Eigenbedarfskündigung: Keine Kündigungssperrfrist bei Erwerb durch eine Personenhandelsgesellschaft
BGH v. 6.8.2025 - VIII ZR 161/24
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind seit 2004 Mieter einer Wohnung in einem Mehrparteienhaus in München. Zum Jahreswechsel 2011/2012 hatte eine GmbH & Co. KG (Ersterwerberin) das Eigentum am gesamten Anwesen erworben. Sie teilte mittels notarieller Erklärung vom 20.6.2012 das Eigentum an dem Hausgrundstück gem. § 8 WEG in Wohnungseigentum auf; die Vollziehung im Grundbuch erfolgte am 4.4.2013. Mit notariellem Kaufvertrag vom 23.2.2016 veräußerte die Ersterwerberin die den Beklagten vermietete Wohnung an die Kläger. Diese wurden am 8.3.2017 im Grundbuch eingetragen.
Am 2.9.2022 erklärten die Kläger gegenüber den Beklagten die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum 31.3.2023. Die Beklagten weigerten sich, die Wohnung zu räumen und waren der Ansicht, dass im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Kündigungssperrfrist gemäß der Vorschrift des § 577a Abs. 1, 2 BGB noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Das AG hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Das Berufungsdurteil hat - jedenfalls im Ergebnis - rechtsfehlerfrei angenommen, dass im Streitfall die Begründung von Wohnungseigentum an den vermieteten Wohnräumen und dessen Veräußerung an die Kläger nicht nachfolgend zu einem Erwerb durch eine Personengesellschaft i.S.d. § 577a Abs. 1a BGB stattfanden und dass deshalb der von § 577a Abs. 1 BGB angeordnete Beginn der (hier zehnjährigen) Kündigungssperrfrist mit dem Eigentumserwerb der Kläger im März 2017 - und nicht gem. § 577a Abs. 1a, 2a BGB der Zeitpunkt der Veräußerung des ungeteilten Hausgrundstücks an die GmbH & Co. KG Anfang 2012 - maßgeblich war.
Dabei war es allerdings - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - unerheblich, dass die Kläger als Erwerber des Wohnungseigentums nicht auch Gesellschafter der Ersterwerberin (gewesen) sind. Denn die durch die Vorschrift des § 577a Abs. 2a BGB angeordnete Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Veräußerung an die Gesellschaft i.S.v. § 577a Abs. 1a BGB hängt nicht davon ab, dass der der anschließenden Begründung von Wohnungseigentum nachfolgende (erstmalige) Erwerb des Wohnungseigentums gerade durch einen Gesellschafter erfolgt. Aus dem Wortlaut ergibt sich ein solches Erfordernis ebenso wenig wie aus der Systematik und dem vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 577a Abs. 1a, 2a BGB verfolgten Zweck. Die GmbH & Co. KG, die das ungeteilte Hausgrundstück erworben hatte, gehörte jedoch - wie das LG richtig gesehen hat - nicht zu dem in der Vorschrift des § 577a Abs. 1a BGB genannten Erwerberkreis. Denn sie war keine "Personengesellschaft" i.S.d. vorbezeichneten Vorschrift. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.
Insofern ist § 577a Abs. 1a, 2a BGB entgegen der Ansicht der Revision und des überwiegenden Teils des mietrechtlichen Schrifttums nicht dahingehend auszulegen, dass auch die Veräußerung des vermieteten Wohnraums an Personenhandelsgesellschaften - wie hier eine GmbH & Co. KG - unter den Tatbestand fällt. Der Gesetzgeber wollte mit der Ergänzung der in § 577a Abs. 1, 2 BGB für Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB vorgesehenen zeitlichen Kündigungssperre um den in Rede stehenden Abs. 1a ausweislich der Gesetzesmaterialien die in der Praxis aufgetretene Umgehung des Kündigungsschutzes insbesondere nach dem sog. "Münchener Modell" unterbinden.
Während der Vermieter, der im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Umwandlung der vermieteten Wohnräume in Wohnungseigentum deren Veräußerung beabsichtigt, durch § 573 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 3 BGB an einer Verwertungskündigung gehindert ist, wäre dem Ersterwerber des umgewandelten Wohnraums ohne die Einbeziehung der Verwertungskündigung in die Kündigungssperrfrist eine solche Kündigung möglich gewesen. Der Gesetzgeber hat diese Schutzlücke schließen und dem Mieter umgewandelten Wohnraums gegen Kündigungen des Erwerbers wegen Veräußerungsabsichten den gleichen Schutz wie gegen Eigenbedarfskündigungen gewähren wollen. Der zeitlich befristete Ausschluss einer Verwertungskündigung sichert somit den Kündigungsschutz des Mieters im Zusammenhang mit der Umwandlung vermieteter Wohnungen in Eigentumswohnungen ab.
Wie der Senat bereits entschieden hat, hat sich an dieser Schutzrichtung durch die Zusammenführung der Sperrfristregelungen in § 577a BGB durch das Mietrechtsreformgesetz nichts geändert. Infolgedessen war die für eine Eigenbedarfskündigung des Mietverhältnisses seitens der Kläger maßgebliche zehnjährige Kündigungssperrfrist im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 2.9.2022 noch nicht abgelaufen gewesen.
