01.12.2023

Erkrankung der anwaltlich vertretenen Partei zwingt nicht grundsätzlich zur Terminsverlegung

Die Erkrankung der anwaltlich vertretenen Partei selbst - bei einer juristischen Person die ihres Vertretungsorgans - zwingt nicht zu einer Terminsverlegung, wenn nicht gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erfordern. Die Partei hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen. Erscheint die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht, ist sie nicht schon durch eine Arbeitsunfähigkeit ausreichend entschuldigt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Partei krankheitsbedingt verhandlungsunfähig ist.

BGH v. 14.9.2023 - IX ZR 219/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Gewährung eines Darlehens. Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin bestimmte das OLG Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem für die Klägerin niemand erschienen ist. Das OLG wies die Berufung mit Versäumnisurteil vom 27.10.2020 zurück.

Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Klägerin Einspruch ein. Das OLG bestimmte darauf am 17.8.2022 Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache für den 25.10.2022, erteilte verschiedene Hinweise und setzte der Klägerin Frist zur Stellungnahme bis zum 22.9.2022. Das OLG verlängerte die Stellungnahmefrist zweimal, zuletzt bis zum 10.10.2022. Einen Antrag auf weitere Verlängerung und Terminsverlegung wies das OLG zurück.

In dem Termin erschien der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, nicht aber der seinerzeit ebenfalls als Rechtsanwalt zugelassene Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte eine Vertagung und stellte keine Sachanträge. Das OLG lehnte eine Vertagung ab und verwarf den Einspruch der Klägerin durch zweites Versäumnisurteil.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Ein (zweites) Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch nicht statthaft ist, unterliegt nach § 565 Satz 1, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO der Revision insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Eine zulässige Revision setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden ist. Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. So verhält es sich im Streitfall. Das Revisionsvorbringen der Klägerin ist unschlüssig. Es ergibt nicht, dass sie den Termin vom 25.10.2022 vor dem OLG ohne Verschulden versäumt hat.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dann, wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist, die Erkrankung der Partei selbst - bei einer juristischen Person die ihres Vertretungsorgans - nicht zu einer Terminsverlegung zwingt, wenn und weil ihr Prozessbevollmächtigter zur Wahrnehmung des Termins zur Verfügung steht. Durch ihn kann die Partei ihre Rechte im Verfahren in der Regel angemessen und effektiv wahrnehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erfordern. Die Partei hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen, weshalb ihre persönliche Anwesenheit in der Verhandlung erforderlich ist. Hinreichend gewichtige Gründe ergeben sich nicht schon aus der Bedeutung, welche der Prozess für die Partei hat. Das bloße Anwesenheitsinteresse einer anwaltlich vertretenen Partei ist durch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht geschützt.

Die Klägerin hat erhebliche Gründe für eine Verlegung des Termins oder eine Vertagung der Verhandlung nicht hinreichend vorgetragen. Die Klägerin legt nicht schlüssig dar, dass eine Verlegung oder Vertagung deshalb geboten war, weil ihr Geschäftsführer gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die Klägerin zeigt weder schlüssig auf, dass ihr Geschäftsführer ohne Verschulden am Erscheinen verhindert war, noch hat sie substantiiert dargelegt, dass eine Anwesenheit ihres Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung erforderlich war. Bereits eine seine Verhandlungsunfähigkeit begründende Erkrankung ihres Geschäftsführers zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 25.10.2022 hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Erscheint die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht, ist dies nicht schon durch eine Arbeitsunfähigkeit ausreichend entschuldigt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Partei krankheitsbedingt verhandlungs-unfähig ist. Die Revision legt dies nicht schlüssig dar.

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