Auseinandersetzung des Erlöses bei Teilungsversteigerung unter Beachtung von Gegenrechten und eines überzahlten Betrages durch einen Miteigentümer
OLG Celle v. 19.8.2025 - 17 UF 63/25
Der Sachverhalt:
Der Beschluss befasst sich mit der Freigabeerklärung zu einem hinterlegten Erlös bei zwei verschiedenen Amtsgerichten. Die Eheleute waren ursprünglich Miteigentümer einer Eigentumswohnung in Hamburg (Antragsteller zu 60 %; Antragsgegnerin zu 40 %). Die Wohnung wurde teilungsversteigert.
Der Antragssteller ersteigerte die Wohnung zu Alleineigentum. Er musste einen Barbetrag von 100.000 € zahlen, den er beim AG Hamburg hinterlegte. Mit Schreiben vom 13.7.2024 begehrte er die Freigabe eines Betrages von 60.000 € an sich und erklärte die Freigabe i.H.v. 40.000 € an die Antragsgegnerin. Nur bezüglich eines Betrages von 450 € wandte er ein, dass dieser Betrag strittig sei. Daher solle er bis zu einer Einigung bei der Hinterlegungsstelle verbleiben. Dieser Betrag resultierte aus anteiligen Verfahrenskosten, die der Antragsteller wegen eines Prozesses mit der Wohnungseigentümergemeinschaft ersetzt haben wollte. Vor der Entscheidung des Senats wurde dieser Anspruch aber abgewiesen. Daraufhin zahlte der Antragsteller 450 € an die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin anerkannte den Anspruch auf Auszahlung, allerdings nur Zug um Zug gegen Freigabe des zu ihren Gunsten hinterlegten Betrages. Außerdem wies sie einredeweise auf titulierte familienrechtliche Ausgleichsansprüche hin. Diese hatten allerdings mit dem Wohnungseigentum nichts zu tun. Neben der Barzahlung war nach den Versteigerungsbedingungen eine Grundschuld zugunsten einer Bausparkasse in Ludwigsburg i.H.v. 20.000 € zu übernehmen. Das zugrunde liegende Darlehen valutierte nicht mehr. Die Bausparkasse forderte vom Antragsteller als neuem Eigentümer 20.500 € inklusiv dinglicher Zinsen zur Ablösung der Grundschuld. Diesen Betrag zahlte der Antragsteller. Daraufhin rechnete die Bausparkasse das Darlehen endgültig ab und kam insgesamt zu einer Überzahlung von 20.500 €. Da die Beteiligten sich nicht auf die Auszahlung einigen konnten, wurde die Summe beim AG Ludwigsburg hinterlegt.
Der Antragssteller verlangte Auszahlung des gesamten Betrages an sich. Die Antragsgegnerin stimmte nur einer Auszahlung von 12.300 € (60 % aus 20.500 €) zu. Sie verlangte Auszahlung des Restbetrages an sich. Das AG entschied entsprechend ihrem Antrag. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Antragstellers.
Das OLG hob die Entscheidung teilweise auf. Es verpflichtete die Antragsgegnerin, der Auszahlung des vollen Betrages, der beim AG Ludwigsburg hinterlegt ist, zuzustimmen. Außerdem erlegte es der Antragsgegnerin die gesamten Kosten des Verfahrens auf.
Die Gründe:
Was den beim AG Hamburg hinterlegten Betrag angeht, hat der Antragsteller alle Voraussetzungen für eine Auszahlung an die Antragsgegnerin erfüllt. Die Erklärung vom 13.7.2024 hat er bereits vor Einreichung des vorliegenden Verfahrens abgegeben. Bis auf einen Betrag von 450 € ist damit der Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung erfüllt. Nachdem die Angelegenheit bezüglich der 450 € durch Zahlung erledigt ist, hätte auch der Restbetrag an sie ausgezahlt werden können. Der Antragsgegnerin hat daher wegen der bereits erfolgten Zustimmung kein weiterer Anspruch mehr zugestanden. Selbst wenn andere Forderungen aus dem Familienverhältnis tituliert sind, hat sie keine Einrede erheben können. Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BGH kann nicht mit sog. grundstücksfremden Rechten (z.B. Zugewinn, Unterhalt etc.) eine Einrede erhoben werden.
