Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern im Fernabsatz
BGH v. 22.7.2025 - VIII ZR 5/25Der u.a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat sich bereits mit Beschluss vom 25.2.2025 (VIII ZR 143/24) aufgrund zahlreicher Nichtzulassungsbeschwerden insbesondere mit der Frage befasst, ob ein Unternehmer, der bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern eine von der Musterwiderrufsbelehrung in Teilen abweichende Widerrufsbelehrung verwendet, in der von ihm formulierten Widerrufsbelehrung zusätzlich seine - auf dessen Internet-Seite zugängliche - Telefonnummer angeben muss, wenn in der Widerrufsbelehrung als Kommunikationsmittel beispielhaft seine Postanschrift und E-Mail-Adresse genannt werden. Der Senat hat diese Frage in dem vorbezeichneten Beschluss verneint und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Beim VIII. Zivilsenat sind in der Folge zahlreiche weitere, ähnlich gelagerte Verfahren eingegangen, in denen seitens der - ebenfalls auf Rückabwicklung der Kaufverträge klagenden - Fahrzeugkäufer nunmehr die Frage aufgeworfen wird, ob der Unternehmer bei der eingangs genannten Fallgestaltung in der von ihm formulierten Widerrufsbelehrung zusätzlich seine Telefaxnummer angeben muss, wenn er diese im Impressum seiner Internet-Seite nennt. In diesem Zusammenhang wird von Fahrzeugkäufern auch geltend gemacht, diese Telefaxnummer sei nicht erreichbar gewesen. Darüber hinaus erheben diese Nichtzulassungsbeschwerden - in Anlehnung an eine nach dem Beschluss des Senats ergangene, hiervon abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 11.3.2025 - 6 U 57/24, Revision anhängig unter VIII ZR 62/25) - Rügen sowohl zu der Frage, ob der Verbraucher durch die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung über die persönliche und sachliche Reichweite des Widerrufsrechts irregeführt werde, als auch zu der Frage, ob die Widerrufsbelehrung der Beklagten deshalb unwirksam sei, weil dem Käufer darin zwar mitgeteilt werde, dass er als Folge eines Widerrufs die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware zu tragen habe, die Widerrufserklärung jedoch keine Angaben zu den Kosten der Rücksendung enthalte.
Von der Beantwortung dieser Fragen hängt in den Streitfällen ab, ob die Widerrufsfrist von vierzehn Tagen bereits mit dem Erhalt der Ware angelaufen und damit der Widerruf jeweils verspätet (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 BGB) oder ob - im Falle einer unwirksamen Widerrufsbelehrung - das Widerrufsrecht erst nach zwölf Monaten und vierzehn Tagen erloschen (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB) und damit der vom Käufer erklärte Widerruf rechtzeitig erklärt worden ist.
In einem ausgewählten Verfahren, dem ein die Berufung des dortigen Fahrzeugkäufers nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisender Beschluss des KG Berlin - 14. Zivilsenat - vom 13.12.2024 (14 U 86/24) zugrunde liegt, hat der Senat nunmehr über die von dem Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entschieden:
Am 18.4.2022 und am 15.6.2022 erwarb der Kläger als Verbraucher von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, jeweils ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Internet-Seite unter "Kontakt" ihre Telefonnummer und im Impressum erneut ihre Telefonnummer und dort zusätzlich auch ihre Telefaxnummer angegeben hat, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Widerrufsbelehrung. Dort werden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt, nicht aber ihre Telefon- und ihre Telefaxnummer. Dazu heißt es, dass der Widerruf "mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail)" erklärt werden könne.
Am 17.9.2022 wurde dem Kläger das zuerst erworbene Fahrzeug übergeben, am 28.12.2022 das zweite Fahrzeug. Am 24.8.2023 erklärte er per E-Mail den Widerruf seiner auf den Abschluss der beiden Kaufverträge gerichteten Erklärungen.
Die im Wesentlichen auf Rückzahlung des jeweiligen Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Fahrzeuge, gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt, möchte er sein Klagebegehren weiterverfolgen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht gerichtete Beschwerde zurückgewiesen.
Die Gründe:
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor. Insbesondere soweit die Beschwerde im Hinblick auf unionsrechtliche Fragestellungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) geltend macht, ist für eine hierauf gestützte Zulassung der Revision kein Raum.
Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 25.2.2025, der einen im Wesentlichen gleichgelagerten Parallelfall betraf, bereits entschieden, dass die fehlende Angabe der Telefonnummer in der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung dem Anlaufen der Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BGB) nicht entgegensteht (so bereits im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25.2.2025 - VIII ZR 143/24, aaO Rn. 8).
