Anrechnung fiktiven Einkommens bei Verletzung der allgemeinen Erwerbsobliegenheit trotz fehlender verschärfter Haftung
OLG Hamm v. 23.6.2025 - 4 UF 125/24
Der Sachverhalt:
Die Kinder R (geb. 2019) und C (geb. 2022) machen ab Januar 2024 Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner geltend. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt befindet sich bei der Kindesmutter.
Im Jahr 2023 erzielte der Antragsgegner ein monatliches Nettoeinkommen von 2.425 €. Nach einer betriebsbedingten Kündigung war er im Januar und Februar 2024 arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld i.H.v. 1.647 € monatlich. Von März 2024 bis Januar 2025 bezog der Antragsgegner ein monatliches Nettoeinkommen von 1.548 €. Am 31.1.2025 erfolgte erneut eine betriebsbedingte Kündigung. Im Februar 2025 erhielt er Arbeitslosengeld i.H.v. 1.070 €. Ab März 2025 war der Antragsgegner wieder beschäftigt und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.797 €. Eine nachvollziehbare Darlegung oder ein Nachweis dafür, dass er das höhere Einkommen aus dem Jahr 2023 dauerhaft nicht mehr hätte erzielen können, ist seitens des Antragsgegners nicht erfolgt. Die gesetzliche Vertreterin der Kinder, die Kindesmutter, verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.952 €.
Das FamG hat den Antragsgegner ab Januar 2024 zur Zahlung von 100% des Mindestunterhalts für jedes Kind und ihn zugleich für Februar 2024 zu einem Gesamtunterhalt in Höhe von 141,81 € verpflichtet. Für Januar 2024 bestehe keine Unterhaltsverpflichtung, da das Arbeitslosengeld unterhalb des Selbstbehalts liege. Für Februar übersteige das Arbeitslosengeld den Selbstbehalt um den titulierten Betrag.
Das OLG hat entschieden, dass der Antragsgegner sich für die Zeiten, in denen er erwerbstätig war, ein Einkommen in Höhe desjenigen anrechnen lassen muss, welches er im Jahr 2023 erzielt hat.
Die Gründe:
Um einer solchen fiktiven Einkommensanrechnung zu entgehen, hätte der Antragsgegner substantiiert darlegen und - im Falle eines Bestreitens - nachweisen müssen, dass es ihm trotz ausreichender und ernsthafter Bemühungen nicht möglich war, eine Anstellung mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.426 € zu erlangen.
Für die Phasen unverschuldeter Arbeitslosigkeit - konkret in den Monaten Januar und Februar 2024 sowie im Januar 2025 - besteht keine Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber den minderjährigen Kindern. In diesen Zeiträumen lag das jeweils bezogene Arbeitslosengeld unterhalb des angemessenen Selbstbehalts von 1.750 €.
In den Monaten der Erwerbstätigkeit ist dem Antragsgegner jedoch ein fiktives Nettoeinkommen von 2.426 € (abzgl. berufsbedingter Aufwendungen) zuzurechnen. Allerdings ist er hinsichtlich seiner Unterhaltspflicht lediglich mit dem Betrag leistungsfähig, der den angemessenen Selbstbehalt von 1.750 € übersteigt. Es ist insoweit nicht auf den notwendigen Selbstbehalt von 1.450 € abzustellen, da auch die Mutter der Kinder als nicht barunterhaltspflichtiger Elternteil gem. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB grundsätzlich als ein anderer leistungsfähiger Verwandter i.S.v. § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB in Betracht kommt. Die verschärfte Haftung nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB, die den Unterhaltspflichtigen auf den notwendigen Selbstbehalt verweist, greift somit nicht.
Mehr zum Thema:
Besprechung der Entscheidung mit Beraterhinweis
von FAinFamR Bettina Bachinger
in FamRB 2025, 434
Besprechung enthalten im
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Die Kinder R (geb. 2019) und C (geb. 2022) machen ab Januar 2024 Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner geltend. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt befindet sich bei der Kindesmutter.
Im Jahr 2023 erzielte der Antragsgegner ein monatliches Nettoeinkommen von 2.425 €. Nach einer betriebsbedingten Kündigung war er im Januar und Februar 2024 arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld i.H.v. 1.647 € monatlich. Von März 2024 bis Januar 2025 bezog der Antragsgegner ein monatliches Nettoeinkommen von 1.548 €. Am 31.1.2025 erfolgte erneut eine betriebsbedingte Kündigung. Im Februar 2025 erhielt er Arbeitslosengeld i.H.v. 1.070 €. Ab März 2025 war der Antragsgegner wieder beschäftigt und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.797 €. Eine nachvollziehbare Darlegung oder ein Nachweis dafür, dass er das höhere Einkommen aus dem Jahr 2023 dauerhaft nicht mehr hätte erzielen können, ist seitens des Antragsgegners nicht erfolgt. Die gesetzliche Vertreterin der Kinder, die Kindesmutter, verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.952 €.
Das FamG hat den Antragsgegner ab Januar 2024 zur Zahlung von 100% des Mindestunterhalts für jedes Kind und ihn zugleich für Februar 2024 zu einem Gesamtunterhalt in Höhe von 141,81 € verpflichtet. Für Januar 2024 bestehe keine Unterhaltsverpflichtung, da das Arbeitslosengeld unterhalb des Selbstbehalts liege. Für Februar übersteige das Arbeitslosengeld den Selbstbehalt um den titulierten Betrag.
Das OLG hat entschieden, dass der Antragsgegner sich für die Zeiten, in denen er erwerbstätig war, ein Einkommen in Höhe desjenigen anrechnen lassen muss, welches er im Jahr 2023 erzielt hat.
Die Gründe:
Um einer solchen fiktiven Einkommensanrechnung zu entgehen, hätte der Antragsgegner substantiiert darlegen und - im Falle eines Bestreitens - nachweisen müssen, dass es ihm trotz ausreichender und ernsthafter Bemühungen nicht möglich war, eine Anstellung mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.426 € zu erlangen.
Für die Phasen unverschuldeter Arbeitslosigkeit - konkret in den Monaten Januar und Februar 2024 sowie im Januar 2025 - besteht keine Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber den minderjährigen Kindern. In diesen Zeiträumen lag das jeweils bezogene Arbeitslosengeld unterhalb des angemessenen Selbstbehalts von 1.750 €.
In den Monaten der Erwerbstätigkeit ist dem Antragsgegner jedoch ein fiktives Nettoeinkommen von 2.426 € (abzgl. berufsbedingter Aufwendungen) zuzurechnen. Allerdings ist er hinsichtlich seiner Unterhaltspflicht lediglich mit dem Betrag leistungsfähig, der den angemessenen Selbstbehalt von 1.750 € übersteigt. Es ist insoweit nicht auf den notwendigen Selbstbehalt von 1.450 € abzustellen, da auch die Mutter der Kinder als nicht barunterhaltspflichtiger Elternteil gem. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB grundsätzlich als ein anderer leistungsfähiger Verwandter i.S.v. § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB in Betracht kommt. Die verschärfte Haftung nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB, die den Unterhaltspflichtigen auf den notwendigen Selbstbehalt verweist, greift somit nicht.
Besprechung der Entscheidung mit Beraterhinweis
von FAinFamR Bettina Bachinger
in FamRB 2025, 434
Besprechung enthalten im
Aktionsmodul FamRZ Familienrecht
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