Der Auszahlung der 60.000 € an den Antragsteller hat sie auch nicht unter Berufung auf ihre Forderung von noch 450 € einredeweise begegnen können. Dient die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zur Durchsetzung einer geringfügigen Forderung nur dazu, einen deutlich höheren Anspruch zu verhindern, verstößt dies gegen Treu und Glauben. Die Forderung macht nicht einmal 1 % des vom Antragsteller begehrten Betrages aus. Neben dem Gesichtspunkt des groben Missverhältnisses ist der Betrag von 450 € ohnehin hinterlegt gewesen; ein Sicherungsinteresse der Antragsgegnerin hat daher nie bestanden.
Was den beim AG Ludwigsburg hinterlegten Betrag angeht, kommt es nicht auf die übernommene Grundschuld an. Die Zahlung an die Bausparkasse ist eine "Überzahlung" eines nur grundschuldgesicherten Darlehens gewesen. Dies ist kein Übererlös des Grundstücks oder eine Frucht aus der Sache. Der Antragsteller hat aufgrund der entsprechenden Mitteilung der Bausparkasse auf eine vermeintliche Schuld gezahlt, um die - auch ohne die Zahlung an sich geschuldete - Löschung der Sicherungsgrundschuld zu bewirken. Nach der Trennung der Eheleute hat kein Grund bestanden, durch eine Zahlung das gemeinschaftliche Vermögen der Beteiligten noch zu mehren. Die Bausparkasse ist aufgrund des abgeschlossenen Darlehensvertrages verpflichtet gewesen, die Überzahlung den Darlehensnehmern wieder zukommen zu lassen. Der Antragsteller hat einen entsprechenden Ausgleichsanspruch gegen die Antragsgegnerin, die zurzeit noch gemeinschaftlich mit ihm am hinterlegten Betrag berechtigt ist. Der alleine aus seinem Vermögen stammende Betrag gebührt daher (nur) ihm. Ein entsprechendes Ergebnis ergibt sich auch bei Annahme eines aus § 812 Abs. 1 BGB folgenden Anspruchs.
Mehr zum Thema:
Link zum Volltext der Entscheidung
Besprechung der Entscheidung von RA/FAFamR Dr. Walter Kogel
in FamRB 2025, 471
Handbuch
Strategien bei der Teilungsversteigerung des Familienheims, 7. Aufl. 2025
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Der Beschluss befasst sich mit der Freigabeerklärung zu einem hinterlegten Erlös bei zwei verschiedenen Amtsgerichten. Die Eheleute waren ursprünglich Miteigentümer einer Eigentumswohnung in Hamburg (Antragsteller zu 60 %; Antragsgegnerin zu 40 %). Die Wohnung wurde teilungsversteigert.
Der Antragssteller ersteigerte die Wohnung zu Alleineigentum. Er musste einen Barbetrag von 100.000 € zahlen, den er beim AG Hamburg hinterlegte. Mit Schreiben vom 13.7.2024 begehrte er die Freigabe eines Betrages von 60.000 € an sich und erklärte die Freigabe i.H.v. 40.000 € an die Antragsgegnerin. Nur bezüglich eines Betrages von 450 € wandte er ein, dass dieser Betrag strittig sei. Daher solle er bis zu einer Einigung bei der Hinterlegungsstelle verbleiben. Dieser Betrag resultierte aus anteiligen Verfahrenskosten, die der Antragsteller wegen eines Prozesses mit der Wohnungseigentümergemeinschaft ersetzt haben wollte. Vor der Entscheidung des Senats wurde dieser Anspruch aber abgewiesen. Daraufhin zahlte der Antragsteller 450 € an die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin anerkannte den Anspruch auf Auszahlung, allerdings nur Zug um Zug gegen Freigabe des zu ihren Gunsten hinterlegten Betrages. Außerdem wies sie einredeweise auf titulierte familienrechtliche Ausgleichsansprüche hin. Diese hatten allerdings mit dem Wohnungseigentum nichts zu tun. Neben der Barzahlung war nach den Versteigerungsbedingungen eine Grundschuld zugunsten einer Bausparkasse in Ludwigsburg i.H.v. 20.000 € zu übernehmen. Das zugrunde liegende Darlehen valutierte nicht mehr. Die Bausparkasse forderte vom Antragsteller als neuem Eigentümer 20.500 € inklusiv dinglicher Zinsen zur Ablösung der Grundschuld. Diesen Betrag zahlte der Antragsteller. Daraufhin rechnete die Bausparkasse das Darlehen endgültig ab und kam insgesamt zu einer Überzahlung von 20.500 €. Da die Beteiligten sich nicht auf die Auszahlung einigen konnten, wurde die Summe beim AG Ludwigsburg hinterlegt.
