Beschluss zur Beauftragung des Verwalters zur Abmahnung eines Wohnungseigentümers selbständig anfechtbar wie Abmahnungsbeschluss
BGH v. 4.7.2025 - V ZR 77/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In der Eigentümerversammlung vom 24.1.2023 wurde mehrheitlich der Beschluss gefasst, die Klägerin durch die Hausverwaltung im Namen und im Auftrag der Eigentümergemeinschaft für ihr "WEG-schädigendes Verhalten" abzumahnen. Die Klägerin habe sich gegen die Interessen der GdWE gestellt, indem sie Frau B. dabei geholfen habe, Argumente gegen deren Entlassung aus dem Dienstleistungsverhältnis wegen Nicht- und Schlechterfüllung vertraglich vereinbarter Leistungen zu finden. Sie habe behauptet, der Verwalter habe die Kündigung gegen Frau B. zurückgenommen und sei der Argumentation des gegnerischen Anwalts gefolgt.
Ein weiterer Grund für die Abmahnung ergebe sich daraus, dass die Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Beirat immer noch ein Einsichtsrecht in die Verwaltungskonten ausgeübt habe und zwar insgesamt siebenmal in dem Zeitraum vom 1.7. bis zum 11.9.2022. In beiden Verhaltensweisen liege ein Verstoß gegen § 14 WEG. Mit Schreiben vom 1.2.2023 mahnte der Verwalter die Klägerin entsprechend den Vorgaben des Beschlusses ab.
Das AG wies Anfechtungsklage als unzulässig ab. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem LG ebenso erfolglos wie die vorliegende Revision vor dem BGH.
Die Gründe:
Zwar halten die Ausführungen des LG zu der Unzulässigkeit der Klage der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Dies verhilft der Revision aber nicht zum Erfolg, weil die Klage richtigerweise als unbegründet abzuweisen ist.
Anders als das LG meint, fehlt das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht deshalb, weil es sich bei dem angefochtenen Beschluss nicht um einen Abmahnungsbeschluss handelt. Ein Beschluss, durch den der Verwalter mit der Abmahnung eines Wohnungseigentümers wegen eines die Gemeinschaft schädigenden Verhaltens beauftragt wird, ist nicht anders zu behandeln als ein Abmahnungsbeschluss und deshalb selbständig anfechtbar. Dass der Verwalter die Abmahnung bereits ausgesprochen hat, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage nicht entfallen.
Im Rahmen einer gegen einen Aufforderungsbeschluss wie dem vorliegenden gerichteten Anfechtungsklage sind nur formelle Beschlussmängel zu prüfen, nicht jedoch, ob ein Unterlassungsanspruch besteht. Letzteres ist in einem ggf. anzustrengenden Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren zu klären, sollte der betroffene Wohnungseigentümer der Aufforderung nicht Folge leisten. Hierbei ist das Gericht an die in dem Aufforderungsbeschluss niedergelegte Auffassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gebunden. In einem solchen Verfahren ist dem Wohnungseigentümer in Folge der vorangegangenen Aufforderung aber der Einwand, er habe keine Veranlassung zur Klage gegeben, abgeschnitten.
Diese Überlegungen gelten auch im vorliegenden Zusammenhang. Abmahnungen zur Vorbereitung der Entziehung des Wohnungseigentums nach § 17 WEG und auf eine "schlichte" Unterlassung gerichtete Abmahnungen weisen Parallelen auf. Lässt sich - wie hier - einem Beschluss, durch den der Verwalter mit der Abmahnung eines Wohnungseigentümers wegen eines die Gemeinschaft schädigenden Verhaltens beauftragt wird, nicht entnehmen, dass bei Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens die Entziehung des Wohnungseigentums droht, und führt der Verwalter den Beschluss aus, liegt zwar keine wirksame Abmahnung i.S.d. § 17 Abs. 2 WEG vor. Der Beschluss enthält aber bei der gebotenen objektiven Auslegung jedenfalls die zulässige Aufforderung an den Wohnungseigentümer, das monierte Verhalten zukünftig zu unterlassen. Im Rahmen einer gegen einen solchen Aufforderungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage sind nur formelle Beschlussmängel zu prüfen, nicht jedoch, ob ein Unterlassungsanspruch besteht. Dies ist in einem ggf. anzustrengenden Unterlassungsverfahren ohne Bindung an die in dem Abmahnungsbeschluss niedergelegte Auffassung zu klären.