Wie der Senat nunmehr entschieden hat, bleibt die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg, dem Anlaufen der Widerrufsfrist habe entgegengestanden, dass die Beklagte in der Widerrufsbelehrung nicht auch ihre Telefaxnummer angegeben habe bzw. die auf ihrer Internetseite angegebene Telefaxnummer nach dem Vortrag des Klägers nicht erreichbar gewesen sei, obwohl in der Widerrufsbelehrung die Möglichkeit eines Widerrufs per Telefax mitgeteilt worden sei.
Es ist offenkundig, dass weder dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Verbraucherrechterichtlinie, dem Kontext der Bestimmung noch den vom Unionsgesetzgeber verfolgten Regelungszielen zu entnehmen ist, dass der Unternehmer in einer Widerrufsbelehrung seine Telefaxnummer anzugeben hat, wenn er in der Widerrufsbelehrung - wie im gegebenen Fall - seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mitteilt. Insoweit gelten die Ausführungen des Senatsbeschlusses vom 25.2.2025 (VIII ZR 143/24, aaO Rn. 6 ff., 16 ff.) zu einer unter diesen Umständen entbehrlichen Mitteilung der Telefonnummer des Unternehmers entsprechend.
Dem Anlaufen der Widerrufsfrist stünde es - woran ebenfalls keine vernünftigen Zweifel bestehen ("acte clair") - bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschriften der § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 BGB auch nicht entgegen, wenn im Impressum der Internetseite der Beklagten eine unrichtige oder nicht erreichbare Telefaxnummer angegeben worden sein sollte, obwohl in der Widerrufsbelehrung die Möglichkeit eines Widerrufs per Telefax erwähnt ist. Denn eine - unterstellt - insoweit unrichtige Widerrufsbelehrung ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Fernabsatzvertrag herrührenden Rechte und Pflichten - konkret: seines Widerrufsrechts - einzuschätzen, bzw. sich auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken. Der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher würde selbst bei einer fehlerhaften Angabe der Telefaxnummer nicht irregeführt und von einer rechtzeitigen Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten, wenn der Unternehmer - wie hier - sowohl seine Postanschrift als auch seine E-Mail-Adresse mitteilt, über die der Verbraucher schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient kommunizieren kann. Ein solcher Verbraucher, der einen vergeblichen Übermittlungsversuch mittels eines - im Übrigen ohnehin weitgehend überholten - Kommunikationsmittels, hier in Form eines Telefaxschreibens, vergeblich versucht hätte, würde sodann ein effizientes Kommunikationsmittel wählen, welches der Kläger in Gestalt einer E-Mail auch von vornherein tatsächlich gewählt hat.
Dem Anlaufen der Widerrufsfrist steht hier auch der Umstand nicht entgegen, dass die Widerrufsbelehrung einleitend das Bestehen eines Widerrufsrechts (abstrakt) an die Verbrauchereigenschaft des Käufers ("Wenn Sie ein Verbraucher sind...") und an die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln knüpft. Der Sinn und Zweck der Widerrufsbelehrung ist vielmehr in Fällen wie dem vorliegenden - im Anwendungsbereich der Verbraucherrechterichtlinie - auch erfüllt, wenn der Verbraucher (abstrakt) darüber informiert wird, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ihm ein Widerrufsrecht zusteht. Eine Rechtsbelehrung im Einzelnen dahingehend, ob diese - häufig in der Sphäre des Verbrauchers liegenden - Umstände im konkreten Einzelfall gegeben sind, obliegt dem Unternehmer hingegen nicht. Vielmehr obliegt es dem Verbraucher, anhand der Umstände des Einzelfalls selbst zu beurteilen, ob die genannten Voraussetzungen des Widerrufsrechts in seinem Fall gegeben sind.
Das Berufungsgericht hat schließlich ebenfalls rechtsfehlerfrei entschieden, dass dem Anlaufen der Widerrufsfrist auch nicht entgegensteht, dass die Beklagte in ihrer Widerrufsbelehrung dem Käufer zwar mitgeteilt hat, er habe die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware zu tragen, entgegen Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB jedoch keine - zumindest schätzungsweise - Angaben zur Höhe der Kosten der Rücksendung gemacht hat. Dies hindert jedoch das Anlaufen der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht. Denn die Folgen einer fehlerhaften Belehrung über die Kosten sind in der Vorschrift des § 357 Abs. 5 BGB (§ 357 Abs. 6 BGB aF) abschließend und vorrangig geregelt.
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