Erbrecht: Formulierung "die es besonders gut konnte mit dem Sohn" ist zu unbestimmt
OLG Karlsruhe v. 10.7.2025, 14 W 36/24 (Wx)
Der Sachverhalt:
Der Erblasser verstarb am 12.11.1996, seine Ehefrau war vorverstorben. Die Ehe blieb kinderlos. Die Ehefrau des Erblassers hatte einen nichtehelichen Sohn in die Ehe gebracht, der den Familiennamen des Erblassers annahm. Die Eheleute hatten bereits 1970 ein Berliner Testament handschriftlich verfasst und den Stiefsohn als Alleinerben eingesetzt. In einem nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 1994 verfassten Einzeltestament wurde der Sohn erneut bedacht. Dieser sollte gut versorgt werden, Kost und Wäsche erhalten sowie sein eigenes Zimmer behalten. Nach dessen Tod sollte dann wiederum die Person erben, "die es besonders gut konnte" mit ihm. Eine bestimmte Person wurde nicht benannt.
Die B. war ab 1996 gesetzliche Betreuerin des Sohnes. Der Testamentsvollstrecker hatte die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der den Sohn als Alleinerben ausweisen sollte. Am 30.5.1997 wurde der Erbschein antragsgemäß erteilt. Am 14.12.2022 verstarb der Sohn. Am 31.5.2023 beantragte die B. die Erteilung eines Erbscheins auf das Ableben des Erblassers, wonach sie mit Blick auf das Testament aus dem Jahr 1994 aufgrund des Eintritts des Nacherbfalls (Ableben des Vorerben) Alleinerbin geworden sei. Sie sei diejenige Person, "die es besonders gut konnte" mit dem Sohn.
Das Nachlassgericht hat den Erbschein vom 30.5.1997 für weiterhin gültig erklärt. Die B. war der Ansicht, die Einsetzung des Sohnes als Schlusserbe im gemeinschaftlichen Testament aus 1970 sei nicht wechselbezüglich, verstoße jedenfalls nicht gegen eine aus dem früheren Testament resultierende Bindungswirkung. Das OLG hat die Beschwerde der B. zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die B. ist nicht aufgrund des Testaments aus 1994 Nacherbin nach dem Erblasser geworden. Die von den Beteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob einer solchen Nacherbeneinsetzung nicht ohnehin die aus dem gemeinschaftlichen Testament aus 1970 resultierende Bindungswirkung entgegenstünde, bedurfte daher keiner Entscheidung.
Gem. § 2065 Abs.1 BGB kann der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten solle oder nicht. Gem. § 2065 Abs. 2 BGB kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht wirksam einem anderen überlassen. § 2065 BGB enthält damit den Grundsatz, dass sich der Erblasser, der abweichend von der gesetzlichen Erbfolge testieren will, selbst über den Inhalt aller wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung schlüssig werden muss. Danach muss der Erblasser den Bedachten zwar nicht individuell bestimmt bezeichnen; er muss ihn aber so genau bezeichnen, dass der Bedachte - erforderlichenfalls unter Zuhilfenahme gesetzlicher Auslegungsregeln - ermittelt werden kann.
Erforderlich ist, dass der Bedachte im Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien bezeichnet werden kann. Wenn der Wortlaut der Verfügung von Todes wegen indes so unbestimmt ist, dass auf Grund der Unbestimmtheit der Kriterien eine Auslegung auch unter Berücksichtigung des sonstigen Inhalts des Testaments und von Umständen außerhalb des Testaments ergebnislos bleibt, führt dies zur Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung gem. § 2065 Abs. 2 BGB.
Infolgedessen hatte der Erblasser hier durch das Testament aus dem Jahr 1994 keine wirksame Nacherbeneinsetzung verfügt. Die Formulierung "die es besonders gut konnte mit dem Sohn" war für sich genommen vage und unbestimmt. Sie enthielt daher keine wirksame Bestimmung eines Nacherben. Dabei bezweifelte der Senat nicht, dass sich zwischen der B. und dem Sohn über viele Jahre ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte, das über das hinausging, was im Rahmen einer "normalen" gesetzlichen Betreuung üblich sein dürfte. Andererseits änderte das Verhält nichts daran, dass die Beziehung einen professionellen Hintergrund hatte und es sich bei der B. um keine Person handelt, die mit Sohn in einer Hausgemeinschaft gelebt und ihn in seinem häuslichen Umfeld betreut hat.
