Direktzahlungsmodell beim Grundstückskauf: Grundpfandgläubiger ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers
BGH v. 20.12.2024 - V ZR 41/23
Der Sachverhalt:
Der Beklagte zu 1) verkaufte mit notariellem Vertrag vom 12.8.2019 an die Klägerin mehrere Wohnungs- und Teileigentumseinheiten zu einem Kaufpreis von 2,1 Mio. €. Zum Zeitpunkt der von dem Streithelfer des Beklagten zu 1) vorgenommenen notariellen Beurkundung war im Grundbuch eine nicht mehr valutierende Briefgrundschuld über 700.000 DM für die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2) eingetragen, die von der Klägerin nicht übernommen werden sollte. In dem Vertrag ist geregelt, dass die Fälligkeit des Kaufpreises u.a. davon abhängig ist, dass eine Mitteilung des Notars von der "Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten" vorliegt. Bei Fälligkeit des Kaufpreises sind die nicht übernommenen Lasten abzulösen. Mit der Einholung der Löschungsunterlagen und Herbeiführung der Löschung wird der Notar beauftragt.
Im Oktober 2019 wurde bekannt, dass der Grundschuldbrief bei der Beklagten zu 2) nicht mehr auffindbar war. Deshalb leitete sie bei dem AG ein Aufgebotsverfahren ein. Mit Schreiben vom 13.2.2020 setzte die Klägerin dem Beklagten zu 1) eine Frist zur "lastenfreien Auflassung" bis zum 27.2.2020. Mit seit dem 15.9.2020 rechtskräftigem Ausschließungsbeschluss wurde der Grundschuldbrief für kraftlos erklärt. Der Beklagte zu 1) trat seine Kaufpreisforderung aus dem notariellen Vertrag an die Beklagte zu 2) ab und zeigte dies der Klägerin an. Die Klägerin erklärte gegenüber der Beklagten zu 2) die Aufrechnung gegen die Kaufpreisforderung mit Schadensersatzansprüchen i.H.v. insgesamt rd. 840.000 €. Hierin enthalten ist ein entgangener Gewinn von 700.000 €; nach dem Vorbringen der Klägerin soll wegen der Verzögerung bei der Lastenfreistellung ein Weiterverkauf der Einheiten für 2,8 Mio. € im März 2020 gescheitert sein.
Die Klägerin bezahlte den Kaufpreis von 2,1 Mio. € an die Beklagte zu 2) unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Anschließend erfolgte die Auflassung. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten zu 2) die Rückzahlung des Kaufpreisanteils von rd. 840.000 €. Den Beklagten zu 1) nimmt sie auf Ersatz eines weiteren Verzögerungsschadens i.H.v. rd. 9.400 € in Anspruch und beantragt die Feststellung, dass der Beklagte zu 1) sie von zukünftigen Ansprüchen aus dem gescheiterten Weiterverkauf freizustellen hat.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH ohne Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat die Klage gegen beide Beklagten zu Recht abgewiesen.
Gegen den Beklagten zu 1) kann sich ein Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens nur aus § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286 BGB (Verzug) ergeben. Ein solcher Anspruch scheidet jedoch bereits dem Grunde nach aus, so dass auch der Feststellungsantrag der Klägerin keinen Erfolg hat. Allerdings hat der Beklagte zu 1) seine Leistungspflichten aus dem Kaufvertrag nicht rechtzeitig erfüllt. Wie das Berufungsgericht richtig sieht, gilt dies zwar nicht für die Pflicht des Beklagten zu 1), die von der Klägerin nicht übernommenen Lasten abzulösen. Der Beklagte zu 1) hat aber nicht rechtzeitig seine weitere Pflicht erfüllt, für die Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten in Gestalt der Grundschuld zu sorgen. Ist der Verkäufer - wie hier - verpflichtet, die Löschung nicht übernommener Lasten sicherzustellen, setzt dies die Vorlage der Löschungsunterlagen voraus, wozu insbesondere die Löschungsbewilligung des Grundschuldgläubigers (§ 19 GBO) und - wenn es sich (wie hier) um eine Briefgrundschuld handelt auch der Grundschuldbrief gehört.
