08.03.2018

Die Fluggesellschaft der ersten von zwei Teilstrecken einer Flugreise kann vor den Gerichten am Endziel verklagt werden

Die Fluggesellschaft, die in einem Mitgliedstaat nur den ersten Flug einer Flugreise durchgeführt hat, kann vor den Gerichten am Endziel in einem anderen Mitgliedstaat auf Verspätungsentschädigung verklagt werden, wenn die verschiedenen Flüge Gegenstand einer einheitlichen Buchung für die gesamte Reise waren und die Verspätung bei Ankunft am Endziel auf eine Störung während des ersten Flugs basiert.

EuGH 7.3.2018, C-274/16 u.a.
Der Sachverhalt:
Fluggäste buchten bei Air Berlin bzw. Iberia Flugreisen von Spanien nach Deutschland, die jeweils aus zwei Teilstrecken bestanden (Ibiza-Palma de Mallorca-Düsseldorf im Fall von Air Berlin und Melilla-Madrid-Frankfurt a.M. im Fall von Iberia). Die Buchungen umfassten dabei jeweils die gesamte Reise. Die ersten, innerspanischen Flüge wurden in beiden Fällen von der spanischen Fluggesellschaft Air Nostrum durchgeführt. Es kam in beiden Fällen zu Verspätungen (um 45 bzw. 20 Minuten), wodurch die Fluggäste ihren Anschlussflug nach Deutschland verpassten. Die Fluggäste erreichten ihr Endziel in Deutschland schließlich mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden (etwa 4 Stunden im Fall von Air Berlin und etwa 13 Stunden im Fall von Iberia).

Die Fluggäste erhoben aufgrund der großen Verspätungen Klagen gegen Air Nostrum auf Ausgleichszahlung gem. der Verordnung EG/261/2004 über die Rechte von Fluggästen bei deutschen Gerichten.

Das AG und der BGH haben Zweifel, ob deutsche Gerichte zuständig sind für Klagen von Fluggästen gegen eine Fluggesellschaft, die (1) ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstatt hat, (2) im Rahmen von aus mehreren Teilstrecken bestehenden Flugreisen mit Endziel Deutschland nur die Flüge der ersten Teilstrecke innerhalb eines anderen Mitgliedstaat durchgeführt hat und (3) nicht der Vertragspartner der Fluggäste ist. Die beiden Gerichte haben daher den EuGH ersucht. Der EuGH soll klären, ob in einem solchen Fall die Bestimmungen der Brüssel-I-Verordnung EG/22/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen anzuwenden sind. Danach kann eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Person vor dem Gericht des Erfüllungsorts verklagt werden, wenn ein Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildet. Der EuGH erklärte die Verordnung für anwendbar und die Zuständigkeit damit für gegeben.

Die Gründe:
Das Endziel in Deutschland ist nicht nur für den zweiten Flug, sondern auch für den ersten, innerspanischen Flug als Erfüllungsort der zu erbringenden Dienstleistungen anzusehen. Daher sind die deutschen Gerichte grundsätzlich für die Entscheidung über Klagen auf Ausgleichszahlungen, die gegen eine ausländische Fluggesellschaft erhoben werden, zuständig.

Zunächst umfasst ein "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" i.S.d. Brüssel-I-Verordnung eine Klage auf Ausgleichszahlung wegen großer Verspätung auf einer aus zwei Teilstrecken bestehenden Flugreise gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das nicht Vertragspartner der Fluggäste ist. Das in keiner Vertragsbeziehung zum Fluggast stehende ausführende Luftfahrtunternehmen handelt im Namen des Unternehmens, zu dem der Fluggast eine Vertragsbeziehung eingegangen ist. Es übernimmt mit der freiwilligen Durchführung die gegenüber dem Fluggast bestehenden Verpflichtungen.

Zudem ist bei einer aus zwei Teilstrecken bestehen Flugreise der Ankunftsort der zweiten Teilstrecke der Erfüllungsort i.S.d. Brüssel-I-Verordnung, wenn die Beförderung von unterschiedlichen Unternehmen durchgeführt wird und die Verspätung am Ankunftsort auf einer Störung des ersten Flugs basiert, der nicht vom Vertragspartner durchgeführt wurde. Die Verträge, die sich durch eine einheitliche Buchung kennzeichnen, begründen die Verpflichtung eines Luftfahrtunternehmens, den Fluggast von A nach C zu befördern. C ist (neben dem Abflugort A) einer der Orte, an dem die Dienstleistung hauptsächlich erbracht wird.

In einem anderen Fall hat ein Fluggast eine chinesische Fluggesellschaft, Hainan Airlines, von deutschen Gerichten auf Ausgleichszahlung verklagt, weil ihm die Beförderung auf der zweiten Teilstrecke der Flugreise (Berlin-Brüssel-Peking) verweigert worden sei. Da der Beklagte jedoch keinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen und nicht nach der Brüssel-I-Verordnung.

Linkhinweise:
Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier. Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier.

EuGH PM Nr. 28/2018 vom 7.3.2018
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