25.11.2024

BGH bestätigt: Schonfristzahlung weiterhin folgenlos für die ordentliche Kündigung (siehe auch VIII ZR 106/23)

Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands bzw. eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle hat lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung. Diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war.

BGH v. 23.10.2024 - VIII ZR 177/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist seit August 2006 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Nachdem die Beklagte die Mieten für die Monate Januar und Februar 2022 nicht gezahlt hatte, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 14.3.2022 die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs. Am 17.3.2022 glich die Beklagte den vorgenannten Mietrückstand vollständig aus.

Das AG gab der Räumungsklage aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses vom 14.3.2022 statt. Das LG wies die Klage ab. Das Vorbringen der Klägerin zu einer weiteren in ihrer Berufungserwiderung erklärten Kündigung des Mietverhältnisses wies das LG zurück (§ 529 Abs. 1 Nr. 2, § 533 ZPO). Mit der Revision begehrt die Klägerin allein gestützt auf die ordentliche Kündigung vom 14.3.2022 die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH hob das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann ein auf die im Schreiben vom 14.3.2022 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung gestützter Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der von dieser angemieteten Wohnung nach § 546 Abs. 1, § 985 BGB nicht verneint werden.

Entgegen der Auffassung des LG ist diese (ebenfalls) auf die ausgebliebenen Mietzahlungen der Beklagten gestützte Kündigung nicht infolge der Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden. Eine solche Zahlung hat (lediglich) Folgen für die fristlose Kündigung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB); eine auf den zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietrückstand zugleich gestützte ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB - deren Voraussetzungen im Übrigen zugunsten der Klägerin im Revisionsverfahren mangels entsprechender Feststellungen des LG zu unterstellen sind - bleibt von der Schonfristzahlung unberührt. Die entsprechende Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB ist hierauf weder unmittelbar noch analog anwendbar.

Die seitens des LG zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht herangezogenen Gesichtspunkte sind im Wesentlichen deckungsgleich mit denjenigen in dessen Urteilen vom 30.3.2020 (66 S 293/19) und vom 20.8.2021 (66 S 98/20). Diese hat der Senat mit den Urteilen vom 13.10.2021 (VIII ZR 91/20) und vom 5.10.2022 (VIII ZR 307/21) aufgehoben, so dass im vorliegenden Fall zur näheren Begründung auf die dortigen Ausführungen umfassend Bezug genommen wird. Das LG hat zudem in seiner von ihm zitierten Entscheidung vom 1.7.2022 (66 S 200/21) weiterhin an seiner gegenteiligen Ansicht zur Wirkung einer Schonfristzahlung festgehalten. Die darin enthaltenen Ausführungen geben dem Senat keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, wie er bereits in seinem Urteil vom 5.10.2022 ausführlich dargelegt hat (VIII ZR 307/21), so dass auch insoweit vollumfänglich auf diese Entscheidung verwiesen werden kann.

Darüberhinausgehende neue Gesichtspunkte, die den Senat zu einer Änderung seiner bisherigen Auffassung veranlassen könnten, enthält auch das im Streitfall angefochtene Urteil des Berufungsgerichts nicht. Soweit das LG in seinem in Bezug genommenen Urteil vom 31.3.2023 nach wie vor der Auffassung ist, der Senat habe bei seinen Ausführungen zur historischen Auslegung zu Unrecht auf ein bloßes Nichthandeln beziehungsweise ein bloßes "Verhalten des Gesetzgebers" abgestellt, trifft dies nicht zu. Daher geht auch der Einwand des LG fehl, der methodische Ansatz des Senats habe "äußerst bedenkliche Konsequenzen für die Rechtsklarheit" und könne zu "untragbaren Verwerfungen in der parlamentarischen Arbeit" führen. Denn mit der vom Senat vorgenommenen Beurteilung wird - entgegen der Auffassung des LG - weder jeder parlamentarischen Äußerung ohne weiteres für die historische Auslegung einer Norm eine Relevanz beigemessen noch davon ausgegangen, dass der Ablehnung von Gesetzgebungsvorhaben generell Bedeutung im Rahmen der Gesetzesauslegung zukäme.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (siehe Leitsätze)
Ordentliche Kündigung: Keine Heilung durch Schonfristzahlung
BGH vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20
Alexander Schneehain, MietRB 2022, 1

Rechtsprechung (siehe Leitsätze)
Die (beschränkte) Schonfrist
BGH vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21
Michael Sommer, MietRB 2022, 343

Kommentierung | BGB
§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Kommentierung | BGB
§ 569 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Kommentierung | BGB
§ 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

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