02.02.2024

Erfolgloser Umgangswunsch von Großeltern mit ihren halbverwaisten Enkeln im Loyalitätskonflikt

Bei einem Umgangswunsch der Großeltern mit ihren halbverwaisten Enkeln besteht keine Vermutung für eine Kindeswohldienlichkeit solcher Kontakte, wenn der verbliebene (verwitwete) Elternteil diese bei konflikthafter Vorgeschichte ablehnt. Ein erneuter Erörterungstermin im Beschwerdeverfahren lässt nicht schon deshalb i.S.v. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG neue Erkenntnisse erwarten, weil er für die weiteren Beteiligten eine "Pflicht begründet, sich mit dem abweichenden Standpunkt des Beschwerdeführers auseinander zu setzen".

OLG Hamm v. 10.8.2023 - 9 UF 76/23
Der Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin war mit dem Sohn der Antragstellerin verheiratet, mit dem sie vier Kinder hat. Im Mai 2022 hatten sich die Kindeseltern getrennt und die Kinder verblieben im Haushalt der Antragsgegnerin. Noch im selben Jahr verstarb der Kindesvater.

Bis 2019 fanden zwischen der Antragstellerin und den Enkelkindern regelmäßig jeden Freitag Umgangskontakte statt. Danach verschlechterte sich das Verhältnis zu den Kindeseltern und es gab nur noch sporadische Kontakte. Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, den persönlichen Umgang mit ihren Enkelkindern in der Weise zu regeln, dass sie die Kinder an jedem ersten Wochenende im Monat von freitags 16:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr und in den beiden ersten Wochen der Sommerferien zu sich nehmen darf.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Beschwerdeverfahren bestätigt.

Die Gründe:
Großeltern haben nach § 1685 Abs. 1 BGB nur ein Umgangsrecht mit dem Enkelkind, wenn dieses dem Wohl des Kindes dient. Die Kindeswohldienlichkeit muss dabei positiv festgestellt werden. Es besteht zugunsten der Großeltern keine Vermutung der Kindeswohldienlichkeit (BGH-Beschl. v. 12.7.2017). Für die Frage, was dem Wohl des Kindes dient, kann § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB als Auslegungshilfe herangezogen werden (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.4.2017, -6 UF 20/17). Danach gehört der Umgang mit anderen Personen als den Eltern, zu denen das Kind Bindungen besitzt, zum Wohl des Kindes, wenn die Aufrechterhaltung von solchen Umgängen für seine Entwicklung förderlich ist.

Im vorliegenden Fall bestanden jedoch zumindest erhebliche Zweifel, ob überhaupt eine Bindung der Kinder zu ihrer Großmutter besteht. Auch wenn die Antragstellerin einzelne Umgangskontakte mit genauen Daten aufgeführt hatte, änderte dies nichts daran, dass es ab 2019 und damit seit vier Jahren nur noch sporadische Kontakte (zum Teil in Briefen und Päckchen) gegeben hat. Der Kindesvater hatte der Antragstellerin gegenüber sogar ein Hausverbot ausgesprochen und seine Telefonnummer gewechselt, um nicht mehr Kontakt zu seiner Mutter halten zu müssen. Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient regelmäßig nicht seinem Wohl, wenn die - einen solchen Umgang ablehnenden - Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete

Die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde konnte der Senat auch ohne erneute Durchführung der mündlichen Verhandlung oder Anhörung der Beteiligten gem. § 68 Abs. 3 FamFG zurückweisen. . Ein erneuter Erörterungstermin im Beschwerdeverfahren lässt nicht schon deshalb i.S.v. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG neue Erkenntnisse erwarten, weil er für die weiteren Beteiligten eine "Pflicht begründet, sich mit dem abweichenden Standpunkt des Beschwerdeführers auseinander zu setzen".

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Scheidung trotz trennungsbedingter schwerer Depression
OLG Brandenburg vom 6.11.2008 - 9 UF 50/08

Handbuch:
Härteklauseln, § 1568 BGB
Hauß in Krenzler/Borth, Anwalts-Handbuch Familienrecht, 2. Aufl. 2012

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