12.10.2023

beA: Anforderungen an die Versendung eines bestimmenden Schriftsatzes

Der BGH hat sich vorliegend mit den Anforderungen an die Versendung eines bestimmenden Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach befasst. Für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO ist auch erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments i.S.v. § 130a Abs. 1 ZPO, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung irgendeiner Nachricht oder irgendeines Schriftsatzes genügt nicht.

BGH v. 31.8.2023 - VIa ZB 24/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung. Er begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs mit Dieselmotor. Das LG wies die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger fristgemäß Berufung ein. Innerhalb der bis zum 8.9.2022 verlängerten Frist zur Begründung der Berufung ist ausweislich des bei der Akte befindlichen Transfervermerks bei dem Berufungsgericht unter dem Dateinamen "Berufungsschriftsatz.pdf" aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) des Prozessbevollmächtigten des Klägers und unter dessen Nutzer-ID ein auf den 17.11.2021 datierter, an ein anderes OLG adressierter und eingangs andere Parteien anführender Schriftsatz eingegangen.

Nach einem Hinweis des Berufungsgericht gingen dort am 12.9.2022 die Berufungsbegründung und ein Wiedereinsetzungsantrag ein. Der Kläger trug vor, die Berufungsbegründungsfrist sei unverschuldet versäumt worden. In der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten werde eine Frist erst nach wirksamer Postausgangskontrolle und erst dann gestrichen, wenn der fristerledigende Schriftsatz vollständig nebst Anlagen geprüft, "signiert" und der Sendebericht kontrolliert worden sei. Ferner sehe die Büroorganisation vor, dass eine Kanzleikraft zum Nachmittag/Abend eines jeden Tages eine abschließende Fristenkontrolle aller zum jeweiligen Tag ablaufenden Fristen unter Nutzung der Übersicht des Anwaltsprogramms durchführe, um die ordnungsgemäße Erstellung und den Versand von fristwahrenden Schriftsätzen zu überprüfen. Im konkreten Fall habe die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte versucht, die Berufungsbegründung über das Anwaltsprogramm zu versenden. Da dies nicht funktioniert habe, habe sie, nachdem sie zuvor nochmals kontrolliert habe, dass es sich um den richtigen Schriftsatz handle, um 16:28 Uhr den Versand per beA vorgenommen. Das Prüfprotokoll habe die Übersendung per beA als "erfolgreich" ausgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte habe die Versendung des Schriftsatzes noch am gleichen Tag überprüft.

Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat dem Kläger zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und seine Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers muss sich so behandeln lassen, als habe er selbst um 16:28 Uhr den nicht zum Verfahren gehörenden Schriftsatz anstelle der Berufungsbegründung an das OLG versandt, dessen Übermittlung die Frist zur Berufungsbegründung nicht wahren konnte. Nach § 26 Abs. 1 RAVPV darf der Inhaber eines beA ein für ihn erzeugtes Zertifikat keiner weiteren Person überlassen und hat die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN geheim zu halten. Möglich ist nach § 23 Abs. 2 und 3 RAVPV zwar, unter den dort genannten Voraussetzungen anderen Personen Zugang zu dem beA zu gewähren und von einem Rechtsanwalt qualifiziert signierte elektronische Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu übersenden. Voraussetzung ist aber, dass für die anderen Personen ein Zugangskonto angelegt ist und der Zugang der anderen Personen über ihr Zugangskonto unter Verwendung eines ihnen zugeordneten Zertifikats und einer zugehörigen Zertifikats-PIN erfolgt. Handelt der Inhaber eines beA dem zuwider und überlässt er das nur für seinen Zugang erzeugte Zertifikat und die zugehörige Zertifikats-PIN einem Dritten, muss er sich so behandeln lassen, als habe er die übermittelte Erklärung selbst abgegeben.

Entsprechend muss sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Prüfung der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen nach § 233 ZPO die Übersendung des verfahrensfremden Schriftsatzes am Spätnachmittag des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist so zurechnen lassen, als habe er den verfahrensfremden Schriftsatz anstelle der Berufungsbegründung selbst auf den Weg gebracht. Zu diesem Zeitpunkt konnte er auch nicht mehr erwarten, dass die Übersendung eines mit dem Berufungsverfahren nicht in Zusammenhang stehenden Schriftsatzes innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs noch so rechtzeitig bei dem OLG bemerkt werden würde, dass die Nachreichung der Berufungsbegründung noch am 8.9.2022 hätte gewährleistet werden können.

Aber auch dann, wenn sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Übersendung des verfahrensfremden Schriftsatzes anstelle der Berufungsgründung nicht als selbst veranlasst zurechnen lassen müsste, wäre die Fristversäumung mit der Folge der Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO durch ihn verschuldet. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs mittels beA entsprechen denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Nutzung des beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Kontrollpflichten umfassen dabei die Überprüfung der nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO übermittelten automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichts. Sie erstrecken sich u.a. darauf, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei ist für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO auch erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments i.S.v. § 130a Abs. 1 ZPO, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung irgendeiner Nachricht oder irgendeines Schriftsatzes genügt nicht.

Diese Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht erfüllt. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten eine ordnungsgemäße Überprüfung der automatisierten Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO dahingehend, ob die richtige Datei übermittelt wurde, sichergestellt war. Das hätte einen in der Kanzlei zuvor vergebenen sinnvollen Dateinamen vorausgesetzt, der in der Eingangsbestätigung erscheint und ohne Weiteres die Prüfung erlaubt, ob der richtige Schriftsatz übersandt wurde. Der hier verwendete Dateiname "Berufungsschriftsatz.pdf" war nicht geeignet, eine Verwechslung auszuschließen, da er weder die Zuordnung zu einem bestimmten Verfahren noch eine hinreichende Unterscheidung von anderen Dokumenten im selben Verfahren ermöglicht.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 85 Wirkung der Prozessvollmacht
Althammer in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Kommentierung | ZPO
§ 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

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