gegenüber einem Reisenden zu entziehen, nicht von einem etwaigen Verschulden dieses Dritten ab. Folglich steht die Richtlinie dem polnischen Recht entgegen, das einen Nachweis dieses Verschuldens durch den Reiseveranstalter verlangt.
Hinsichtlich der Frage, ob die Abrissarbeiten als "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand" betrachtet werden können, der den Reiseveranstalter von seiner Schadensersatzpflicht befreit, ist darauf hinzuweisen, dass diese Arbeiten auf einen Akt der öffentlichen Gewalt zurückzuführen sind. Solche Akte werden normalerweise in transparenter Weise erlassen und ihre Umsetzung wird im Allgemeinen in irgendeiner Form angekündigt. Das nationale Gericht hat also zu prüfen, ob der Reiseveranstalter oder der Betreiber der touristischen Infrastruktur über das Verfahren informiert wurden, das zum Erlass der Entscheidung über den Abriss geführt hat, sie gar daran teilgenommen haben oder ob sie über den Inhalt der Entscheidung informiert wurden, bevor diese umgesetzt wurde.
Waren der Veranstalter oder der Betreiber informiert oder haben sie am Verfahren teilgenommen, so kann der Abriss der in Rede stehenden Infrastruktur nicht als unvorhersehbar angesehen werden. Folglich kann der Veranstalter nicht von seiner Schadenersatzpflicht gegenüber den Reisenden befreit werden.
Mehr zum Thema:
Aufsatz
Die Entwicklungen des Pauschalreiserechts in den Jahren 2024/25
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2025, 1165
MDR0082614
Aktionsmodul Zivilrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner. 4 Wochen gratis nutzen!
EuGH PM Nr. 134 vom 23.10.2025
Die Kläger reisten für einen All-inclusive-Aufenthalt in einem Fünfsternehotel nach Albanien. Am Tag nach ihrer Ankunft wurden sie durch den Lärm geweckt, der beim Abriss der Schwimmbecken ihres Hotels entstand. Diese Arbeiten, die von den albanischen Behörden angeordnet worden waren, dauerten vier Tage, jeweils von 7.30 Uhr bis 19.30 Uhr und führten zum vollständigen Abriss der Schwimmbecken, der Strandpromenade sowie des gepflasterten Abstiegs zum Meer.
Außerdem mussten die Urlauber in langen Schlangen anstehen, um ihre Mahlzeiten zu erhalten, und bereits zu Beginn der Essenszeiten erscheinen, da die Zahl der verfügbaren Mahlzeiten begrenzt war. Überdies entfiel das Snackangebot am Nachmittag. Schließlich wurde während der letzten drei Tage des Aufenthalts mit neuen Bauarbeiten begonnen, um das Hotel um ein fünftes Stockwerk aufzustocken.
Die Kläger forderten daraufhin die volle Erstattung des Reisepreises sowie Schadensersatz. Das mit der Sache befasste polnische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es möchte wissen, welche Rechte den Reisenden aus der Pauschalreiserichtlinie (Richtlinie (EU) 2015/2302) zustehen.
Die Gründe:
Ein Reisender hat nicht nur dann Anspruch auf volle Erstattung des gezahlten Preises, wenn sämtliche Reiseleistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht wurden, sondern auch, wenn trotz der Erbringung bestimmter Leistungen ihre mangelhafte Erbringung so schwerwiegend ist, dass die Pauschalreise zwecklos wird, und die Reise für den Reisenden objektiv nicht mehr von Interesse ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, ob dies der Fall ist.
Die Richtlinie dient nur der Wiederherstellung des vertraglichen Gleichgewichts zwischen den Reisenden und dem Reiseveranstalter, nicht jedoch dazu, den Reiseveranstalter zu sanktionieren, insbesondere durch Strafschadensersatz. Der Reisende hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Reiseveranstalter nachweist, dass die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung von Reiseleistungen einem Dritten zuzurechnen ist und weder vorhersehbar noch vermeidbar war. Gemäß der Richtlinie hängt diese Möglichkeit, sich der Haftung gegenüber einem Reisenden zu entziehen, nicht von einem etwaigen Verschulden dieses Dritten ab. Folglich steht die Richtlinie dem polnischen Recht entgegen, das einen Nachweis dieses Verschuldens durch den Reiseveranstalter verlangt.
Hinsichtlich der Frage, ob die Abrissarbeiten als "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand" betrachtet werden können, der den Reiseveranstalter von seiner Schadensersatzpflicht befreit, ist darauf hinzuweisen, dass diese Arbeiten auf einen Akt der öffentlichen Gewalt zurückzuführen sind. Solche Akte werden normalerweise in transparenter Weise erlassen und ihre Umsetzung wird im Allgemeinen in irgendeiner Form angekündigt. Das nationale Gericht hat also zu prüfen, ob der Reiseveranstalter oder der Betreiber der touristischen Infrastruktur über das Verfahren informiert wurden, das zum Erlass der Entscheidung über den Abriss geführt hat, sie gar daran teilgenommen haben oder ob sie über den Inhalt der Entscheidung informiert wurden, bevor diese umgesetzt wurde.
Waren der Veranstalter oder der Betreiber informiert oder haben sie am Verfahren teilgenommen, so kann der Abriss der in Rede stehenden Infrastruktur nicht als unvorhersehbar angesehen werden. Folglich kann der Veranstalter nicht von seiner Schadenersatzpflicht gegenüber den Reisenden befreit werden.
Aufsatz
Die Entwicklungen des Pauschalreiserechts in den Jahren 2024/25
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2025, 1165
MDR0082614
Aktionsmodul Zivilrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner. 4 Wochen gratis nutzen!