Bauliche Veränderung von Kellerräumen entgegen der durch die GdWE vereinbarten Zweckbestimmung
BGH v. 10.10.2025 - V ZR 192/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger und die Streithelfer sind die Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Anlage besteht aus drei Einheiten. Der Kläger ist Eigentümer der Wohnung Nr. 1, die Wohnung Nr. 2 gehört den beiden Streithelfern zu Miteigentum, und die Wohnung Nr. 3 steht im Eigentum des Streithelfers zu 1). Nach der im Jahr 1980 geänderten Teilungserklärung sind u.a. den Wohnungen Nr. 2 und 3 Sondernutzungsrechte an mehreren jeweils als "Kellerraum" bezeichneten Räumen zugewiesen.
Nachdem die Streithelfer im Bereich dieser Räume bauliche Veränderungen vorgenommen hatten, wurden in der Eigentümerversammlung vom 9.12.2022 u.a. der Einbau einer Toilette mit Tür mit Anschluss an die Frischwasser- und Abwasserleitung durch den Streithelfer zu 1) in dem seiner Einheit Nr. 3 zugewiesenen Kellerraum (TOP 5.2), die Anbringung eines Leerrohres für ein TV-Kabel an der Ostfassade des Hauses durch beide Streithelfer (TOP 5.3) sowie der Einbau einer gefliesten Nasszelle mit Tür, Dusche, WC, Waschbecken und eines Spülbeckens jeweils mit Anschluss an die Kalt- und Warmwasser- und Abwasserleitung, einer Gartenwasserhahn-Zuleitung, eines TV-Kabelanschlusses sowie von drei selbstversorgten Heizkörpern durch beide Streithelfer in dem der Einheit Nr. 2 zugewiesenen Kellerraum (TOP 5.6) nachträglich gestattet.
Das AG wies die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage ab. Das LG gab der Klage statt und erklärte die Beschlüsse für ungültig. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG insgesamt zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des LG, die Beschlüsse stünden im Widerspruch zu der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Zweckbestimmung der Räumlichkeiten als Keller und seien deshalb zumindest anfechtbar, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
In welchem Verhältnis die in § 20 Abs. 1 WEG vorgesehene Gestattung einer baulichen Veränderung zu einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Nutzungsvereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2, § 19 Abs. 1 WEG steht, ist nicht abschließend geklärt. Wird einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gestattet, die die Möglichkeit eröffnet, Räumlichkeiten entgegen einer vereinbarten Zweckbestimmung zu nutzen, führt dies jedenfalls dann nicht zur Anfechtbarkeit des Gestattungsbeschlusses, wenn auch eine nach der Vereinbarung zulässige Nutzung weiterhin möglich ist. So verhält es sich hier. Werden die einem Wohnungseigentümer als Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht zugewiesenen Räume in der Gemeinschaftsordnung als Keller oder Kellerräume bezeichnet, stellt dies eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter dar. Derartige Wohnnebenräume dienen nur untergeordneten Zwecken, etwa als Lager- oder Abstellraum. Die Nutzung eines Kellerraums als Hobbyraum ist jedoch zulässig, soweit sie nicht mehr stört als eine Nutzung als Lager- oder Abstellraum. Demgegenüber ist eine Nutzung von Kellerräumen zu Wohnzwecken ausgeschlossen.
Entgegen der Ansicht des LG sind die Beschlüsse aber nicht schon deshalb zu beanstanden, weil die gestatteten Maßnahmen (auch) eine Wohnnutzung der Kellerräume ermöglichen könnten. Die baulichen Veränderungen widersprechen als solche nicht der vereinbarten Zweckbestimmung, weil die Nutzung der veränderten Räume bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht zwangsläufig zu einer größeren Störung als eine Nutzung als Lager- oder Abstellraum führt. Der Einbau einer Toilette oder einer Dusche und die Anbringung eines Leerrohrs für ein TV-Kabel bzw. der Einbau weiterer Heizkörper sind für sich genommen mit einer Nutzung der Räumlichkeiten als Hobbyraum nicht unvereinbar. Befindet sich etwa in einem Hobbyraum ein Fitnessgerät, wird der Raum nicht deshalb zu einer Wohnung, weil sich in oder neben dem Raum eine Dusche befindet. Entsprechendes gilt, wenn der Raum zum Fernsehen genutzt und beheizt werden kann. Die Nutzung der solchermaßen ausgestatteten Räume in einem zulässigen untergeordneten Rahmen bleibt ohne weiteres möglich.
Dass die Maßnahmen (auch) eine zweckbestimmungswidrige Wohnnutzung ermöglichen und deren Vorbereitung dienen könnten, veranlasst keine abweichende Beurteilung. Gegen eine Wohnnutzung, die bei typisierender Betrachtungsweise generell mehr stört als die Nutzung als Lager- oder Abstellraum, steht der GdWE ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bzw. § 1004 Abs. 1 BGB zu. Ebenso wenig schließt die zulässige Nutzung als Hobbyraum Unterlassungsansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB wegen einzelner störender Handlungsweisen des Eigentümers, beispielsweise wegen einer nicht mehr hinnehmbaren Lärmbelästigung, aus.
