18.10.2022

Dieselskandal: Vorteilsausgleichung bei der Gewähr von Restschadensersatz im Falle des Weiterverkaufs

Der BGH hat sich vorliegend mit der Vorteilsausgleichung bei der Gewähr von Restschadensersatz im Falle des Weiterverkaufs eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Kraftfahrzeugs durch den Geschädigten befasst.

BGH v. 19.9.2022 - VIa ZR 281/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Neuwagen in Anspruch. Er erwarb im März 2014 für rd. 28.400 € von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten VW Passat. Das Fahrzeug ist mit einem 2,0 l-Motor des Typs EA 189 ausgestattet. Der Motor enthielt eine Software, die auf dem Prüfstand vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in den stickoxid-optimierten Modus 1 wechselte (Umschaltlogik). Die Software wurde im Herbst 2015 öffentlich bekannt und vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet. Im Juli 2021 verkaufte der Kläger das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 158.701 km für 6.500 €. Mit seiner im Januar 2021 erhobenen Klage nahm der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die bislang vom OLG getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, nach der vom Kläger nicht in Frage gestellten Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB seien sämtliche Berufungsanträge unbegründet.

Durchgreifenden Bedenken unterliegt das Berufungsurteil, soweit es das Tatbestandsmerkmal "auf Kosten des Verletzten ... erlangt" in § 852 Satz 1 BGB verneint. Wie der BGH nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, muss die unerlaubte Handlung zu einem Vermögensnachteil des Geschädigten und zu einem Vermögensvorteil des Ersatzpflichtigen geführt haben, wobei sich die Vermögensverschiebung nicht unmittelbar zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Geschädigten vollzogen haben muss. Liegt dem Neuwagenkauf eines nach § 826 BGB durch den Fahrzeughersteller Geschädigten bei einem Händler die Bestellung des bereitzustellenden Fahrzeugs durch den Händler bei dem Hersteller zugrunde und schließen der Hersteller und der Händler einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, aufgrund dessen der Hersteller gegen den Händler einen Anspruch auf Zahlung des Händlereinkaufspreises erlangt, ist dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegeben, weil der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Geschädigten und dem Händler einerseits und der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung des Händlereinkaufspreises bzw. der Erwerb des Händlereinkaufspreises durch den Hersteller andererseits auf derselben, wenn auch mittelbaren Vermögensverschiebung beruhen. Hat der Händler das Fahrzeug hingegen unabhängig von einer Bestellung des Geschädigten vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes (Absatz-)Risiko erworben, fehlt es an dem für §§ 826, 852 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang.

Ausdrücklich festgestellt ist vorliegend lediglich, dass kein Direktverkauf der Beklagten an den Kläger vorliegt. Maßgeblich ist aber auch, ob die Beklagte aufgrund des Neuwagenkaufs des Klägers einen Kaufpreisanspruch gegen den Händler erlangt hat oder ob der Händler das verkaufte Fahrzeug schon vor der Bestellung des Klägers auf eigene Kosten und eigenes (Absatz-)Risiko erworben hatte. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass sich eindeutige Feststellungen hierzu auch nicht aus den vom OLG in Bezug genommenen Anlagen ergeben.

Das OLG wird im zweiten Rechtsgang mit den Parteien zu erörtern haben, dass der bisher vom Kläger gehaltene Vortrag sein zuletzt in der Hauptsache i.H.v. rd. 6.900 € gestelltes Zahlungsbegehren schlüssig nicht ergibt, sofern das Vorbringen so zu verstehen ist, die Beklagte habe gegen den Händler aus dem zwischen dem Händler und der Beklagten über das Fahrzeug geschlossenen Kaufvertrag lediglich eine Forderung i.H.v. rd. 20.300 € erlangt. In diesem Fall bestünde ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB nach Anrechnung des vom Kläger i.H.v. rd. 15.000 € zugestandenen Nutzungswerts und des aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs erwirtschafteten Erlöses i.H.v. 6.500 € nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nicht mehr. Sollte der Kläger in der wiedereröffneten Berufungsverhandlung darlegen, die Beklagte habe tatsächlich aus dem Kaufvertrag mit dem Händler mehr erlangt als bisher behauptet, wird das OLG zu beachten haben, dass nach Weiterverkauf des Fahrzeugs während des laufenden Rechtsstreits an die Stelle des nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung herauszugebenden und zu übereignenden Fahrzeugs der Marktwert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Weiterverkaufs tritt, den das OLG gem. den Grundsätzen des § 287 ZPO ausgehend von dem vom Kläger tatsächlich erzielten Kaufpreis zu ermitteln haben wird.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
BGH: Verweigerung des Vorteilsausgleichs durch den Geschädigten ("Diesel-Skandal")
ZIP 2022, R4

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