Der Antragssteller verlangte Auszahlung des gesamten Betrages an sich. Die Antragsgegnerin stimmte nur einer Auszahlung von 12.300 € (60 % aus 20.500 €) zu. Sie verlangte Auszahlung des Restbetrages an sich. Das AG entschied entsprechend ihrem Antrag. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Antragstellers.
Das OLG hob die Entscheidung teilweise auf. Es verpflichtete die Antragsgegnerin, der Auszahlung des vollen Betrages, der beim AG Ludwigsburg hinterlegt ist, zuzustimmen. Außerdem erlegte es der Antragsgegnerin die gesamten Kosten des Verfahrens auf.
Die Gründe:
Was den beim AG Hamburg hinterlegten Betrag angeht, hat der Antragsteller alle Voraussetzungen für eine Auszahlung an die Antragsgegnerin erfüllt. Die Erklärung vom 13.7.2024 hat er bereits vor Einreichung des vorliegenden Verfahrens abgegeben. Bis auf einen Betrag von 450 € ist damit der Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung erfüllt. Nachdem die Angelegenheit bezüglich der 450 € durch Zahlung erledigt ist, hätte auch der Restbetrag an sie ausgezahlt werden können. Der Antragsgegnerin hat daher wegen der bereits erfolgten Zustimmung kein weiterer Anspruch mehr zugestanden. Selbst wenn andere Forderungen aus dem Familienverhältnis tituliert sind, hat sie keine Einrede erheben können. Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BGH kann nicht mit sog. grundstücksfremden Rechten (z.B. Zugewinn, Unterhalt etc.) eine Einrede erhoben werden.
Der Auszahlung der 60.000 € an den Antragsteller hat sie auch nicht unter Berufung auf ihre Forderung von noch 450 € einredeweise begegnen können. Dient die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zur Durchsetzung einer geringfügigen Forderung nur dazu, einen deutlich höheren Anspruch zu verhindern, verstößt dies gegen Treu und Glauben. Die Forderung macht nicht einmal 1 % des vom Antragsteller begehrten Betrages aus. Neben dem Gesichtspunkt des groben Missverhältnisses ist der Betrag von 450 € ohnehin hinterlegt gewesen; ein Sicherungsinteresse der Antragsgegnerin hat daher nie bestanden.
Was den beim AG Ludwigsburg hinterlegten Betrag angeht, kommt es nicht auf die übernommene Grundschuld an. Die Zahlung an die Bausparkasse ist eine "Überzahlung" eines nur grundschuldgesicherten Darlehens gewesen. Dies ist kein Übererlös des Grundstücks oder eine Frucht aus der Sache. Der Antragsteller hat aufgrund der entsprechenden Mitteilung der Bausparkasse auf eine vermeintliche Schuld gezahlt, um die - auch ohne die Zahlung an sich geschuldete - Löschung der Sicherungsgrundschuld zu bewirken. Nach der Trennung der Eheleute hat kein Grund bestanden, durch eine Zahlung das gemeinschaftliche Vermögen der Beteiligten noch zu mehren. Die Bausparkasse ist aufgrund des abgeschlossenen Darlehensvertrages verpflichtet gewesen, die Überzahlung den Darlehensnehmern wieder zukommen zu lassen. Der Antragsteller hat einen entsprechenden Ausgleichsanspruch gegen die Antragsgegnerin, die zurzeit noch gemeinschaftlich mit ihm am hinterlegten Betrag berechtigt ist. Der alleine aus seinem Vermögen stammende Betrag gebührt daher (nur) ihm. Ein entsprechendes Ergebnis ergibt sich auch bei Annahme eines aus § 812 Abs. 1 BGB folgenden Anspruchs.
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Besprechung der Entscheidung von RA/FAFamR Dr. Walter Kogel
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