03.12.2025

Dringlichkeitswiderlegung durch Ausschöpfen der Berufungsbegründungsfrist im Eilverfahren

Schöpft der Prozessbevollmächtigte eines Klägers im Eilverfahren die Berufungsbegründungsfrist vollständig aus, kann dies die Dringlichkeit des Antrags widerlegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn kein Sachverhalt dargelegt wird, der die Fristausschöpfung nachvollziehbar erscheinen lässt.

OLG Frankfurt a.M. v. 3.11.2025 - 3 U 97/25
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind in der Fitnessbranche tätig. Im Rahmen eines Webinars am 11.7.2025 äußerte sich der Beklagte u.a. über sein eigenes Unternehmen und sein Verhältnis zum Kläger. Dabei erklärte der Beklagte nach einer Vorstellung seiner neuen Geschäftspartner zu der beendeten Zusammenarbeit mit dem Kläger u.a., dass er das Verhalten des Klägers als "kriminell" empfinde. 

Das LG wies den hinsichtlich dieser Aussage im Eilverfahren durch den Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch zurück. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Es konnte vorliegend offen bleiben, ob dem Kläger der Sache nach ein Anspruch auf Unterlassung zusteht. Der Kläger hat diesen Anspruch jedenfalls nicht mit der für ein Eilverfahren gebotenen Dringlichkeit verfolgt. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, ist ihr gesamtes prozessuales und vorprozessuales Verhalten in den Blick zu nehmen.

Hier hat der Kläger das Berufungsverfahren "zögerlich" betrieben. Er hat zwar den zurückweisenden Beschluss des LG zwar zeitnah innerhalb von acht Tagen angegriffen. Er hat aber noch ganze sieben Wochen mit der Erstellung bzw. der Einreichung der Berufungsbegründung zugewartet. Zwar ist es prozessual grundsätzlich nicht zu beanstanden, eine Frist - wie hier - nahezu vollständig auszuschöpfen. Die Frage, innerhalb welcher prozessualen Fristen ein Rechtsmittel eingelegt und begründet werden muss, ist jedoch von der Frage zu trennen, innerhalb welcher Zeit ein Kläger im Verfügungsverfahren tätig werden muss, um nicht durch sein eigenes Verhalten die Vermutung der Dringlichkeit zu widerlegen. Beides hat unmittelbar nichts miteinander zu tun.

Der Kläger hat hier jegliche Grenzen in Bezug auf Verfahrensverzögerungen, die schädlich zur Bejahung der besonderen Eilbedürftigkeit sind, überschritten. Das Eilverfahren kennzeichnet seine besondere Eilbedürftigkeit. Deshalb kann eine entsprechende Priorisierung gegenüber jeglichen sonstigen Aufgaben und Angelegenheiten von allen Verfahrensbeteiligten erwartet werden. Dieser Erwartung hat das Vorgehen des Prozessbevollmächtigten hier nicht entsprochen. 

Es ist dabei zu berücksichtigen, dass das vorliegende Verfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies. Mit 100 Seiten war der Aktenumfang eher unterdurchschnittlich und vom Sachverhalt her überschaubar. Mit sechs Seiten war auch das erstinstanzliche Urteil ausgesprochen kurz. Die Hauptargumentation des Klägers findet sich zudem bereits in der Antragsschrift. Allein der Verweis des Prozessbevollmächtigten auf Arbeitsüberlastung, Koordination von Mandanten und sorgfältige Prüfung rechtlicher Argumente genügt nicht. Es fehlt an einer nachvollziehbaren Darstellung, warum die Erstellung der Berufungsbegründung hier sieben Wochen gedauert hat.

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Aufsatz
Die Selbstwiderlegung durch Ausnutzung einer verlängerten Berufungsbegründungsfrist im Eilverfahren
Hannes Palmen, MDR 2025, 1511
MDR0085636

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 69 vom 1.12.2025