Bahnbögen: Wahrung der Schriftform ist ein zwingendes Recht mit hohen Anforderungen
LG Köln v. 23.12.2021 - 27 O 189/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin der sog. "Bahnbögen" an/unter einer aus dem Kölner Zentrum nach Westen verlaufenden Bahntrasse. Die Beklagte nutzt diese Flächen teilweise selbst, teilweise überlässt sie Flächen Dritten zur eigenen Nutzung. Die Parteien hatten ursprünglich im Jahr 2008 über ein Gebäude einen Mietvertrag abgeschlossen, der zunächst bis 31.12.2009 befristet war, aber mangels Kündigung nach Ablauf dieser Zeit als auf unbefristete Zeit geschlossen verlängert sein sollte.
Im Juni/Juli 2009 Parteien schlossen die Parteien ferner einen Vertrag über die oben genannten Bahnbögen und Freiflächen. Dieser ist als "Pachtvertrag" bezeichnet. Betreffend die streitgegenständlichen Flächen und Räumlichkeiten existieren Lagepläne. Zwischen den Parteien blieb streitig, ob diese mit dem vorbezeichneten Vertrag fest verbunden waren. Die Parteien schlossen sodann zunächst unter dem 21.1.2011 eine erste Nachtragsvereinbarung zu dem vorgenannten Vertrag. Unter dem 22.11./25.11.2011 schlossen die Parteien schließlich einen weiteren Vertrag, der als "Nachtrag Nr. 2 zum PACHTVERTRAG aus Juni/Juli 2009" bezeichnet wurde.
Im Januar 2020 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis jeweils 31.1.2020 insbesondere auf, in Bezug auf Müllablagerungen verschiedener Bahnbögen diese in einen ordnungsgemäßen, sauberen und verkehrssicheren Zustand zu versetzen sowie Auskünfte zur Untervermietung zu erteilen. Mit Schreiben vom 19.2.2020 erklärte sie die Kündigung sämtlicher Miet-/Pachtverträge außerordentlich und fristlos, setzte zur Rückgabe der Flächen eine Räumungsfrist bis 29.2.2020 und widersprach einer Fortsetzung des Mietverhältnisses. Hilfsweise erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung der Verträge zum 30.9.2020. Sie war der Ansicht, die Verträge seien ordentlich kündbar, da es für eine die ordentliche Kündigung ausschließende Befristung an der Einhaltung der erforderlichen Schriftform nach § 550 BGB fehle.
Das LG gab der Klage weitestgehend statt.
Die Gründe:
Die Beklagte ist der Klägerin zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Flächen aus § 546 BGB verpflichtet. Die Klägerin hat das zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis durch Schreiben vom 19.2.2020 jedenfalls zum 30.9.2020 wirksam ordentlich gekündigt.
Das vorliegende Mietverhältnis gilt gem. § 550 S. 1 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen, denn das Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB ist nicht gewahrt. Danach gilt ein Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen, wenn er für längere Zeit als ein Jahr in nicht schriftlicher Form geschlossen wurde. Bei der Vorschrift des § 550 BGB handelt es sich um zwingendes Recht. Die Vorschrift will nicht nur sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes aufseiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Vielmehr dient sie ebenfalls dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.
Zur Erfüllung der Anforderungen des § 550 S. 1 BGB bedarf es zunächst der hinreichend bestimmbaren Aufnahme aller wesentlichen Vereinbarungen der Parteien in eine Urkunde, wobei zu diesen wesentlichen Vereinbarungen auch der Mietgegenstand gehört. Dabei ist bei mehreren erstellten Exemplaren des Mietvertrages ausreichend, wenn nur eines von ihnen im Zeitpunkt der Unterzeichnung den an die Einhaltung der Schriftform zu stellenden Voraussetzungen genügt.
Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss.
Während grundsätzlich die Mietsache als solche jedenfalls konkret bestimmbar sein muss, bedürfen Lagepläne lediglich dann nicht der Schriftform, wenn die Mietsache bereits durch den Vertrag selbst derart hinlänglich beschrieben ist, dass sich der Lageplan lediglich als Anschauungsobjekt oder Orientierungsbehelf darstellt. Eine Wahrung der Schriftform nach den dargelegten Maßstäben ist vorliegend in Bezug auf die einzelnen, die Mietflächen beschreibenden Lagepläne nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedurfte es hinsichtlich der Lagepläne der Einhaltung der Schriftform, weil sie nicht lediglich ein bloßes Anschauungsobjekt ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalt bilden. Die vermieteten Flächen und Räumlichkeiten wurden durch den Vertragstext selbst nur unzureichend beschrieben.
Der Klägerin steht zudem gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft über bestehende Untermietverhältnisse und sonstige Nutzungsüberlassungen zu. Der Anspruch ergibt sich aus dem 2. Nachtrag i.V.m. § 242 BGB. Dem Vermieter steht gegen den Mieter ein aus dem Mietverhältnis abzuleitender Anspruch aus § 260 Abs. 1 BGB auf Auskunft darüber an wen dieser untervermietet hat bzw. wer aufgrund von Abreden Nutzungsrechte geltend machen kann. Der Anspruch ist gerechtfertigt durch § 546 Abs. 2 BGB und dem Umstand, dass der Vermieter gegen den jeweiligen Besitzer einen gegen diesen gerichteten Räumungstitel benötigt.