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Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In der Eigentümerversammlung vom 24.1.2023 wurde mehrheitlich der Beschluss gefasst, die Klägerin durch die Hausverwaltung im Namen und im Auftrag der Eigentümergemeinschaft für ihr "WEG-schädigendes Verhalten" abzumahnen. Die Klägerin habe sich gegen die Interessen der GdWE gestellt, indem sie Frau B. dabei geholfen habe, Argumente gegen deren Entlassung aus dem Dienstleistungsverhältnis wegen Nicht- und Schlechterfüllung vertraglich vereinbarter Leistungen zu finden. Sie habe behauptet, der Verwalter habe die Kündigung gegen Frau B. zurückgenommen und sei der Argumentation des gegnerischen Anwalts gefolgt.
Ein weiterer Grund für die Abmahnung ergebe sich daraus, dass die Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Beirat immer noch ein Einsichtsrecht in die Verwaltungskonten ausgeübt habe und zwar insgesamt siebenmal in dem Zeitraum vom 1.7. bis zum 11.9.2022. In beiden Verhaltensweisen liege ein Verstoß gegen § 14 WEG. Mit Schreiben vom 1.2.2023 mahnte der Verwalter die Klägerin entsprechend den Vorgaben des Beschlusses ab.
Das AG wies Anfechtungsklage als unzulässig ab. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem LG ebenso erfolglos wie die vorliegende Revision vor dem BGH.
Die Gründe:
Zwar halten die Ausführungen des LG zu der Unzulässigkeit der Klage der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Dies verhilft der Revision aber nicht zum Erfolg, weil die Klage richtigerweise als unbegründet abzuweisen ist.
Anders als das LG meint, fehlt das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht deshalb, weil es sich bei dem angefochtenen Beschluss nicht um einen Abmahnungsbeschluss handelt. Ein Beschluss, durch den der Verwalter mit der Abmahnung eines Wohnungseigentümers wegen eines die Gemeinschaft schädigenden Verhaltens beauftragt wird, ist nicht anders zu behandeln als ein Abmahnungsbeschluss und deshalb selbständig anfechtbar. Dass der Verwalter die Abmahnung bereits ausgesprochen hat, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage nicht entfallen.
Im Rahmen einer gegen einen Aufforderungsbeschluss wie dem vorliegenden gerichteten Anfechtungsklage sind nur formelle Beschlussmängel zu prüfen, nicht jedoch, ob ein Unterlassungsanspruch besteht. Letzteres ist in einem ggf. anzustrengenden Unterlassungs- oder Beseitigungsverfahren zu klären, sollte der betroffene Wohnungseigentümer der Aufforderung nicht Folge leisten. Hierbei ist das Gericht an die in dem Aufforderungsbeschluss niedergelegte Auffassung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gebunden. In einem solchen Verfahren ist dem Wohnungseigentümer in Folge der vorangegangenen Aufforderung aber der Einwand, er habe keine Veranlassung zur Klage gegeben, abgeschnitten.
Diese Überlegungen gelten auch im vorliegenden Zusammenhang. Abmahnungen zur Vorbereitung der Entziehung des Wohnungseigentums nach § 17 WEG und auf eine "schlichte" Unterlassung gerichtete Abmahnungen weisen Parallelen auf. Lässt sich - wie hier - einem Beschluss, durch den der Verwalter mit der Abmahnung eines Wohnungseigentümers wegen eines die Gemeinschaft schädigenden Verhaltens beauftragt wird, nicht entnehmen, dass bei Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens die Entziehung des Wohnungseigentums droht, und führt der Verwalter den Beschluss aus, liegt zwar keine wirksame Abmahnung i.S.d. § 17 Abs. 2 WEG vor. Der Beschluss enthält aber bei der gebotenen objektiven Auslegung jedenfalls die zulässige Aufforderung an den Wohnungseigentümer, das monierte Verhalten zukünftig zu unterlassen. Im Rahmen einer gegen einen solchen Aufforderungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage sind nur formelle Beschlussmängel zu prüfen, nicht jedoch, ob ein Unterlassungsanspruch besteht. Dies ist in einem ggf. anzustrengenden Unterlassungsverfahren ohne Bindung an die in dem Abmahnungsbeschluss niedergelegte Auffassung zu klären.
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§ 17 Entziehung des Wohnungseigentums
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