21.05.2025

Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung beim Gebrauchtwagenkauf

Bei der Frage, ob eine Frist angemessen ist, sind die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Vertragspartner zu beachten. Eine zu kurz gesetzte Frist setzt eine längere, angemessene Frist in Lauf. Die Frist muss zudem den Schuldner in die Lage versetzen, die bereits begonnene Leistung zu vollenden. Diese Grundsätze zur Angemessenheit der Frist gelten auch um Rahmen des § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB, wonach zwar keine ausdrückliche Fristsetzung erforderlich ist, jedoch ab Unterrichtung über den Mangel eine angemessene Frist zur Nacherfüllung vergangen sein muss.

LG Paderborn v. 7.5.2025 - 4 O 291/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte am 20.4.2024 von der Beklagten ein gebrauchtes Auto der Marke Hyundai, Modell: Santa Fe (Erstzulassung März 2007) zu einem Kaufpreis von 7.490 € erworben. Der Wagen wies laut Kaufvertrag einen Tachostand von 170.000 km auf. Die Klägerin rief noch am Tag der Abholung den Inhaber der beklagten Gebrauchtwagenhändlerin an, weil bereits auf der Rückfahrt an dem Fahrzeug eine Überhitzung eingetreten sei. Der Inhaber schickte der Klägerin daraufhin eine SMS, mit der er sie über das für das Fahrzeug erforderliche Öl informierte.

Nachfolgend befand sich das Fahrzeug in einer Werkstatt. Dort wurde am 7.5.2024 eine Reparatur durchgeführt, bei der u.a. der Tankgeber instandgesetzt wurde, der Beifahrersitz geprüft und instandgesetzt wurde, der Zylinderkopf abgedichtet wurde, der Motor gereinigt wurde und nach Prüfung des Kühlsystems die Klimaanlage abgesaugt und aufgefüllt wurde. Für die Arbeiten zahlte die Klägerin 408,99 €. Für den Abschleppvorgang in den Niederlanden bezahlte die Klägerin 180 €. Eine Erneuerung der Zylinderkopfabdichtung blieb alternativlos.

Mit E-Mail vom 28.5.2024 forderte die Klägerin die Beklagte auf, entweder das Fahrzeug abzuholen und die Reparatur in einer Fachwerkstatt durchführen zu lassen oder das Fahrzeug zurückzunehmen und den Kaufpreis vollständig zu erstatten. Die Parteien vereinbarten, dass der Inhaber der Beklagten das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt instand setzen lässt. Das Fahrzeug wurde von der Beklagten am 5.6.2024 abgeholt. Als es am 11.6.2024 immer noch nicht instandgesetzt war, setzte die Klägerin eine "Nachfrist" bis zum 17.6.2024.

Mit Schreiben vom 18.6.2024 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, den Kaufpreis bis zum 25.6.2024 zurückzuzahlen. Das Fahrzeug war noch im Besitz des Inhabers der Beklagten. Diese wies den Rücktritt zurück und erklärte, dass sie versuchen werde, den Mangel so schnell wie möglich zu beseitigen, die Ursache aber noch nicht gefunden habe. Am 3.7.2024 wurde der Inhaber der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 408,99 € und Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 17.7.2024 aufgefordert. Mit E-Mail vom 6.7.2024 teilte dieser der Klägerin mit, dass die Reparatur erfolgt sei und das Auto abgeholt werden könne. Die Beklagte war der Ansicht, der Rücktritt sei nicht wirksam, weil keine angemessene Frist zur Durchführung von Nachbesserungsarbeiten eingeräumt worden sei.

Das LG hat die Klage abgesehen vom Anspruch auf Schadensersatz für die Abschleppkosten i.H.v. 180 € abgewiesen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht der begehrte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges, insbesondere nicht aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2, 434, 323 BGB, zu. Denn die Voraussetzungen des Rücktritts waren vorliegend nicht erfüllt.

Im Grundsatz setzt das Bestehen eines Rücktrittsrechts voraus, dass angesichts eines bei Übergabe an dem Kaufgegenstand bestehenden Mangels dem Verkäufer nach § 323 Abs. 1 BGB erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde. Bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 BGB) zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher - wie hier - nimmt § 475d Abs. 1 BGB Ausnahmen von der Bestimmung einer Nacherfüllungsfrist vor. Nach § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB bedarf es einer Fristsetzung zur Nacherfüllung insbesondere nicht, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat. Für die Darlegung dieser Umstände war hier die Klägerin nach den allgemeinen Regeln darlegungs- und beweisbelastet.

Allerdings war das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Beklagten vor der Erklärung des Rücktritts am 18.6.2024  in angemessener Weise die Möglichkeit der Nachbesserung eingeräumt worden war, weswegen ein Rücktritt am 18.6.2024 nicht wirksam erfolgen konnte. Die Parteien hatten sich in Folge der E-Mail vom 28.5.2024 darauf geeinigt, dass der Inhaber der Beklagten das Fahrzeug zur Reparatur abholt und eine Abholung am 5.6.2024 zur Verbringung in die Reparatur war erfolgt. Da in der Reparaturwerkstatt zunächst die Ursache nicht gefunden werden konnte und der Inhaber der Beklagten der Klägerin mitgeteilt hatte, dass er mehr Zeit benötige, bestand für ihn am 18.6.2024 noch eine Nacherfüllungsmöglichkeit, weswegen der Rücktritt zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam erfolgen konnte.

Bei der Frage, ob eine Frist angemessen ist, sind die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Vertragspartner zu beachten. Eine zu kurz gesetzte Frist setzt eine längere, angemessene Frist in Lauf. Die Frist muss zudem den Schuldner in die Lage versetzen, die bereits begonnene Leistung zu vollenden. Diese Grundsätze zur Angemessenheit der Frist gelten auch um Rahmen des § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB, wonach zwar keine ausdrückliche Fristsetzung erforderlich ist, jedoch ab Unterrichtung über den Mangel eine angemessene Frist zur Nacherfüllung vergangen sein muss.

Da im Grundsatz ohne anderweitige Vereinbarung die Klägerin das Fahrzeug zur  Nacherfüllung bei der Beklagten hätte vorstellen müssen und zudem mit der E-Mail vom 28.5.2024 mehrere Möglichkeiten der Behebung der Beanstandungen vorgeschlagen worden waren, bestand für den Inhaber der Beklagten nicht bereits ab dem 28.5.2024 die Möglichkeit der Nachbesserung, sondern erst - nach erfolgter Einigung über die Abholung - mit der Abholung am 5.6.2024. Soweit in der E-Mail vom 3.6.2024 zunächst die Rückgabe des Fahrzeuges binnen einer Woche verlangt worden war und zuletzt eine Frist zur Reparatur bis zum 17.6.2024 gesetzt wurde, war diese Fristsetzung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Parteiinteressen im konkreten Fall erkennbar zu kurz bemessen.

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