01.08.2025

Bereicherungsrechtlicher Nutzungsersatzanspruch des Vermieters bei ausschließlicher Nutzung der Wohnung zur Belassung einiger Möbelstücke

Die Mietsache wird dem Vermieter dann i.S.d. § 546a Abs. 1 BGB nach Beendigung des Mietverhältnisses vorenthalten, wenn - kumulativ - der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht. An einem Rückerlangungswillen des Vermieters fehlt es etwa, wenn er - trotz Kündigung des Mieters - vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht. Für einen bereicherungsrechtlichen Nutzungsersatzanspruch des Vermieters, der dann gegeben sein kann, wenn der (ehemalige) Mieter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus nutzt, kommt es maßgeblich auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen an; der bloße (unmittelbare oder mittelbare) Besitz an der Wohnung reicht hierfür nicht aus.

BGH v. 18.6.2025 - VIII ZR 291/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit September 2016 Mieter einer Wohnung des Beklagten in Hanau. Die Nettomiete belief sich auf 1.090 € mtl. Das ordentliche Kündigungsrecht schlossen die Parteien im Mietvertrag wechselseitig für die Dauer von 60 Monaten aus. Bei Vertragsbeginn leistete der Kläger eine Barkaution i.H.v. 2.500 € an den Beklagten. Im Mai 2017 sprach der Kläger eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.8.2017 aus. In einem - im Oktober 2019 abgeschlossenen - Vorprozess wurde rechtskräftig entschieden, dass diese Kündigung das Mietverhältnis zum 31.8.2017 beendet hat.

Ab Februar 2018 nutzte der Kläger die Wohnung nicht mehr als solche, beließ dort aber noch eine Einbauküche und einige Möbelstücke. Er leistete für die Monate Februar bis einschließlich Mai 2018 sowie Juli und August 2018 - unter Vorbehalt - Zahlungen an den Beklagten in einer Gesamthöhe von 9.270 € (Nettomiete zzgl. Betriebskostenvorauszahlung und Garagenmiete). Im September 2018 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis außerordentlich wegen Zahlungsverzugs und forderte den Kläger zur Rückgabe der Mietsache zum 30.9.2018 auf. Am 15.10.2018 gab der Kläger die zur Mietsache gehörenden Schlüssel an den Beklagten heraus.

Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger die Rückzahlung der unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen i.H.v. insgesamt 9.270 € sowie der Kaution i.H.v. 2.500 € geltend. Gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch rechnete der Beklagte mit behaupteten Gegenansprüchen wegen einer angeblichen Beschädigung der Mietsache einerseits und wegen der Nutzung der Wohnung durch den Kläger in den Monaten Juni, September und Oktober 2018 andererseits auf. Den insoweit überschießenden Betrag machte der Beklagte nebst einem behaupteten Nachzahlungsanspruch aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2017 und 2018 widerklagend geltend. 

AG und LG gaben der auf Zahlung von insgesamt 11.770 € nebst Zinsen gerichteten Klage überwiegend, nämlich i.H.v. 10.265 € nebst Zinsen statt; die Klage im Übrigen wurde ebenso wie die Widerklage abgewiesen. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei entschieden, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch i.H.v. insgesamt 10.265 € nebst Zinsen zusteht.

Der Kläger hat gegen den Beklagten gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 8.550 €. Unstreitig hat der Kläger an den Beklagten für die Monate Februar 2018 bis einschließlich Mai 2018 sowie Juli und August 2018 unter Vorbehalt Zahlungen i.H.v. insgesamt 9.270 € erbracht. Diese Leistung hat der Beklagte i.H.v. 8.550 € ohne Rechtsgrund erlangt, weshalb er in diesem Umfang zur Herausgabe an den Kläger verpflichtet ist. Ein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen der Leistung besteht nämlich - wie das LG rechtsfehlerfrei angenommen hat - nur i.H.v. 120 € pro Monat. In Bezug auf die vorgenannten sechs Monate ergibt sich daraus ein Betrag i.H.v. insgesamt 720 €. Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Beklagten für die vorbezeichneten Monate ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem. § 546a Abs. 1 BGB nicht zusteht. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter, wenn der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist.

