10.11.2025

Coaching ohne Kontrolle des Lernerfolges fällt nicht unter das FernUSG - Hohe Hürden bei Wucher-Vorwurf

Ein Fernunterrichtsvertrag liegt nur vor, wenn zwischen den Parteien eine individuelle Kontrolle des Lernerfolges durch den Lehrenden vereinbart ist. Davon ist nicht schon dann auszugehen, wenn der Anbieter der Coaching-Leistungen für Fragen zur Lösung von Problemen zur Verfügung steht. Von einem wucherähnlichen Rechtsgeschäft kann erst ausgegangen werden, wenn die vereinbarte Vergütung rund das Doppelte des Wertes der Gegenleistung beträgt.

OLG Hamm v. 15.10.2025 - 12 U 63/25
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten am 14.10.2021 ein Videotelefonat geführt. Der Beklagte hatte daraufhin bei der Klägerin ein Online-Coaching über 15 Monate gebucht und sich zur Zahlung von 49.980 € verpflichtet. Ein Mitarbeiter der Klägerin hatte zu den einzelnen Modulen eine kurze Beschreibung gegeben. Es geht bei dem von der Klägerin angebotenen Coaching u.a. darum, wie man Produkte erfolgreich vermarktet, wie Webseiten aufgebaut werden und wie man Mitarbeiter gewinnt sowie eine Liquiditätsplanung erstellt. Der Mitarbeiter hat auch im Einzelnen dargestellt, welchen Umfang die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen haben, nämlich die Errichtung einer geschlossenen Gruppe, die es dem Beklagten ermöglicht, so viele Fragen zu stellen und beantwortet zu bekommen, wie er möchte ("Fragen-Flatrate"), Live-Calls, vier Vor-Ort-Termine und eine tägliche Sprechstunde.

Eine Überwachung des Lernerfolgs war nicht vorgesehen. Der Beklagte wollte sich mit dem Coaching auf die Selbständigkeit vorbereiten. Welche unternehmerische Tätigkeit der Beklagte genau ausüben wollte, ist zwar in dem Vertragsgespräch nicht vereinbart worden. Dort war nur die Rede von einer Tätigkeit als Coach, Consultant oder Dienstleister. Später hat der Beklagte den Coaching-Vertrag widerrufen und sich geweigert, die 49.980 € an die Klägerin zu zahlen.

Das LG hat der Zahlungsklage stattgegeben. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt.

Die Gründe:
Das LG hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 49.980 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt.

Zwischen den Parteien war anlässlich des per Videotelefonat geführten Gesprächs vom 14.10.2021 ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB geschlossen worden. In dem Gespräch hatte eine Einigung der Parteien über die essentialia negotii stattgefunden. Für den Beklagten war klar ersichtlich, welche Leistungen er von der Klägerin abrufen durfte. Sollte er dies nicht verstanden haben, hätte er bei dem Mitarbeiter der Klägerin nachfragen können. Das Coaching der Klägerin war nicht als Unternehmensberatung auszulegen, sondern hatte eine Unterstützung bei der Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit zum Inhalt.

Der Dienstvertrag war nicht gem. § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Vorliegend wäre allenfalls ein wucherähnliches Rechtsgeschäft in Betracht gekommen. Doch hierfür gab es letztlich keine ausreichenden Anhaltspunkte. So betrug die Vergütung für Coaching-Leistungen über neun Monate in einem Rechtsstreit vor dem OLG München 20.000 € (Beschl. v. 16.5.2024 - 3 U 984/24 e). Umgerechnet auf die hier zwischen den Parteien vereinbarten 15 Monate Laufzeit wäre dies ein Betrag von 33.333,33 €. In einem Rechtsstreit vor dem OLG Celle betrug die Vergütung für Coaching-Leistungen 2.200 € netto monatlich, mithin 2.618,00 € brutto (Urt. v. 1.3.2023 - 3 U 85/22). Im vorliegenden Fall wäre es eine monatliche Brutto-Vergütung von 3.332 € gewesen. Von einem wucherähnlichen Rechtsgeschäft kann jedoch erst ausgegangen werden, wenn die vereinbarte Vergütung rund das Doppelte des Wertes der Gegenleistung beträgt.

Der Dienstvertrag war auch nicht wegen Verstoßes gegen das FernUSG gem. § 134 BGB nichtig. Vorliegend schied ein Vertrag über Fernunterricht aus, denn es fehlte an der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG erforderlichen Überwachung des Lernerfolgs. Zwar hätte der Beklagte Fragen an die Klägerin bzw. ihre Mitarbeiter stellen dürfen. Damit war eine Kontrolle des Lernerfolgs aber nicht geschuldet. Begriffe wie "Studium" oder "Lehrgang" bzw. "Absolventen" und "Zertifikat" waren nirgendwo erwähnt.

Der Beklagte hatte den Dienstvertrag auch nicht wirksam widerrufen. Ihm stand ein Widerrufsrecht nicht zu, da er im Rahmen des Vertragsgesprächs als Existenzgründer und damit als Unternehmer aufgetreten war. Existenzgründer zu sein setzt nicht voraus, dass der Beklagte bereits ein Unternehmer ist oder in wirtschaftlicher Hinsicht eine gewisse "Größe" erreicht hat. Zweck der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit war ja gerade die Erzielung von entsprechenden Umsätzen in der Zukunft. Existenzgründer kann damit jeder sein.

Der vom Beklagten erklärte Widerruf konnte letztlich auch nicht in eine Kündigung umgedeutet werden, denn eine solche wäre nicht wirksam. Eine ordentliche Kündigung des Dienstvertrages schied gem. § 620 Abs. 1 und 2 BGB aus, da es sich um einen befristeten Vertrag handelte. Für eine außerordentliche Kündigung fehlte es an einem Kündigungsgrund.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Urteil
BGH vom 12.06.2025 - III ZR 109/24

Aufsatz
Gerhard Ring
Persönlicher Anwendungsbereich des FernUSG
MDR 2025, 1233

Aktionsmodul Zivilrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner. 4 Wochen gratis nutzen!

Justiz NRW