Der Pflicht zur Vorlage der Löschungsunterlagen ist der Beklagte zu 1) nicht rechtzeitig nachgekommen. Dass er alles Erforderliche getan hat, um an die Unterlagen, insbesondere den Grundschuldbrief bzw. den Ausschließungsbeschluss zu kommen, insbesondere den Notar mit der Einholung der Löschungsunterlagen beauftragt hat, genügt zur Pflichterfüllung nicht. Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet, welchen Inhalt die Pflicht des Verkäufers zur Vorlage der für die Lastenfreistellung erforderlichen Unterlagen hat.
Nach einer Ansicht handelt es sich um eine Bemühenspflicht. Es soll zur Pflichterfüllung genügen, dass der Verkäufer nach Vertragsschluss alles tut, um eine Vorlage der zur Lastenfreistellung erforderlichen Unterlagen möglichst zeitnah - unverzüglich - herbeizuführen. Die Gegenansicht nimmt eine Erfolgspflicht an. Der Verkäufer schulde als Erfolg die Vorlage der erforderlichen Unterlagen bei dem abwickelnden Notar. Schließlich wird auch vertreten, dass den Verkäufer zunächst nur eine Bemühenspflicht dahin treffe, den abwickelnden Notar über die Kontaktdaten der Gläubiger der Lasten zu informieren. Erst wenn für den Verkäufer ersichtlich werde, dass das Einholen der Unterlagen durch den Notar nicht zum Erfolg führe, müsse er selbst tätig werden und hafte im Sinne einer Erfolgspflicht gegenüber dem Käufer. Richtig ist die zweitgenannte Ansicht. Hängt die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon ab, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt hat (sog. Direktzahlungsmodell), müssen die Löschungsunterlagen dem Notar in angemessener Frist vorgelegt werden; da es sich um eine erfolgsbezogene Pflicht handelt, genügt es nicht, wenn der Verkäufer zwar alles tut, um die Vorlage der Unterlagen herbeizuführen, diese aber gleichwohl unterbleibt.
Gleichwohl scheidet ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) aus. Gem. § 286 Abs. 4 BGB gerät ein Schuldner nicht in Schuldnerverzug, wenn er die verzögerte Leistung - hier die Vorlage der Löschungsunterlagen - nicht zu vertreten hat. Davon geht das OLG zu Recht aus. Nach Auffassung des Senats greift § 278 BGB im vorliegenden Zusammenhang nicht ein. Muss der Verkäufer eines Grundstücks die Lastenfreistellung sicherstellen, hat er es nicht zu vertreten, wenn die Löschungsunterlagen (hier: Grundschuldbrief) infolge eines Verschuldens des zur Löschung verpflichteten Grundpfandgläubigers nicht vorgelegt werden können. Der Grundpfandgläubiger ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.
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Der Beklagte zu 1) verkaufte mit notariellem Vertrag vom 12.8.2019 an die Klägerin mehrere Wohnungs- und Teileigentumseinheiten zu einem Kaufpreis von 2,1 Mio. €. Zum Zeitpunkt der von dem Streithelfer des Beklagten zu 1) vorgenommenen notariellen Beurkundung war im Grundbuch eine nicht mehr valutierende Briefgrundschuld über 700.000 DM für die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2) eingetragen, die von der Klägerin nicht übernommen werden sollte. In dem Vertrag ist geregelt, dass die Fälligkeit des Kaufpreises u.a. davon abhängig ist, dass eine Mitteilung des Notars von der "Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten" vorliegt. Bei Fälligkeit des Kaufpreises sind die nicht übernommenen Lasten abzulösen. Mit der Einholung der Löschungsunterlagen und Herbeiführung der Löschung wird der Notar beauftragt.
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