Die Bestimmung eines Nacherben wäre nur über eine Wertung durch den Senat anhand eigener Kriterien möglich, die aber gem. § 2065 BGB unzulässig wäre.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Der Erblasser verstarb am 12.11.1996, seine Ehefrau war vorverstorben. Die Ehe blieb kinderlos. Die Ehefrau des Erblassers hatte einen nichtehelichen Sohn in die Ehe gebracht, der den Familiennamen des Erblassers annahm. Die Eheleute hatten bereits 1970 ein Berliner Testament handschriftlich verfasst und den Stiefsohn als Alleinerben eingesetzt. In einem nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 1994 verfassten Einzeltestament wurde der Sohn erneut bedacht. Dieser sollte gut versorgt werden, Kost und Wäsche erhalten sowie sein eigenes Zimmer behalten. Nach dessen Tod sollte dann wiederum die Person erben, "die es besonders gut konnte" mit ihm. Eine bestimmte Person wurde nicht benannt.
Die B. war ab 1996 gesetzliche Betreuerin des Sohnes. Der Testamentsvollstrecker hatte die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der den Sohn als Alleinerben ausweisen sollte. Am 30.5.1997 wurde der Erbschein antragsgemäß erteilt. Am 14.12.2022 verstarb der Sohn. Am 31.5.2023 beantragte die B. die Erteilung eines Erbscheins auf das Ableben des Erblassers, wonach sie mit Blick auf das Testament aus dem Jahr 1994 aufgrund des Eintritts des Nacherbfalls (Ableben des Vorerben) Alleinerbin geworden sei. Sie sei diejenige Person, "die es besonders gut konnte" mit dem Sohn.
Das Nachlassgericht hat den Erbschein vom 30.5.1997 für weiterhin gültig erklärt. Die B. war der Ansicht, die Einsetzung des Sohnes als Schlusserbe im gemeinschaftlichen Testament aus 1970 sei nicht wechselbezüglich, verstoße jedenfalls nicht gegen eine aus dem früheren Testament resultierende Bindungswirkung. Das OLG hat die Beschwerde der B. zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die B. ist nicht aufgrund des Testaments aus 1994 Nacherbin nach dem Erblasser geworden. Die von den Beteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob einer solchen Nacherbeneinsetzung nicht ohnehin die aus dem gemeinschaftlichen Testament aus 1970 resultierende Bindungswirkung entgegenstünde, bedurfte daher keiner Entscheidung.
Gem. § 2065 Abs.1 BGB kann der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten solle oder nicht. Gem. § 2065 Abs. 2 BGB kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht wirksam einem anderen überlassen. § 2065 BGB enthält damit den Grundsatz, dass sich der Erblasser, der abweichend von der gesetzlichen Erbfolge testieren will, selbst über den Inhalt aller wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung schlüssig werden muss. Danach muss der Erblasser den Bedachten zwar nicht individuell bestimmt bezeichnen; er muss ihn aber so genau bezeichnen, dass der Bedachte - erforderlichenfalls unter Zuhilfenahme gesetzlicher Auslegungsregeln - ermittelt werden kann.
Erforderlich ist, dass der Bedachte im Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien bezeichnet werden kann. Wenn der Wortlaut der Verfügung von Todes wegen indes so unbestimmt ist, dass auf Grund der Unbestimmtheit der Kriterien eine Auslegung auch unter Berücksichtigung des sonstigen Inhalts des Testaments und von Umständen außerhalb des Testaments ergebnislos bleibt, führt dies zur Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung gem. § 2065 Abs. 2 BGB.
Infolgedessen hatte der Erblasser hier durch das Testament aus dem Jahr 1994 keine wirksame Nacherbeneinsetzung verfügt. Die Formulierung "die es besonders gut konnte mit dem Sohn" war für sich genommen vage und unbestimmt. Sie enthielt daher keine wirksame Bestimmung eines Nacherben. Dabei bezweifelte der Senat nicht, dass sich zwischen der B. und dem Sohn über viele Jahre ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte, das über das hinausging, was im Rahmen einer "normalen" gesetzlichen Betreuung üblich sein dürfte. Andererseits änderte das Verhält nichts daran, dass die Beziehung einen professionellen Hintergrund hatte und es sich bei der B. um keine Person handelt, die mit Sohn in einer Hausgemeinschaft gelebt und ihn in seinem häuslichen Umfeld betreut hat.
Die Bestimmung eines Nacherben wäre nur über eine Wertung durch den Senat anhand eigener Kriterien möglich, die aber gem. § 2065 BGB unzulässig wäre.
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