18.09.2023

Berliner Mietenbegrenzungsverordnung: Streit um Nettokaltmiete

Mit der Erwägung, ein Verfahrensfehler führe nur im Falle seiner - hier fehlenden - Evidenz zur Nichtigkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung, hat das LG verkannt, dass dem in § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB vorgesehenen Begründungserfordernis nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung, sondern - wie der Senat mehrfach, auch vor dem Erlass des Berufungsurteils, entschieden hat - zudem ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt. Nach der Senatsrechtsprechung spricht bei einem schriftlichen Wohnungsmietvertrag und einem separat abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage oder Stellplatz eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der beiden Vereinbarungen.

BGH v. 5.7.2023 - VIII ZR 94/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien haben im Oktober 2015 einen Mietvertrag über eine 90,94 m² große Wohnung der Beklagten, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt und für die der Vormieter eine Nettokaltmiete von 727,50 € gezahlt hatte, abgeschlossen. Sie haben eine Indexmiete vereinbart, die Ausgangsmiete belief sich auf 850 € netto kalt. Separat haben die Parteien eine "Kellernutzungsvereinbarung" vereinbart, nach der die Kläger mit Mietbeginn ab Dezember 2015 zur Nutzung des "Kellerverschlages Nr. 9" gegen eine "monatliche Nutzungspauschale" von 79 € berechtigt sind. Diese sollte sich jeweils zum Beginn eines neuen Vertragsjahres um 2,5 % bezogen auf den vorangegangenen Betrag erhöhen.

Am 21.4.2016 rügten die Kläger gegenüber der Beklagten gem. § 556g Abs. 2 BGB aF einen Verstoß der i.H.v. insgesamt 929 € für Wohnung und Keller vereinbarten Miete gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB). Die Kläger zahlten zunächst die von der Beklagten unter Berücksichtigung der Indexerhöhungen für die Wohnung und der Staffelerhöhungen für den Keller verlangten Mietbeträge. Am 14.2.2018 verlangten sie indessen unter Fristsetzung bis zum 2.3.2018 die Rückzahlung aus ihrer Sicht für die Monate Mai 2016 bis einschließlich Februar 2018 überzahlter Miete i.H.v. 4.143,70 €.

Das AG hat ihrer nunmehr auf Rückzahlung überzahlter Miete für den Zeitraum von Mai 2016 bis einschließlich Dezember 2019 i.H.v.8.177,69 € gerichteten Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das LG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil  insoweit aufgehoben, als in Höhe von mehr als 5.488,31 € zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war.

Gründe:
Die Kläger können eine Rückzahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 2016 bis Dezember 2019 zu viel gezahlter Miete lediglich i.H.v. 5.488,31 € geltend machen.

Rechtsfehlerfrei sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass als Anspruchsgrundlage für das gegen die Beklagte gerichtete Begehren der Kläger auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe bei Wohnraum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB in der bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung, Art. 229 § 49 Abs. 2 EGBGB) i.V.m. der Mietenbegrenzungsverordnung für das Land Berlin vom 28.4.2015 (Verordnung 17/186, GVBl. 2015, S. 101; Berliner Mietenbegrenzungsverordnung) in Betracht kommen. Allerdings nur im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der von den Klägern auf dieser Grundlage geltend gemachte Anspruch gem. § 556g Abs. 1 Satz 3, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht an einer Unwirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung scheitert, die auf der Grundlage der Ermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB erlassen wurde.

Mit der Erwägung, ein Verfahrensfehler führe nur im Falle seiner - hier fehlenden - Evidenz zur Nichtigkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung, hat das LG verkannt, dass dem in § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB vorgesehenen Begründungserfordernis nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung, sondern - wie der Senat mehrfach, auch vor dem Erlass des Berufungsurteils, entschieden hat - zudem ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt. Bei der Begründung zur Gebietsverordnung und deren bei Inkrafttreten erfolgter öffentlicher Bekanntmachung handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, deren Fehlen zur Nichtigkeit der Verordnung führt. Wie der Senat bereits entschieden hat, wäre zudem im Falle einer unterbliebenen Veröffentlichung der Begründung durch staatliche Stellen die vom Berufungsgericht vermisste Evidenz dieses Fehlers ohne Weiteres zu bejahen. Die rechtsfehlerhafte Begründung des LG hat sich jedoch im Ergebnis nicht ausgewirkt. Die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015 begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Rechtsfehlerhaft hat das LG den sich aus der Summe der Mietentgelte für die Wohnung und für den Keller ergebenden Gesamtbetrag von 929 € einer Überprüfung anhand der Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) unterzogen und dieser Summe den allein die Nettokaltmiete für die Wohnung betreffenden Betrag von 727,50 € als gem. § 556e Abs. 1 BGB maßgebliche Vormiete gegenübergestellt. Der Prüfung anhand der Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) unterliegt im Streitfall lediglich die von den Parteien für die Wohnung vereinbarte Ausgangsmiete von 850 €, nicht jedoch auch das für die Nutzung des Kellers vereinbarte Nutzungsentgelt von 79 €. Schließlich waren die Wohnung und der Keller nicht aufgrund eines einheitlichen Mietvertrags, sondern aufgrund rechtlich selbständiger Verträge an die Kläger vermietet worden.

Nach der Senatsrechtsprechung spricht bei einem schriftlichen Wohnungsmietvertrag und einem separat abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage oder Stellplatz eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der beiden Vereinbarungen. Es bedarf dann der Widerlegung der Vermutung durch besondere Umstände, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Mietverhältnisse über die Wohnung und die Garage bzw. den Stellplatz nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit bilden sollen. Gemessen hieran rechtfertigten die im Streitfall getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht die Annahme eines einheitlichen, sowohl die Wohnung als auch den Keller umfassenden Mietverhältnisses. Zwar befinden sich die Wohnung und der Keller in demselben Gebäude. Dies genügt jedoch zur Widerlegung der für eine rechtliche Selbständigkeit der Vereinbarungen sprechenden Vermutung nicht.

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Rechtsprechung
Vermieter muss Untervermietung einer Einzimmerwohnung erlauben
LG Berlin vom 07.04.2022 - 67 S 7/22
Norbert Monschau, MietRB 2022, 223

Kommentierung | BGB
§ 553 Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

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