18.02.2021

Auto-Diebstahl: Einwerfen eines Autoschlüssels in den Briefkasten eines Autohauses muss nicht grob fahrlässig sein

Eine Kaskoversicherung kann verpflichtet sein, dem Versicherungsnehmer einen Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund des Diebstahls seines Fahrzeuges nach Einwerfen des Fahrzeugschlüssels am Sonntag in den Briefkasten einer Werkstatt entstanden ist. Das Einwerfen des Schlüssels in den Briefkasten ist nur dann als grob fahrlässig anzusehen, wenn es für jeden einleuchtend und ersichtlich ist, dass ein in den Briefkasten eingeworfener Schlüssel im konkreten Einzelfall leicht wieder herausgezogen werden kann, und wenn sonstige äußere Umstände den Verdacht aufkommen lassen müssen, der Schlüssel sei dort nicht sicher und dem Zugriff Dritter leicht ausgesetzt.

LG Oldenburg v. 14.10.2020 - 13 O 688/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei einem Autohaus einen Werkstatttermin für sein Fahrzeug abgemacht. An einem Sonntag stellte er den Wagen auf dem Gelände des Autohauses ab und warf den Schlüssel in den Briefkasten der Werkstatt ein. Dieser befand sich im Eingangsbereich des Autohauses, zurückgesetzt hinter den Schaufenstern der Ausstellung. Der Schlüssel wurde im Anschluss aus dem Briefkasten entwendet und das Fahrzeug gestohlen. Der Kläger begehrt von seiner beklagten Kaskoversicherung, ihm seinen Schaden zu ersetzen.

Das LG gab der Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Nach § 28 Abs. 2 VVG ist der Versicherer zwar auch bei einem Diebstahl im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers war vorliegend jedoch nicht festzustellen.

Das Einwerfen eines Schlüssels in den Briefkasten eines Autohauses kann zwar im Grunde den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllen. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ohne Weiteres. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, so dass es darauf ankommt, ob es für jeden einleuchtend und ersichtlich ist, dass ein in den Briefkasten eingeworfener Schlüssel im konkreten Einzelfall leicht wieder herausgezogen werden kann, und ob sonstige äußere Umstände den Verdacht aufkommen lassen müssen, der Schlüssel sei dort nicht sicher und dem Zugriff Dritter leicht ausgesetzt.

Solche Umstände lagen hier aber nicht vor. Der Briefkasten befand sich im direkten Eingangsbereich des Autohauses. Dieser lag zurückgesetzt hinter den Schaufenstern der Ausstellung und war somit in das Gebäude hineingezogen. Die rings um das Haus laufende Überdachung ragte weit nach vorn hinaus und hatte über dem Eingangsbereich etwa die doppelte Tiefe. Seitlich in diesem Eingangsbereich befand sich der Briefkasten. Es erweckte aufgrund dieser beschriebenen Örtlichkeiten den Eindruck, als befinde der Briefkasten sich in einem geschützten Bereich.

Der Briefkasten selbst sah von außen aus, als sei er tief, so dass die oben in den Schlitz eingeworfenen Teile weit nach unten fielen und dass man diese von außen nicht erreichen und herausholen könne. Der Briefkasten sah zudem stabil aus, als sei er nicht leicht aufzubrechen. Bei diesem äußeren Bild mussten dem Kläger keine Bedenken kommen, dass der Schlüssel von Unbefugten aus dem Briefkasten herausgenommen werden würde. Der Kläger hat zudem angegeben, dass er darauf geachtet habe, dass der Schlüssel nach unten fällt.
LG Oldenburg PM vom 16.2.2021
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