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Der Kläger und die Streithelfer sind die Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Anlage besteht aus drei Einheiten. Der Kläger ist Eigentümer der Wohnung Nr. 1, die Wohnung Nr. 2 gehört den beiden Streithelfern zu Miteigentum, und die Wohnung Nr. 3 steht im Eigentum des Streithelfers zu 1). Nach der im Jahr 1980 geänderten Teilungserklärung sind u.a. den Wohnungen Nr. 2 und 3 Sondernutzungsrechte an mehreren jeweils als "Kellerraum" bezeichneten Räumen zugewiesen.
Nachdem die Streithelfer im Bereich dieser Räume bauliche Veränderungen vorgenommen hatten, wurden in der Eigentümerversammlung vom 9.12.2022 u.a. der Einbau einer Toilette mit Tür mit Anschluss an die Frischwasser- und Abwasserleitung durch den Streithelfer zu 1) in dem seiner Einheit Nr. 3 zugewiesenen Kellerraum (TOP 5.2), die Anbringung eines Leerrohres für ein TV-Kabel an der Ostfassade des Hauses durch beide Streithelfer (TOP 5.3) sowie der Einbau einer gefliesten Nasszelle mit Tür, Dusche, WC, Waschbecken und eines Spülbeckens jeweils mit Anschluss an die Kalt- und Warmwasser- und Abwasserleitung, einer Gartenwasserhahn-Zuleitung, eines TV-Kabelanschlusses sowie von drei selbstversorgten Heizkörpern durch beide Streithelfer in dem der Einheit Nr. 2 zugewiesenen Kellerraum (TOP 5.6) nachträglich gestattet.
Das AG wies die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage ab. Das LG gab der Klage statt und erklärte die Beschlüsse für ungültig. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG insgesamt zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des LG, die Beschlüsse stünden im Widerspruch zu der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Zweckbestimmung der Räumlichkeiten als Keller und seien deshalb zumindest anfechtbar, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
In welchem Verhältnis die in § 20 Abs. 1 WEG vorgesehene Gestattung einer baulichen Veränderung zu einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Nutzungsvereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2, § 19 Abs. 1 WEG steht, ist nicht abschließend geklärt. Wird einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gestattet, die die Möglichkeit eröffnet, Räumlichkeiten entgegen einer vereinbarten Zweckbestimmung zu nutzen, führt dies jedenfalls dann nicht zur Anfechtbarkeit des Gestattungsbeschlusses, wenn auch eine nach der Vereinbarung zulässige Nutzung weiterhin möglich ist. So verhält es sich hier. Werden die einem Wohnungseigentümer als Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht zugewiesenen Räume in der Gemeinschaftsordnung als Keller oder Kellerräume bezeichnet, stellt dies eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter dar. Derartige Wohnnebenräume dienen nur untergeordneten Zwecken, etwa als Lager- oder Abstellraum. Die Nutzung eines Kellerraums als Hobbyraum ist jedoch zulässig, soweit sie nicht mehr stört als eine Nutzung als Lager- oder Abstellraum. Demgegenüber ist eine Nutzung von Kellerräumen zu Wohnzwecken ausgeschlossen.
Entgegen der Ansicht des LG sind die Beschlüsse aber nicht schon deshalb zu beanstanden, weil die gestatteten Maßnahmen (auch) eine Wohnnutzung der Kellerräume ermöglichen könnten. Die baulichen Veränderungen widersprechen als solche nicht der vereinbarten Zweckbestimmung, weil die Nutzung der veränderten Räume bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht zwangsläufig zu einer größeren Störung als eine Nutzung als Lager- oder Abstellraum führt. Der Einbau einer Toilette oder einer Dusche und die Anbringung eines Leerrohrs für ein TV-Kabel bzw. der Einbau weiterer Heizkörper sind für sich genommen mit einer Nutzung der Räumlichkeiten als Hobbyraum nicht unvereinbar. Befindet sich etwa in einem Hobbyraum ein Fitnessgerät, wird der Raum nicht deshalb zu einer Wohnung, weil sich in oder neben dem Raum eine Dusche befindet. Entsprechendes gilt, wenn der Raum zum Fernsehen genutzt und beheizt werden kann. Die Nutzung der solchermaßen ausgestatteten Räume in einem zulässigen untergeordneten Rahmen bleibt ohne weiteres möglich.
Dass die Maßnahmen (auch) eine zweckbestimmungswidrige Wohnnutzung ermöglichen und deren Vorbereitung dienen könnten, veranlasst keine abweichende Beurteilung. Gegen eine Wohnnutzung, die bei typisierender Betrachtungsweise generell mehr stört als die Nutzung als Lager- oder Abstellraum, steht der GdWE ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bzw. § 1004 Abs. 1 BGB zu. Ebenso wenig schließt die zulässige Nutzung als Hobbyraum Unterlassungsansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB wegen einzelner störender Handlungsweisen des Eigentümers, beispielsweise wegen einer nicht mehr hinnehmbaren Lärmbelästigung, aus.
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