03.11.2025

Anforderungen an die klare Erkennbarkeit gem. § 130e ZPO einer im Rechtsstreit erklärten mietrechtlichen Kündigung

Nach § 130e ZPO gilt eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedarf, als in schriftlicher oder elektronischer Form zugegangen, wenn sie klar erkennbar in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten ist, der als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde. Eine Kündigung in einer Räumungsklage ist nicht iSd Vorschrift klar erkennbar, wenn sie zwar bei aufmerksamem Lesen als solche identifiziert werden kann, sie aber weder einziger Inhalt des Schriftsatzes noch - etwa durch Fettdruck oder durch eine besondere Überschrift oder als besonderer Gliederungsabschnitt - hervorgehoben ist.

LG Krefeld v. 29.7.2025 - 2 T 10/25
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind durch ein Wohnraummietverhältnis verbunden. In der Räumungsklage stellte die Klägerin zunächst u.a. die Parteien dar, dann die vertraglichen Verhältnisse und anschließend - in einem mit der fettgedruckten Überschrift "3. Zahlungsverzug der Beklagten und Kündigung des Klägers" versehenen Abschnitt - den Gesamtrückstand. Darauf folgt eine tabellarische Zusammenstellung der Zahlungsrückstände. Der Abschnitt endet ohne weitere Überschrift und ohne besondere Kennzeichnung oder Einrückung wie folgt:

"Aufgrund der hier aufgeführten Zahlungsrückstände hinsichtlich des monatlichen Mietzinses seit dem Monat April 2024 bis heute wird hiermit vorsorglich nochmals die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen des hier dargestellten Zahlungsverzugs der Beklagten gemäß ... erklärt und der Klageantrag hilfsweise auf die hiermit ausgesprochene Kündigung gestützt."

Das LG entschied, dass die in der Räumungsklage ausgesprochene Kündigung nicht klar erkennbar iSv § 130e ZPO ausgesprochen wurde. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Auch die in der Klageschrift ausgesprochene weitere fristlose Kündigung wegen Zahlungsrückständen ist unwirksam.

Um Abgabe und Zugang materiellrechtlicher Willenserklärungen in elektronisch eingereichten Schriftsätzen zu erleichtern, hat der Gesetzgeber § 130e ZPO eingeführt, der im Interesse einer medienbruchfreien digitalen Kommunikation Formfiktionen vorsieht.

Nach § 130e ZPO gilt eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedarf, als in schriftlicher oder elektronischer Form zugegangen, wenn sie klar erkennbar in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten ist, der als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde. § 130e ZPO enthält damit zwei Fiktionen: Erfüllt der Schriftsatz, mit dem die Kündigung ausgesprochen wird, die Voraussetzungen des § 130a ZPO, wie die Einhaltung der Schriftform bei dessen Einreichung fingiert. Geht die in dieser Weise formgerechte Kündigung dem Kündigungsempfänger nach den Regeln der ZPO zu, dann wird deren formgerechter Zugang fingiert. Voraussetzung ist weiter, dass die Kündigung in dem Schriftsatz klar erkennbar ist.

Vorliegend fehlt es entgegen der Meinung der Klägerin an der klaren Erkennbarkeit der Kündigung im Sinne von § 130e ZPO, so dass die Formfiktion der Vorschrift nicht eingreift.

Zwar konnte sie bei aufmerksamem Lesen ohne weiteres als solche identifiziert werden, sie war aber weder einziger Inhalt des Schriftsatzes noch war sie - etwa durch Fettdruck oder durch eine besondere Überschrift oder als besonderer Gliederungsabschnitt - hervorgehoben. Als Hervorhebung genügt auch nicht, dass die Kündigung in dem Gliederungsabschnitt "3. Zahlungsverzug der Beklagten und Kündigung des Klägers" enthalten war. Denn dieser Abschnitt diente vor allem dazu, die vorprozessuale Kündigung zu begründen. Aus dieser Überschrift ergibt sich nicht, dass eine weitere prozessuale Kündigung ausgesprochen wird.

Auch der nachträgliche Hinweis der Klägerin und des Gerichts auf die Kündigung ändert nichts. Zwar führen solche Hinweise beim Kündigungsempfänger zur Erkennbarkeit der Kündigung, ihnen kann aber keine (rückwirkende bzw. heilende) materiellrechtliche Wirkung zukommen.

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