20.12.2013

Beschränkte Möglichkeiten der Vaterschaftsanfechtung für den biologischen Vater sind verfassungsgemäß

Es ist mit dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar, den biologischen Vater von der Anfechtung auszuschließen, um eine bestehende rechtlich-soziale Familie zu schützen. Dies gilt auch, wenn der mutmaßliche biologische Vater vorträgt, vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozialfamiliäre Beziehung zum Kind aufgebaut zu haben.

BVerfG 4.12.2013, 1 BvR 1154/10
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist überzeugt, biologischer Vater einer Tochter zu sein, die in die Ehe ihrer Mutter mit einem anderen Mann hineingeboren wurde. Der Ehemann ist rechtlicher Vater des Kindes. Die Beziehung der Mutter zum Beschwerdeführer endete, als das Kind vier Monate alt war. Seit das Kind elf Monate alt ist, lebt es mit der Mutter, deren Ehemann und mit den minderjährigen Geschwistern in einem gemeinsamen Haushalt.

Eine Vaterschaftsanfechtungsklage des Beschwerdeführers blieb erfolglos; zur Begründung verwiesen die Fachgerichte im Wesentlichen darauf, dass die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater einer Anfechtung entgegenstehe. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer. Er hielt die Abweisung seiner Vaterschaftsanfechtungsklage für verfassungswidrig; sie verletze u.a. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 8 EMRK).

Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich verpflichtet, dem biologischen Vater die rechtliche Elternstellung einzuräumen, es sei denn, nach einer Interessenabwägung im Einzelfall stünden ausnahmsweise gleichrangige Interessen anderer Beteiligter entgegen. Gefährde eine Anfechtung im konkreten Einzelfall weder das Kindeswohl noch den Familienfrieden, müsse sich der biologische Vater durchsetzen.

Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Das BVerfG war der Ansicht, dass die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorlagen.

Die Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde warf keine klärungsbedürftige verfassungsrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Der Beschwerdeführer konnte nicht darlegen, dass die angegriffenen Entscheidungen seine Grundrechte
verletzten. Das BVerfG hat bereits im Jahr 2003 entschieden (BVerfGE 108, 82), dass es mit dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar ist, den mutmaßlichen biologischen Vater von der Vaterschaftsanfechtung auszuschließen, was im Übrigen auch der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht.

Dies gilt auch, wenn der mutmaßliche biologische Vater vorträgt, vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozialfamiliäre Beziehung zum Kind aufgebaut zu haben. In einem solchen Fall steht ihm aber ein Recht auf Umgang mit dem Kind zu, das sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ableitet.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 77 vom 20.12.2013
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