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Justiz NRW
Die Klägerin ist Eigentümerin der sog. "Bahnbögen" an/unter einer aus dem Kölner Zentrum nach Westen verlaufenden Bahntrasse. Die Beklagte nutzt diese Flächen teilweise selbst, teilweise überlässt sie Flächen Dritten zur eigenen Nutzung. Die Parteien hatten ursprünglich im Jahr 2008 über ein Gebäude einen Mietvertrag abgeschlossen, der zunächst bis 31.12.2009 befristet war, aber mangels Kündigung nach Ablauf dieser Zeit als auf unbefristete Zeit geschlossen verlängert sein sollte.
Im Juni/Juli 2009 Parteien schlossen die Parteien ferner einen Vertrag über die oben genannten Bahnbögen und Freiflächen. Dieser ist als "Pachtvertrag" bezeichnet. Betreffend die streitgegenständlichen Flächen und Räumlichkeiten existieren Lagepläne. Zwischen den Parteien blieb streitig, ob diese mit dem vorbezeichneten Vertrag fest verbunden waren. Die Parteien schlossen sodann zunächst unter dem 21.1.2011 eine erste Nachtragsvereinbarung zu dem vorgenannten Vertrag. Unter dem 22.11./25.11.2011 schlossen die Parteien schließlich einen weiteren Vertrag, der als "Nachtrag Nr. 2 zum PACHTVERTRAG aus Juni/Juli 2009" bezeichnet wurde.
Im Januar 2020 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis jeweils 31.1.2020 insbesondere auf, in Bezug auf Müllablagerungen verschiedener Bahnbögen diese in einen ordnungsgemäßen, sauberen und verkehrssicheren Zustand zu versetzen sowie Auskünfte zur Untervermietung zu erteilen. Mit Schreiben vom 19.2.2020 erklärte sie die Kündigung sämtlicher Miet-/Pachtverträge außerordentlich und fristlos, setzte zur Rückgabe der Flächen eine Räumungsfrist bis 29.2.2020 und widersprach einer Fortsetzung des Mietverhältnisses. Hilfsweise erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung der Verträge zum 30.9.2020. Sie war der Ansicht, die Verträge seien ordentlich kündbar, da es für eine die ordentliche Kündigung ausschließende Befristung an der Einhaltung der erforderlichen Schriftform nach § 550 BGB fehle.
Das LG gab der Klage weitestgehend statt.
Die Gründe:
Die Beklagte ist der Klägerin zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Flächen aus § 546 BGB verpflichtet. Die Klägerin hat das zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis durch Schreiben vom 19.2.2020 jedenfalls zum 30.9.2020 wirksam ordentlich gekündigt.
Das vorliegende Mietverhältnis gilt gem. § 550 S. 1 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen, denn das Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB ist nicht gewahrt. Danach gilt ein Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen, wenn er für längere Zeit als ein Jahr in nicht schriftlicher Form geschlossen wurde. Bei der Vorschrift des § 550 BGB handelt es sich um zwingendes Recht. Die Vorschrift will nicht nur sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes aufseiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Vielmehr dient sie ebenfalls dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.
Zur Erfüllung der Anforderungen des § 550 S. 1 BGB bedarf es zunächst der hinreichend bestimmbaren Aufnahme aller wesentlichen Vereinbarungen der Parteien in eine Urkunde, wobei zu diesen wesentlichen Vereinbarungen auch der Mietgegenstand gehört. Dabei ist bei mehreren erstellten Exemplaren des Mietvertrages ausreichend, wenn nur eines von ihnen im Zeitpunkt der Unterzeichnung den an die Einhaltung der Schriftform zu stellenden Voraussetzungen genügt.
Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss.
Während grundsätzlich die Mietsache als solche jedenfalls konkret bestimmbar sein muss, bedürfen Lagepläne lediglich dann nicht der Schriftform, wenn die Mietsache bereits durch den Vertrag selbst derart hinlänglich beschrieben ist, dass sich der Lageplan lediglich als Anschauungsobjekt oder Orientierungsbehelf darstellt. Eine Wahrung der Schriftform nach den dargelegten Maßstäben ist vorliegend in Bezug auf die einzelnen, die Mietflächen beschreibenden Lagepläne nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedurfte es hinsichtlich der Lagepläne der Einhaltung der Schriftform, weil sie nicht lediglich ein bloßes Anschauungsobjekt ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalt bilden. Die vermieteten Flächen und Räumlichkeiten wurden durch den Vertragstext selbst nur unzureichend beschrieben.
Der Klägerin steht zudem gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft über bestehende Untermietverhältnisse und sonstige Nutzungsüberlassungen zu. Der Anspruch ergibt sich aus dem 2. Nachtrag i.V.m. § 242 BGB. Dem Vermieter steht gegen den Mieter ein aus dem Mietverhältnis abzuleitender Anspruch aus § 260 Abs. 1 BGB auf Auskunft darüber an wen dieser untervermietet hat bzw. wer aufgrund von Abreden Nutzungsrechte geltend machen kann. Der Anspruch ist gerechtfertigt durch § 546 Abs. 2 BGB und dem Umstand, dass der Vermieter gegen den jeweiligen Besitzer einen gegen diesen gerichteten Räumungstitel benötigt.
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