28.10.2025

Eigentlich richtige Widerrufsbelehrung kann in der Gesamtschau trotzdem fehlerhaft werden

Selbst wenn ein Makler eine Widerrufsbelehrung zunächst auf einem Online-Portal bzw. auf seiner Webseite richtig formuliert, kann dies die Belehrung in der Gesamtschau fehlerhaft machen, wenn er sich danach von seinem Kunden bestätigen lässt, dass dieser ihn auffordere, vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrust für ihn tätig zu werden und er zur Kenntnis genommen habe, dass er dadurch sein Widerrufsrecht verliere.

OLG Brandenburg v. 20.8.2025 - 7 U 77/24
Der Sachverhalt:
Am 12.09.2022 hatte die Klägerin den Beklagten über ein Online-Immobilien-Portal kontaktiert. Zwei Tage später schickte der Beklagte der Klägerin eine E-Mail mit dem Betreff: "Formular Anfrage: Bestätigung der akzeptierten Vereinbarungen", in der u.a. stand:

"Folgende Vereinbarungen wurden von Ihnen akzeptiert:

    Ich habe den ... (Firma 01) Provisionshinweis zur Kenntnis genommen und werde im Fall, dass ich diese Immobilie erwerbe, an die ... (Firma 01) eine Käufer-Provision i.H.v. 3,57 % bezahlen

    [...]

    Ich habe die Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen

    Ich fordere die ... (Firma 01) auf, schon vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist auf, für mich tätig zu werden und habe zur Kenntnis genommen, dass ich damit mein Widerrufsrecht verliere."


Am 14.10.2022 unterzeichneten die Klägerin und der Drittwiderbeklagte zu demselben Objekt eine Nachweis- / Provisionsbestätigung. Mit der dem Beklagten am 11.9.2023 zugestellten Klageschrift haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte die Anfechtung der Provisionsvereinbarung wegen behaupteter Täuschung über wesentliche Eigenschaften des Kaufobjekts erklärt. Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Provisionsrückzahlung i.H.v. 37.128 € letztlich auch auf den Widerruf gestützt. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und widerklagend festzustellen, dass dem Drittwiderbeklagten keine Ansprüche gegen ihn aus der Provisionsvereinbarung über den Ankauf des Grundstücks ... (Adresse 01) zustehen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Es war der Ansicht, dass nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin bei Abschluss des Maklervertrages getäuscht worden sei. Ein Rückzahlungsanspruch infolge des Widerrufs scheide aus, da dieser erst am 30.4.2024 erklärt worden und gem. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen sei. Insofern stünden auch dem Drittwiderbeklagten keine Ansprüche gegen den Beklagten zu.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin war vor dem OLG überwiegend erfolgreich.

Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Rückzahlungsanspruch i.H.v. 37.128 € gem. §§ 355 Abs. 1, 357 BGB zu. Die Klägerin hat ein Widerrufsrecht gem. §§ 312g Abs. 1, 356 Abs. 1 ZPO, denn bei dem hier vereinbarten Maklervertrag handelte es sich um einen Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312c BGB. Er war schließlich durch Nutzung einer Online-Plattform zustande gekommen.

Die Klägerin hatte den Widerruf mit der Klageschrift erklärt. Hierfür reicht es nach BGH-Rechtsprechung aus, dass der Verbraucher zum Ausdruck bringt, nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden zu sein. Dies hat die Klägerin hier unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, indem sie die Anfechtung des Maklervertrags wegen arglistiger Täuschung erklärt hatte.

Infolgedessen war die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift am 11.9.2023) nicht abgelaufen. Sie hatte nicht zu laufen begonnen, § 356 Abs. 3 S. 1 BGB, denn die Klägerin war nicht in der gebotenen Klarheit ordnungsgemäß den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB belehrt worden. Selbst angenommen, dass die Klägerin über die Plattform und über die Website des Beklagten hinsichtlich ihres Widerrufsrechts korrekt belehrt worden war, änderte dies nichts daran, dass die Belehrung in der Gesamtschau wegen der eingereichten Bestätigung fehlerhaft war. Die in der unmittelbaren Bestätigung enthaltene Belehrung über die Folgen der Aufforderung, sofort mit der Vertragserfüllung zu beginnen, war falsch.

Die gesetzlichen Vorschriften zur Information über das Widerrufsrecht bezwecken den Schutz des Verbrauchers. Dieser Schutz erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung. Dem tragen die bei der Belehrung von Gesetzes wegen zu beachtenden Formvorschriften und inhaltlichen Anforderungen Rechnung. Die hier vorliegende Formulierung weicht jedoch erheblich von der gesetzlichen Regelung des § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB ab. Der Verbraucher verliert nämlich nicht schon das ihm zustehende Widerrufsrecht, indem er den Unternehmer auffordert, vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist für ihn tätig zu werden. Gem. § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB erlischt das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht vielmehr erst, wenn der Unternehmer die Dienstleistung, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, erbracht hat und die übrigen Voraussetzungen der Norm vorliegen.

Die Feststellungsklage war begründet. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Provision steht dem Drittwiderbeklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, da er nicht Vertragspartner der Provisionsvereinbarung war.

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