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Die Beklagten sind seit 2004 Mieter einer Wohnung in einem Mehrparteienhaus in München. Zum Jahreswechsel 2011/2012 hatte eine GmbH & Co. KG (Ersterwerberin) das Eigentum am gesamten Anwesen erworben. Sie teilte mittels notarieller Erklärung vom 20.6.2012 das Eigentum an dem Hausgrundstück gem. § 8 WEG in Wohnungseigentum auf; die Vollziehung im Grundbuch erfolgte am 4.4.2013. Mit notariellem Kaufvertrag vom 23.2.2016 veräußerte die Ersterwerberin die den Beklagten vermietete Wohnung an die Kläger. Diese wurden am 8.3.2017 im Grundbuch eingetragen.
Am 2.9.2022 erklärten die Kläger gegenüber den Beklagten die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum 31.3.2023. Die Beklagten weigerten sich, die Wohnung zu räumen und waren der Ansicht, dass im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Kündigungssperrfrist gemäß der Vorschrift des § 577a Abs. 1, 2 BGB noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Das AG hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Das Berufungsdurteil hat - jedenfalls im Ergebnis - rechtsfehlerfrei angenommen, dass im Streitfall die Begründung von Wohnungseigentum an den vermieteten Wohnräumen und dessen Veräußerung an die Kläger nicht nachfolgend zu einem Erwerb durch eine Personengesellschaft i.S.d. § 577a Abs. 1a BGB stattfanden und dass deshalb der von § 577a Abs. 1 BGB angeordnete Beginn der (hier zehnjährigen) Kündigungssperrfrist mit dem Eigentumserwerb der Kläger im März 2017 - und nicht gem. § 577a Abs. 1a, 2a BGB der Zeitpunkt der Veräußerung des ungeteilten Hausgrundstücks an die GmbH & Co. KG Anfang 2012 - maßgeblich war.
Dabei war es allerdings - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - unerheblich, dass die Kläger als Erwerber des Wohnungseigentums nicht auch Gesellschafter der Ersterwerberin (gewesen) sind. Denn die durch die Vorschrift des § 577a Abs. 2a BGB angeordnete Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Veräußerung an die Gesellschaft i.S.v. § 577a Abs. 1a BGB hängt nicht davon ab, dass der der anschließenden Begründung von Wohnungseigentum nachfolgende (erstmalige) Erwerb des Wohnungseigentums gerade durch einen Gesellschafter erfolgt. Aus dem Wortlaut ergibt sich ein solches Erfordernis ebenso wenig wie aus der Systematik und dem vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 577a Abs. 1a, 2a BGB verfolgten Zweck. Die GmbH & Co. KG, die das ungeteilte Hausgrundstück erworben hatte, gehörte jedoch - wie das LG richtig gesehen hat - nicht zu dem in der Vorschrift des § 577a Abs. 1a BGB genannten Erwerberkreis. Denn sie war keine "Personengesellschaft" i.S.d. vorbezeichneten Vorschrift. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.
Insofern ist § 577a Abs. 1a, 2a BGB entgegen der Ansicht der Revision und des überwiegenden Teils des mietrechtlichen Schrifttums nicht dahingehend auszulegen, dass auch die Veräußerung des vermieteten Wohnraums an Personenhandelsgesellschaften - wie hier eine GmbH & Co. KG - unter den Tatbestand fällt. Der Gesetzgeber wollte mit der Ergänzung der in § 577a Abs. 1, 2 BGB für Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB vorgesehenen zeitlichen Kündigungssperre um den in Rede stehenden Abs. 1a ausweislich der Gesetzesmaterialien die in der Praxis aufgetretene Umgehung des Kündigungsschutzes insbesondere nach dem sog. "Münchener Modell" unterbinden.
Während der Vermieter, der im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Umwandlung der vermieteten Wohnräume in Wohnungseigentum deren Veräußerung beabsichtigt, durch § 573 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 3 BGB an einer Verwertungskündigung gehindert ist, wäre dem Ersterwerber des umgewandelten Wohnraums ohne die Einbeziehung der Verwertungskündigung in die Kündigungssperrfrist eine solche Kündigung möglich gewesen. Der Gesetzgeber hat diese Schutzlücke schließen und dem Mieter umgewandelten Wohnraums gegen Kündigungen des Erwerbers wegen Veräußerungsabsichten den gleichen Schutz wie gegen Eigenbedarfskündigungen gewähren wollen. Der zeitlich befristete Ausschluss einer Verwertungskündigung sichert somit den Kündigungsschutz des Mieters im Zusammenhang mit der Umwandlung vermieteter Wohnungen in Eigentumswohnungen ab.
Wie der Senat bereits entschieden hat, hat sich an dieser Schutzrichtung durch die Zusammenführung der Sperrfristregelungen in § 577a BGB durch das Mietrechtsreformgesetz nichts geändert. Infolgedessen war die für eine Eigenbedarfskündigung des Mietverhältnisses seitens der Kläger maßgebliche zehnjährige Kündigungssperrfrist im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 2.9.2022 noch nicht abgelaufen gewesen.
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