03.01.2023

Auskunftsanspruch eines Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils?

Einem Pflichtteilsberechtigten steht auch nach Ausschlagung seines Erbteils gem. § 2306 Abs. 1 BGB ein Auskunftsanspruch gem. § 2314 Abs. 1 BGB zu. Dafür sprechen schon der Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB sowie die Gesetzessystematik.

BGH v. 30.11.2022 - IV ZR 60/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Kinder des 2015 verstorbenen Erblassers. Dieser hatte zusammen mit seiner bereits vorverstorbenen Ehefrau seine fünf Kinder als Erben eingesetzt. Für den Beklagten und einen weiteren Bruder des Klägers hatte er Grundstücksvermächtnisse angeordnet und den Beklagten zum Testamentsvollstrecker bestellt. Der Kläger und seine beiden Schwestern schlugen die Erbschaft jeweils nach § 2306 Abs. 1 BGB - auch für ihre minderjährigen Kinder - aus.

Nach dem Tod des Erblassers trat der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch i.H. einer Schmerzensgeldforderung seiner Stieftochter gegen ihn von 12.000 € an diese ab. Der Kläger forderte den Beklagten erfolglos zur Auskunftserteilung auf. Er hat beantragt, ihn zu verurteilen, auf der ersten Stufe Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses, über alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen (§ 2325 BGB) und alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen (§§ 2050 ff. BGB), die der Erblasser jeweils zu Lebzeiten getätigt hatte.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Sowohl die hiergegen gerichtete Berufung als auch die Revision des Beklagten blieben erfolglos.

Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB b.

Ob ein Pflichtteilsberechtigter nach Ausschlagung seines Erbteils gem. § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB nicht Erbe i.S.v. § 2314 Abs. 1 BGB ist, ist umstritten. Nach der überwiegenden Auffassung steht einem Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils gem. § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB ein Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB zu. Werde eine Erbschaft ausgeschlagen, gelte der Anfall an den Ausschlagenden gem. § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt. Es sei nicht einzusehen, warum der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte, der die Erbschaft ausschlage, zwar nach § 2306 Abs. 1 BGB den Pflichtteil verlangen könne, ihm aber - anders als dem enterbten Pflichtteilsberechtigten - der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB nicht zustehe.

Dieser Auffassung schließt sich auch der Senat an. Ein Pflichtteilsberechtigter ist nach Ausschlagung seines Erbteils gem. § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB nicht Erbe i.S.v. § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB und der Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB steht ihm zu. Dafür sprechen schon der Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB sowie die Gesetzessystematik. Ohne Erfolg wandte die Revision ein, bei einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB sei der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt des Erbfalls noch Erbe gewesen. Zum einen verlangt § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB nur, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe "ist", nicht aber, dass er dieses zu keiner Zeit war. Zum anderen ist der "vorläufige Erbe", der seinen Erbteil wirksam ausgeschlagen hat, nach § 1953 Abs. 1 BGB materiell-rechtlich von Anfang an als Nichterbe anzusehen, worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat. Die Erbschaft fällt gem. § 1953 Abs. 2 BGB dem Nächstberufenen an, der vom Erbfall an (rückwirkend) als Erbe gilt und unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers ist.

Zu Recht hat das Berufungsgericht den Kläger trotz der Abtretung seines Pflichtteilsanspruchs an seine Stieftochter in Höhe deren Schmerzensgeldforderung als aktivlegitimiert angesehen. Ein Kläger ist aktivlegitimiert, wenn er befugt ist, den Klageanspruch nach materiellem Recht in eigener Person - wenn auch unter Umständen mit dem Ziel der Leistung an einen Dritten - geltend zu machen (Greger in Zöller, ZPO 34. Aufl. Vor § 253 Rn. 25). Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Schuldner - im Streitfall der Beklagte - die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger als ursprünglicher Gläubiger des Aus-kunftsanspruchs nicht mehr aktivlegitimiert ist. Da dem Zedenten und dem Zessionar bei einer Teilabtretung jeweils eigenständige Auskunftsrechte zustehen, wäre es entgegen der Ansicht der Revision zunächst Sache des Beklagten gewesen, darzulegen, dass der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch durch dessen dem Wortlaut des Vergleichs nach nur beschränkte Abtretung voll-ständig verloren hat. Dies hat er aber nicht getan.

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Aufsatz

Franz M. Große-Wilde
Die Rechtsprechung zum Erbrecht
MDR 2022, 1446

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