02.10.2025

Beschädigte Yacht nach Orkanböen - Lagervertrag oder Mietvertrag?

Beim Lagervertrag schuldet der Lagerhalter, anders als der Vermieter beim Mietvertrag, über die bloße Gebrauchsüberlassung der Lagerräumlichkeit hinaus die ordnungsgemäße Aufbewahrung, er übernimmt also Obhutspflichten hinsichtlich des eingelagerten Gutes. Für die Einordnung als Lagervertrag spricht insbesondere, wenn die Lagerbetreiberin sich Hausrecht und Weisungsrechte vorbehalten hat.

LG Hamburg v. 8.8.2025 - 417 HKO 47/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Betreiberin eines Winterlagers für Yachten. Der K. hatte für seine Segelyacht bei der Klägerin eine Yacht-Kasko-Versicherung abgeschlossen. Mit der Beklagten hatte er am 19.11.2021 für seine Segelyacht einen "Mietvertrag über einen Winterlagerplatz" auf dem Außengelände der Beklagten vereinbart. Es waren auch Hallenplätze vorhanden, diese waren aber teurer und der Mast hätte für das Winterlager in der Halle umgelegt werden müssen.

Am 18.2.2022 zog das Sturmtief Zeynap mit schweren Orkanböen auf. Der Sturm kam - für die Region ungewöhnlich - aus südwestlicher Richtung. Der L., ein Mitarbeiter der Beklagten, führte einen Kontrollgang durch, zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wurden nicht ergriffen. In der folgenden Nacht, als das Sturmtief über das Gelände der Beklagten zog, drehte sich die Segelyacht des K. infolge des einwirkenden Winddrucks über ihrem Heck aus dem Bock, die resultierenden Hebelkräfte vorne links an der Stütze des Lagerbocks führten dazu, dass dieser unterhalb einer Schweißnaht brach. Die I. stürzte um und riss dabei die drei neben ihr lagernden Yachten mit, die ebenfalls beschädigt wurden.

Die Klägerin nahm die Beklagte aus abgetretenem bzw. übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers auf Schadensersatz i.H.v. 52.853 € in Anspruch. Die Beklagte war hingegen der Ansicht, dass eine Haftung ihrerseits gem. § 8 Ziff. 3 des Mietvertrages ausgeschlossen sei. Der Schadensverlauf sei für sie weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen, sondern auf höhere Gewalt (heftige Orkanböen) zurückzuführen. Jedenfalls treffe den K. ein Mitverschulden wegen des Abstellens seiner Yacht mit stehendem Mast, was zu einer erhöhten Windangriffsfläche führte. Indem die Klägerin Versicherungsschutz für das Abstellen der Segelyacht unter freiem Himmel mit Mast und Rigg gewährt habe, habe sie einen Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten in Bezug auf Schäden geschaffen, in denen sich dieser Form des Abstellens immanente Risiko eines Orkanereignisses verwirkliche.

Das LG hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Allerdings wurde Berufung eingelegt. Das Verfahren ist am Hanseatischen OLG Hamburg unter dem Az. 6 U 91/25 anhängig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat als Yachtkaskoversicherung gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers Anspruch auf Ersatz der infolge der Beschädigung der Segelyacht ihres Versicherungsnehmers entstanden Kosten gem. § 475 S. 1 HGB, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG.

Auf das Vertragsverhältnis zwischen dem K. und der Beklagten waren die § 467 ff. HGB anzuwenden. Der "Mietvertrag über einen Winterlagerplatz" war bei der gebotenen Gesamtwürdigung als Lagervertrag zu qualifizieren, Mietvertragsrecht fand keine Anwendung. Beim Lagervertrag schuldet der Lagerhalter, anders als der Vermieter beim Mietvertrag, über die bloße Gebrauchsüberlassung der Lagerräumlichkeit hinaus die ordnungsgemäße Aufbewahrung, er übernimmt also Obhutspflichten hinsichtlich des eingelagerten Gutes.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass die Beklagte die Segelyacht nach Ankunft im Hafen eigenverantwortlich auf ihrem Gelände aufstellte, dabei die Auswahl des Lagerbocks, des Standorts und der Abstände zu den anderen Segelyachten ebenso wie die Sicherung im Lagerbock übernahm, ohne dass der K. ein Mitspracherecht hatte. Dass zugleich mit der Einlagerung auch die Obhutsübernahme durch die Beklagte erfolgte, war vom K. plausibel und nachvollziehbar bestätigt worden. Dass dies tatsächlich so gelebt wurde, ergab sich insbesondere aus der Durchführung eines Kontrollgangs bei aufziehendem Sturm durch einen Mitarbeiter der Beklagten. Für die Einordnung als Lagervertrag sprach zudem, dass die Beklagte sich Hausrecht und Weisungsrechte vorbehalten hatte.

Infolgedessen haftete die Beklagte für die Beschädigung der Segelyacht gem. § 475 Abs. 1 HGB. Spätestens als klar war, dass das aufziehende Sturmtief nicht wie üblich aus Windrichtung Nordost kam und die umstehenden Hallen keine Windabdeckung für die Stellplätze liefern konnten, wäre es Sache der Beklagten gewesen, zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen, um ein Umkippen der Segelyachten zu verhindern. Die Beklagte hatte ihre Haftung auch nicht wirksam auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt. § 7 Ziff. 4 des Vertrages ist gem. § 309 Abs. 7 lit. b BGB unwirksam. Ob der Beklagten darüber hinaus der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden konnte, war unerheblich.

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