29.10.2025

Coaching-Anbieter: Trotz fehlender FernUSG-Zulassung und nichtigem Vertrag kein Geld zurück

Aufgrund der fehlenden Zulassung des Coaching-Anbieters nach § 12 FernUSG folgte zwar gem. § 7 Abs. 1 FernUSG die Nichtigkeit des Vertrages. Im Rahmen der Saldierung reduziert sich der Rückzahlungsbetrag jedoch auf 0,00 €. Denn dem Coaching-Anbieter steht wiederum ein Anspruch auf Wertersatz gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB für die aus dem nichtigen Vertrag erbrachten Leistungen zu (BGH-Urteil v. 12.6.2025 - III ZR 109/24).

AG Paderborn v. 5.9.2025 - 57a C 183/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte am 6.3.2023 fernmündlich einen Vertrag zur Teilnahme an einem Coaching-Programm der Beklagten abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war sie als Gesundheits- und Krankenpflegerin tätig. Es wurde ein Gesamthonorar i.H.v. 3.570 € brutto vereinbart, das in vier Raten abgezahlt wurde. Die Vertragslaufzeit war auf 8 Wochen ausgerichtet. Das Programm fand online statt. Die Klägerin bekam Zugang zu knapp 100 Stunden Videomaterial, wovon sie über 70 Stunden nutzte. Zusätzlich gab es eine Gruppe mit Coaches und anderen Teilnehmern, wo Fragen gestellt und Erfahrungen ausgetauscht werden konnten. Über eine Zulassung nach § 12 FernUSG verfügt die Beklagte nicht.

Am 5.9.2023 forderte die Klägerin wegen behaupteter Nichtigkeit des Vertrags die 3.570 € zurück. Vorsorglich erklärte die Klägerin den Widerruf. des Vertrags. Sie war der Ansicht, dass der Vertrag aufgrund der fehlenden Zulassung nach § 12 FernUSG nichtig sei. Hierzu behauptete sie, dass nur weniger als die Hälfte der Vertragsinhalte synchron erfolgt sei. Aufgrund der Aufzeichnung der Live-Calls seien diese ebenfalls nicht als synchrone Vermittlung zu werten. Es habe eine Kenntnis- und Fähigkeitenvermittlung stattgefunden, die durch die Möglichkeit der Fragenstellung auch individuell kontrolliert werde könne. Ferner sei aufgrund eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung der Vertrag ebenfalls nichtig.

Die Beklagte entgegnete, der Vertrag falle nicht unter das Fernunterrichtsschutzgesetz. Die Voraussetzungen hierzu seien nicht erfüllt. Zudem finde das FernUSG nur bei Verbraucherverträgen Anwendung. Die Klägerin habe jedenfalls ab 2023 die Selbstständigkeit vorbereitet und trete seit April 2024 auf dem Markt auf.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB i.H.v. 3.570 € zu.

Beim streitgegenständlichen Vertragsinhalt handelte es sich um Fernunterricht i.S.d. § 1 Abs. 1 FernUSG. Auf die viel diskutierte Frage, inwieweit sog. Coaching- oder Mentoring-Angebote, bei denen der Schwerpunkt auf der individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Kunden liegt, auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 FernUSG gerichtet sind kam es hier nicht an, weil die Wissensvermittlung gegenüber einer individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Teilnehmers deutlich im Vordergrund stand. Eine gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG erforderliche Überwachung des Lernerfolgs war ebenfalls gegeben.

Unerheblich war, ob die Darbietung des Unterrichts und dessen Abruf durch den Lernenden zeitlich versetzt (asynchron) erfolgte. Im vorliegenden Fall wäre selbst bei einer solchen einschränkenden Auslegung von einer überwiegenden räumlichen Trennung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG auszugehen, da asynchrone Unterrichtsanteile hier jedenfalls überwogen. Dem asynchronen Unterricht waren neben den Lehrvideos auch sog. Live-Calls zuzuordnen. Synchrone Unterrichtsanteile, die - wie hier die Live-Calls - zusätzlich aufgezeichnet und den Teilnehmern anschließend zur Verfügung gestellt werden, sind als asynchroner Unterricht zu behandeln, weil sie zeitversetzt zu einem beliebigen Zeitpunkt angeschaut werden können und eine synchrone Teilnahme damit entbehrlich machen. Infolgedessen handelte es sich um Fernunterricht und hätte einer Zulassung benötigt.

Aufgrund der fehlenden Zulassung der Beklagten nach § 12 FernUSG folgte zwar gem. § 7 Abs. 1 FernUSG die Nichtigkeit des Vertrages. Dies galt auch unter der Voraussetzung, die Klägerin im Rahmen des Vertragsschlusses als Unternehmerin einzustufen. Als Rechtsfolge wäre grundsätzlich somit der Betrag von 3.570 € zurück zu gewähren. Im Rahmen der Saldierung reduziert sich der Betrag jedoch auf 0,00 €. Denn der Beklagten stand wiederum ein Anspruch auf Wertersatz gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB für die aus dem nichtigen Vertrag erbrachten Leistungen zu, die einen Wert von 3.570 € aufwiesen. Hierzu war auf das BGH-Urteil v. 12.6.2025 (III ZR 109/24) zu verweisen. Eine Kondiktionssperre nach § 817 S. 2 BGB lag entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vor. Dass sich die Beklagte der Einsicht in den Gesetzesverstoß zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses leichtfertig verschlossen hatte, war nicht erkennbar.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Urteil
BGH vom 12.06.2025 - III ZR 109/24

Aufsatz
Gerhard Ring
Persönlicher Anwendungsbereich des FernUSG
MDR 2025, 1233

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