25.08.2025

Erbengemeinschaft in der Zwangsvollstreckung: Wann ist der Titel hinreichend bestimmt?

Klagt ein Miterbe Nachlassforderungen in gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 2039 BGB auf Leistung an die "Erbengemeinschaft" ein, ist das Urteil nur dann hinreichend bestimmt und damit zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn sich aus dem Urteilstenor alle Mitglieder der Erbengemeinschaft als Gläubiger zur gesamten Hand ergeben. Die Bezeichnung "Erbengemeinschaft nach dem Tod von ..." genügt nicht.

LG Lübeck v. 13.8.2025 - 7 T 329/25
Der Sachverhalt:
Die Gläubiger wenden sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Versagung eines Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

Vor dem LG obsiegte Herr ... mit seiner Klage gegen mehrere Beklagte. Die Verurteilung lautete auf Zahlung bzw. Herausgabe an den Kläger. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens verstarb Herr ... In den laufenden Rechtsstreit sind die Gläubiger eingetreten.

Das OLG hat den verstorbenen Herrn ... als Kläger zu 1) und die beiden Gläubiger als Kläger zu 2) und zu 3) bezeichnet. Die Berufung wies das OLG zurück mit der Maßgabe, dass die Beklagten jeweils zur Zahlung nicht an den - verstorbenen - Kläger zu 1), sondern "an die ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem am ... verstorbenen Kläger zu 1) (...) verurteilt werden."

In den Urteilsgründen wurden beide Gläubiger als Erben des Klägers zu 1) bezeichnet. Unter Nr. II 3. a) heißt es, dass den "Klägern" gegen den Beklagten zu 1) ein Anspruch zustehe. Im letzten Absatz zu a) wird dann ausgeführt, dass die Zahlung gemäß § 2039 BGB an die ungeteilte Erbengemeinschaft zu erfolgen habe. Denn "der Miterbe (hier die Kläger zu 2 und 3)", der einen Aktivprozess fortführe, habe die Rechte der anderen Miterben zu berücksichtigen und könne gemäß § 2039 S. 1 BGB Leistung nicht an sich, sondern nur an alle Miterben verlangen.

Das AG wies den Antrag der Gläubiger auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück. Es sei nicht zweifelsfrei erkennbar, wer Inhaber des tenorierten Zahlungsanspruches sei.

Die sofortige Beschwerde der Gläubiger hatte vor dem LG keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.

Die Gründe:
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Dem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann nicht entsprochen werden. Der Titel, aus dem die Gläubiger die Zwangsvollstreckung in der Form eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses begehren, ist nicht hinreichend bestimmt. Denn er bezeichnet keinen Rechtsträger bzw. Rechtsinhaber, dem gegenüber die Forderung zu erfüllen ist.

Nicht unklar ist, dass die Gläubiger Parteien des Rechtsstreits im Verlaufe des Berufungsverfahrens vor dem Hanseatischen Oberlandesgerichts geworden sind.

Unbestimmt ist der Titel jedoch insoweit, als es um die Bezeichnung des Rechtsträgers bzw. Rechtsinhabers geht, demgegenüber die ausgeurteilten Verpflichtungen zu erfüllen sind. Das OLG hat nicht zur Erfüllung (Zahlung, Herausgabe) an die Gläubiger als Kläger zu 2) und 3) verurteilt, sondern "an die ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem am ... verstorbenen Kläger zu 1) (...)". Eine Auslegung des Urteils des OLG ergibt nicht, dass die Gläubiger (Kläger zu 2) und 3)) die alleinigen Erben des Klägers zu 1) sind, und ergibt auch nicht, dass die ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem Kläger zu 1) allein aus den Gläubigern (Kläger zu 2) und 3)) besteht. Zwar formuliert das Urteil des OLG unter Nr. II 3. a), dass den "Klägern" gegen den Beklagten zu 1) ein Anspruch zustehe. Im letzten Absatz zu a) heißt es dann aber, dass die Zahlung gemäß § 2039 BGB an die ungeteilte Erbengemeinschaft zu erfolgen habe. Denn "der Miterbe (hier die Kläger zu 2 und 3)", der einen Aktivprozess fortführe, habe die Rechte der anderen Miterben zu berücksichtigen und könne gemäß § 2039 S. 1 BGB Leistung nicht an sich, sondern nur an alle Miterben verlangen. Zudem haben die Gläubiger im Verlaufe des Zwangsvollstreckungsverfahrens bestätigt, dass gegenwärtig eine rechtssichere Angabe der Mitglieder der Erbengemeinschaft nicht möglich sei.

Es bestehen allerdings keine Bedenken an der Berechtigung der Gläubiger, Forderungen für eine "ungeteilte Erbengemeinschaft" einzuklagen und nach Erhalt eines Zwangsvollstreckungstitels die Zwangsvollstreckung zu betreiben - diese folgt aus § 2039 BGB.

Von dieser Berechtigung ist indes die inhaltliche Bestimmtheit des Zwangsvollstreckungstitels zu unterscheiden. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Angabe in dem Tenor des Urteils des OLG "an die ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem am ... verstorbenen Kläger zu 1) (...)" genügt für eine Bezeichnung, an welchen Rechtsträger bzw. Rechtsinhaber die ausgeurteilten Verpflichtungen zu erfüllen sind, nicht.

Das Urteil des OLG benennt indes keinen Rechtsträger bzw. Rechtsinhaber. Denn eine ungeteilte Erbengemeinschaft ist nicht rechtsfähig.

Auch lediglich eine Pfändung (§ 829 ZPO) oder eine Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages kommt nicht in Betracht. Denn (allgemeine) Voraussetzung für eine Vollstreckung ist, dass der Zwangsvollstreckungstitel hinreichend bestimmt ist.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen (§ 574 ZPO). Denn die Frage, ob und inwieweit die Bezeichnung der Erbengemeinschaft im Urteilstenor im Falle einer gesetzlichen Prozessstandschaft durch Mitglieder der Erbengemeinschaft die Bezeichnung aller Mitglieder der Erbengemeinschaft in ihrer Eigenschaft als Gesamthandsgläubiger geboten ist, hat rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

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