04.02.2020

Bestattung im Leinentuch nur bei Bestehen eines entsprechenden verpflichtenden religiösen Gebots

Der lediglich emotional begründete Wunsch nach einer sarglosen Bestattung, der nicht unmittelbar auf einem Glaubenssatz gründet, fällt nicht unter die Ausnahmeregelung des § 39 Abs. 1 Satz 3 BestattG. Voraussetzung hierfür ist der Nachweis der Existenz einer Glaubensregel der Religionsgemeinschaft, die diese Bestattungsart gebietet.

VG Karlsruhe v. 19.9.2019 - 12 K 7491/18
Der Sachverhalt:
Das klagende Ehepaar begehrt die Feststellung, dass sie nach ihrem Tod auf dem Friedhof der beklagten Gemeinde Angelbachtal ohne Sarg in einem Leintuch bestattet werden dürfen.

Die Kläger gehören der Evangelischen Landeskirche in Baden bzw. dem Zentralrat orientalischer Christen in Deutschland an. Sie berufen sich darauf, die Erdbestattung in einem Leintuch sei ein urchristlicher Ritus, der heute u.a. noch bei der christlich-koptischen Glaubensgemeinschaft sichtbar sei. Er leite sich direkt aus der Bibel ab. Täufling und Leichnam würden danach nur in ein Leintuch gehüllt. Dies entspreche auch der Grablegung Jesu. Die Muslime hätten diesen ursprünglichen Bestattungsritus bewahrt. Dass Christen anders als Muslime im Holzsarg beerdigt würden, sei nur der Tradition geschuldet. Im Mittelalter sei die sarglose Bestattung demgegenüber noch üblich gewesen und werde bis in die Gegenwart bei Kartäusern und Trappisten praktiziert. Sie gehöre zum gemeinsamen Kern der drei Religionen Judentum, Christentum und Islam. Die örtliche evangelische Kirchengemeinde unterstütze ihr Anliegen.

Die Gemeinde Angelbachtal lehnte den Antrag der Kläger, ihnen vor diesem Hintergrund eine Leintuchbestattung zu genehmigen, ab. Das Bestattungsgesetz (BestattG) erlaube in ihrem Fall keine Leintuchbestattung. Unabhängig davon könne eine solche Entscheidung nicht bereits im Vorfeld getroffen werden, sondern erst bei Vorliegen eines konkreten Sterbefalls. Den von den Klägern hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis zurück.

Das VG wies die Feststellungsklage ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Gründe:
Den Klägern steht gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 BestattG kein Anspruch zu, nach ihrem Tod sarglos in Tüchern bestattet zu werden.

Nach der Norm können Verstorbene, deren Religionszugehörigkeit eine Bestattung ohne Sarg vorsieht, in Tüchern erdbestattet werden, sofern keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten sind. Zwar ist die Regelung bei einer Auslegung im Lichte des GG nicht von vorneherein auf Angehörige der muslimischen Religionsgemeinschaften beschränkt. Die Religionszugehörigkeit der Kläger sieht aber eine Bestattung ohne Sarg nicht vor. Es ist den Klägern insoweit nicht gelungen, die Existenz einer Glaubensregel ihrer Religionsgemeinschaft darzulegen, die diese Bestattungsart gebietet. Aus ihren Ausführungen ergibt sich nicht, dass sie die sarglose Bestattung als verpflichtendes religiöses Gebot empfinden. Nur in diesem Fall wird aber die grundrechtlich nach Art. 4 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit tangiert.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, ihr Wunsch nach einer sarglosen Bestattung beruhe nicht auf einem Glaubenssatz, sondern sei emotional begründet. Es würde sie nicht in Gewissensnot bringen, sich im Sarg bestatten zu lassen, sie hätten aber einfach ein besseres Gefühl bei einer sarglosen Bestattung. Dieser auch durch ihren Glauben motivierte Wunsch der Kläger genügt zur Begründung eines Anspruchs auf Leintuchbestattung ebenso wenig wie die Zugehörigkeit zu einer Religion, die eine sarglose Bestattung lediglich nicht verbietet.

Hierin liegt auch keine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauungen. Der Sargzwang gilt vielmehr grundsätzlich für jedermann unabhängig von der Religion. Soweit die Ausnahmevorschrift an das Bestehen einer als verpflichtend empfundenen Glaubensregel anknüpft, liegt hierin keine unzulässige Diskriminierung wegen religiöser Anschauungen. Es handelt sich vielmehr um eine sachlich gerechtfertigte Abgrenzung zu bloßen individuellen Wunschvorstellungen.
VG Karlsruhe PM vom 2.1.2020
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