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung besagt der Begriff der Vorenthaltung, der nicht lediglich für die Bemessung der Höhe des Anspruchs des Vermieters, sondern bereits für das Bestehen dieses Anspruchs entscheidend ist, dass - kumulativ - der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht. An dem danach zur Erfüllung des Tatbestands der Vorenthaltung erforderlichen Rückerlangungswillen des Vermieters fehlt es, wenn der Wille des Vermieters nicht auf die Rückgabe der Mietsache gerichtet ist, etwa weil er vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht. Demgemäß hat der BGH bereits mehrfach entschieden, dass ein Anspruch nach § 546a BGB ausscheidet, wenn der Vermieter die Auffassung vertritt, die Kündigung des Mieters sei unwirksam und er die Rückgabe der Wohnung nicht geltend macht. Die gegen diese Rechtsprechung vorgebrachten Einwände der Revision bleiben ohne Erfolg.

Rechtsfehlerfrei hat das LG auch angenommen, dass dem Beklagten wegen ungerechtfertigter Bereicherung für den Zeitraum von Februar 2018 bis einschließlich September 2018 nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 Alt. 1, § 818 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf die Herausgabe gezogener Nutzungen - in Gestalt eines Wertersatzes nach § 818 Abs. 2 BGB - zusteht. Diesen Anspruch hat das LG entgegen der Auffassung der Revision mit 120 € pro Monat auch nicht zu niedrig bemessen. Im Ergebnis handelt es sich bei den vom Kläger für die Monate Februar bis einschließlich Mai 2018 sowie Juli und August 2018 unter Vorbehalt erbrachten Zahlungen daher (nur) i.H.v. insgesamt 720 € nicht um rechtsgrundlose Leistungen. Nutzt ein Mieter oder ein auf Grund eines sonstigen Vertragsverhältnisses Nutzungsberechtigter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus, so ist er ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Vermieters oder sonstigen Rechtsinhabers um den tatsächlich gezogenen Nutzungswert bereichert und nach § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 1 BGB zu dessen Herausgabe verpflichtet. Für einen solchen Bereicherungsanspruch reicht der bloße (unmittelbare oder mittelbare) Besitz an der Wohnung allerdings nicht aus. Vielmehr kommt es für einen bereicherungsrechtlichen Nutzungsersatzanspruch maßgeblich auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen an.

Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Nutzungswert, den der Kläger wegen ungerechtfertigter Bereicherung herauszugeben habe, sei nicht fiktiv nach dem Mietwert entsprechender Lagerräumlichkeiten, sondern nach dem objektiven Mietwert der betroffenen Wohnung zu bestimmen. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig der objektive Mietwert der Sache als Bemessungsgrundlage für die nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugebenden Nutzungen heranzuziehen ist, wenn der (ehemalige) Mieter die Mietsache nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit - ohne sie dem Vermieter i.S.v. § 546a Abs. 1 BGB vorzuenthalten - weiternutzt. Diese Rechtsprechung bezieht sich indes ausschließlich auf Fallkonstellationen, in denen der (ehemalige) Mieter die Mieträume nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit zu dem Zweck weiter genutzt hat, den er bereits mit der ursprünglichen, zwischenzeitlich beendeten Anmietung des Objekts vertragsgemäß verfolgt hat. In einem solchen Fall ist es sach- und interessengerecht, die tatsächlich gezogenen Nutzungen anhand des objektiven Mietwerts der Sache zu bemessen.

Der Streitfall unterscheidet sich hiervon insofern maßgeblich, als der Kläger die Wohnung in dem hier zu beurteilenden Zeitraum nicht mehr als solche - also zum Wohnen -, sondern nur noch in der Form genutzt hat, dass er einige Möbelstücke und seine Einbauküche dort belassen hat, und damit nicht in der dem Zweck des beendeten Wohnraummietvertrags entsprechenden Weise Gebrauch von ihr gemacht hat. Es widerspräche dem bereits aufgezeigten Grundsatz, dass von einer Bereicherung i.S.d. §§ 812 ff. BGB in der Regel nur gesprochen werden kann, wenn und soweit der Bereicherte eine echte Vermögensvermehrung erfahren hat, weshalb die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den wirklichen Betrag der Bereicherung hinaus führen darf, wenn zur Bemessung des Nutzungsersatzanspruchs auch unter diesen Umständen auf den objektiven Mietwert der Wohnung zurückgegriffen würde.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 546a Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Rechtsprechung
Keine Nutzungsentschädigung bei fehlendem Rücknahmewillen des Vermieters
LG Hanau vom 22.11.2023 - 2 S 35/22
Sandra Maas, MietRB 2024, 191
MIETRB0068402

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