20.06.2022

Berliner Mietspiegel 2021 ist taugliches Begründungsmittel i.S.d. § 558a Abs. 2 BGB

Ob ein als formales Begründungsmittel tauglicher Mietspiegel auch für die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete geeignet ist, kann dahinstehen, wenn gem. § 287 ZPO eine richterliche Schätzung auf Grundlage eines Vorgängermietspiegels möglich ist.

LG Berlin v. 9.6.2022 - 67 S 50/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hat dem Beklagten eine Wohnung in Berlin vermietet. Mit Schreiben vom 18.6 2021 verlangte sie vom Beklagten die Zustimmung zu einer Mietererhöhung gem. §§ 558 ff. BGB. Die Miete sollte fortan monatlich 328,70 € (7,64 €/qm) statt 286 € betragen. Die Erhöhung begründete die Klägerin mit dem Berliner Mietspiegel 2021.

Der Beklagte verweigerte die Zustimmung. Das AG wies die Klage auf Zustimmung ab. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil abgeändert und den Beklagte verurteilt, der Erhöhung der Nettokaltmiete zzgl. Heizkosten- und Betriebskostenvorschüsse ab dem 1.10.2021 zuzustimmen.

Die Gründe:
Das mit dem Berliner Mietspiegel 2021 begründete Mieterhöhungsverlangen vom 18.6.2021 ist formwirksam.

Auch wenn es sich bei dem von der Klägerin herangezogenen Berliner Mietspiegel 2021 um keinen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel i.S.d. §§ 558c, 558d BGB handeln und die Klägerin auch die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 50 EGBGB nicht für sich beanspruchen können sollte, rügte die Berufung zu Recht, dass die in § 558a Abs. 2 BGB genannten Begründungsmittel nicht abschließend sind. Die gesetzliche Begründungspflicht verfolgt allein den Zweck, dem Mieter erste Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu geben. Diesen Mindestanforderungen zur Vermittlung eines ersten Anhalts genügt der Berliner Mietspiegel 2021 auf jeden Fall, selbst wenn er den Mietspiegel 2019 nur linear fortschreiben und damit womöglich von einem kürzeren als dem in § 558 Abs. 2 BGB n.F. ausgewiesenen Bezugszeitraum ausgehen sollte.

Die von der Klägerin verlangte Miete von 328,70 € (7,64 €/qm) überschreitet auch nicht die ortsübliche Miete i.S.d. § 558 Abs. 2 BGB. Insoweit bedurfte es keiner Entscheidung der Kammer, ob der als formales Begründungsmittel taugliche Berliner Mietspiegel 2021 ebenfalls geeignet ist, der Kammer jedenfalls im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete zu erlauben. Denn es stand ihr frei, die Vergleichsmiete hier gem. § 287 ZPO unter Zugrundelegung des für eine richterliche Schätzung geeigneten Berliner Mietspiegels 2019 zu bestimmen. Unter Zugrundelegung des einschlägigen Mietspiegelfeldes und des wechselseitigen Parteivortrags ergab sich zum Stichtag 1.9.2018 eine ortsübliche Vergleichsmiete von 345,29 € (8,03 € x 43 qm).

Die Kammer konnte mit dem für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichenden Überzeugungsgrad überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund des allgemeinen Preisanstiegs ebenfalls davon ausgehen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für mit der streitgegenständlichen Mietsache vergleichbaren Wohnraum im Zeitraum 1.9.2018 bis zum Zugang des Mieterhöhungsverlangens im Juni 2021 nicht von 8,03 €/qm auf die von der Klägerin lediglich verlangten 7,64 €/qm und damit um nahezu fünf Prozent gesunken ist. Angesichts dieser erheblichen Differenz konnte es die Kammer - ein weiteres Mal im Wege der Schätzung - für gegeben erachten, dass es für die zutreffende Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2019 unerheblich ist, dass diesem ein Bezugszeitraum von lediglich vier Jahren zu Grunde lag, während § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB in seiner ab dem 1.1.2020 geltenden Fassung auf die in den letzten sechs Jahren vereinbarten oder geänderten Entgelte abstellt.

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