04.11.2025

Dressur statt Springreiten: Schadensersatz wegen Besamung einer Stute mit Samen von falschem Hengst

Fordert der Geschädigte entgangenen Gewinn, enthält § 252 BGB eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, wonach der Geschädigte nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Die Erleichterungen der § 252 BGB, § 287 ZPO ändern nichts daran, dass es im Rahmen der notwendigen Prognose des entgangenen Gewinns i.S.d. § 252 Satz 2 BGB konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss.

BGH v. 14.10.2025 - VI ZR 14/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt den beklagten Tierarzt nach der Besamung ihrer Stute auf Schadensersatz in Anspruch. Die Mutter der Klägerin beauftragte den Beklagten mit der Besamung der Stute der Klägerin mit dem Samen von Hengst B, einem Springpferdevererber. Die Klägerin hatte zuvor bereits durch einen anderen Tierarzt zweimal erfolglos versucht, ihre Stute mit dem Samen von B besamen zu lassen. Der von der Klägerin bestellte Samen von B wurde dem Beklagten übersandt. Der Beklagte hatte am Tag der Besamung, am 9.6.2018, auch Samen von Dressurhengst S bei sich. Der Beklagte empfahl der Klägerin nach der Besamung, erneut Samen von B zu bestellen.

Die Stute der Klägerin gebar am 22.5.2019 ein Hengstfohlen, das vom Hengst S abstammt. Ein von der Klägerin beauftragter Sachverständiger, für dessen Gutachten sie rd. 1.100 € bezahlte, kam zu dem Ergebnis, ein Fohlen von S habe im Vergleich zu einem Fohlen von B einen Minderwert von 2.500 €. Um das Fohlen beim Zuchtverband anmelden zu können, musste die Klägerin an das Gestüt W eine Decktaxe von 1.200 € bezahlen. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht ihrer Mutter Schadensersatz i.H.v. rd. 4.800 € (1.200 € Decktaxe, 2.500 € Wertdifferenz, 1.100 € Sachverständigenkosten sowie Kosten der nochmaligen Samenbeschaffung), außerdem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen. 

Das AG gab der Klage teilweise statt, verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Decktaxe nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen und wies die Klage im Übrigen ab. Die Berufung der Klägerin, sowie die Anschlussberufung des Beklagten hatten vor dem LG keinen Erfolg. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH ebenfalls erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht der Mutter weder die geforderte Wertdifferenz noch den von der Revision geltend gemachten Mindestschaden und auch nicht die geforderten Sachverständigenkosten ersetzt verlangen. Es ist revisionsrechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, dass das LG einen Anspruch der Klägerin auf entgangenen Gewinn nach § 249 Abs. 1, § 252 BGB verneint hat.

Fordert der Geschädigte entgangenen Gewinn, enthält § 252 BGB eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, wonach der Geschädigte nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung der § 252 BGB, § 287 ZPO auch die Darlegungslast derjenigen Partei, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, mindert, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Die Erleichterungen der § 252 BGB, § 287 ZPO ändern aber nichts daran, dass es im Rahmen der notwendigen Prognose des entgangenen Gewinns i.S.d. § 252 Satz 2 BGB konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss. Das LG hat das Vorliegen solcher tragfähigen Anknüpfungspunkte im Streitfall verneint. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden.

Das LG hat ausgeführt, das Produkt der Fortpflanzung zweier Lebewesen - hier zweier Pferde - unterliege derart vielen nicht vorhersehbaren Unsicherheiten, dass sich letztlich nicht prognostizieren lasse, welche Entwicklung ein Fohlen der Stute genommen hätte, wenn die Besamung durch B statt durch S erfolgt wäre. Es sei nicht vorauszusehen, ob sich Fehlbildungen gezeigt hätten oder ob es im schlimmsten Fall zu einer Totgeburt gekommen wäre. Zwar gebe es gerade in der Pferdezucht züchterische Erfahrungssätze zu unterschiedlich optimistischen Hoffnungen und Erwartungen hinsichtlich der Qualität des ungeborenen Tieres. Die Beurteilung eines potenziell aus der Anpaarung der Stute der Klägerin mit dem Hengst B hervorgehenden Fohlens bleibe aber spekulativ. Erschwerend komme hinzu, dass die Stute der Klägerin keine Zuchtstute gewesen sei, die bereits mehrere Nachkommen hervorgebracht habe, und deshalb keine allgemeinen Erfahrungswerte über die Qualität von ihr hervorgebrachter Fohlen existierten. Zudem handele es sich bei B und S um ähnlich qualitätsvolle, im Dressur- bzw. Springsport erfolgreiche Zuchthengste.

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Ebert in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
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