Erwachsenenadoption: Ausspruch trotz Wegfall der zunächst vorhandenen Geschäftsfähigkeit des Annehmenden
BGH v. 4.6.2025 - XII ZB 320/23
Der Sachverhalt:
Gegenstand des Verfahrens ist die Adoption eines Volljährigen. Der Beteiligte zu 2) (Annehmender) und die Beteiligte zu 3) (Annehmende) wurden im Jahr 1936 geboren. Aus ihrer Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Beteiligte zu 1) (Anzunehmender) wurde im Jahr 1970 geboren und ist verheiratet mit der Beteiligten zu 4).
Zu notarieller Urkunde vom 29.4.2022 haben die Beteiligten zu 1) bis 3) mit Zustimmung der Beteiligten zu 4) den Ausspruch der Adoption des Anzunehmenden durch die annehmenden Eheleute beantragt und den Urkundsnotar mit der Einreichung des Adoptionsantrages bei Gericht betraut. Nach Eingang des Adoptionsantrages am 20.5.2022 hörte der Familienrichter den annehmenden Ehemann am 25.11.2022 in dessen Wohnung an, ohne dass dabei mit ihm noch ein zielführendes Gespräch über die Adoption geführt werden konnte.
Das AG wies den Adoptionsantrag mit Beschluss vom 20.3.2023 zurück. Die Beschwerde der beiden Annehmenden und des Anzunehmenden wies das OLG mit Beschluss vom 23.6.2023 zurück. Hiergegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden der annehmenden Ehefrau und des Anzunehmenden, die den Adoptionsantrag weiterverfolgen. Mit der Rechtsbeschwerdebegründung legten sie eine Sterbeurkunde für den annehmenden Ehemann vor, wonach dieser bereits am 24.5.2023 verstorben ist. Der BGH hob den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der gegebenen Begründung konnte das OLG den Ausspruch der Annahme nicht verweigern.
Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit des Annehmenden jedenfalls im Zeitpunkt der notariell beurkundeten Antragstellung auf Ausspruch der Annahme vorgelegen haben muss. Da das OLG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der annehmende Ehemann im Beurkundungstermin am 29.4.2022 (noch) geschäftsfähig war, ist dies vorliegend zu unterstellen. Das OLG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der annehmende Ehemann jedenfalls im Zeitpunkt seiner Anhörung durch den Familienrichter am 25.11.2022 nicht mehr in der Lage war, Tragweite und Auswirkungen einer Adoption zu erkennen, seinen Willen insoweit frei zu bilden und nach den zutreffend gewonnenen Erkenntnissen zu handeln. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob es dem Ausspruch der Adoption stets entgegenstehe, wenn der Annehmende seine Geschäftsfähigkeit nach Stellung des Adoptionsantrages, aber noch vor dem Erlass der gerichtlichen Entscheidung verliert. Das ist jedoch zu verneinen.
Freilich kommt der dargestellten Streitfrage nur in Fällen der Erwachsenenadoption eine praktische Relevanz zu. Bei einer beabsichtigten Minderjährigenadoption wird beim Wegfall der Geschäftsfähigkeit des Annehmenden im Laufe des Adoptionsverfahrens ein Ausspruch der Annahme des Kindes in der Regel schon aus Gründen des Kindeswohls (§ 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht erfolgen können, weil der Annehmende, der seine Geschäftsfähigkeit verloren hat, selbst hilfebedürftig geworden ist und ihm deshalb die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes nicht mehr anvertraut und er dessen rechtliche Vertretung als Sorgeberechtigter nicht mehr übernehmen kann. Für vergleichbare Erwägungen zum Kindeswohl bleibt - unbeschadet der in § 1767 Abs. 2 BGB enthaltenen Verweisung auf § 1741 BGB - bei der Erwachsenenadoption kein Raum, weil das volljährige Kind über seinen Wunsch, ein Wahlverwandtschaftsverhältnis zu einem geschäftsunfähigen Annehmenden herzustellen, selbst entscheiden kann.
Im Übrigen wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der Wegfall der Geschäftsfähigkeit des Annehmenden im Verlauf des Adoptionsverfahrens den Ausspruch der Annahme sowohl eines minderjährigen als auch eines volljährigen Kindes schlechthin hindere. Es gelte der allgemeine Grundsatz, dass sämtliche Annahmevoraussetzungen im Zeitpunkt des Ausspruchs der Annahme vorliegen müssten, und es sei kein Grund ersichtlich, warum gerade bei der Prüfung der Geschäftsfähigkeit hiervon abgewichen werden solle. Demgegenüber steht die mittlerweile wohl überwiegende Auffassung auf dem Standpunkt, dass es jedenfalls bei der Erwachsenenadoption nicht von vornherein schädlich sei, wenn die Geschäftsfähigkeit des Annehmenden nach wirksamer Antragstellung im Laufe des Adoptionsverfahrens nachträglich wegfalle. Eine davon abweichende Sichtweise würde insbesondere zu Wertungswidersprüchen mit § 1753 Abs. 2 BGB führen, wonach selbst nach dem Tode des Annehmenden ein Ausspruch der Annahme zulässig bleibe, wenn der Adoptionsantrag entweder schon eingereicht oder der Notar mit der Weiterleitung an das Gericht beauftragt worden ist. Die letztgenannte Auffassung trifft zu.
Die angefochtene Entscheidung konnte nach alldem keinen Bestand haben. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die volle Geschäftsfähigkeit des Annehmenden im Zeitpunkt des Adoptionsantrages positiv festgestellt werden muss und die nach Erschöpfung sämtlicher Erkenntnismöglichkeiten verbleibenden Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Annehmenden dem Ausspruch der Adoption entgegenstehen. Denn bei diesem Antrag handelt es sich nicht nur um eine (amtsempfangsbedürftige) materiell-rechtliche Willenserklärung, sondern gleichzeitig auch um die verfahrenseinleitende Handlung im Annahmeverfahren.
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Gegenstand des Verfahrens ist die Adoption eines Volljährigen. Der Beteiligte zu 2) (Annehmender) und die Beteiligte zu 3) (Annehmende) wurden im Jahr 1936 geboren. Aus ihrer Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Beteiligte zu 1) (Anzunehmender) wurde im Jahr 1970 geboren und ist verheiratet mit der Beteiligten zu 4).
Zu notarieller Urkunde vom 29.4.2022 haben die Beteiligten zu 1) bis 3) mit Zustimmung der Beteiligten zu 4) den Ausspruch der Adoption des Anzunehmenden durch die annehmenden Eheleute beantragt und den Urkundsnotar mit der Einreichung des Adoptionsantrages bei Gericht betraut. Nach Eingang des Adoptionsantrages am 20.5.2022 hörte der Familienrichter den annehmenden Ehemann am 25.11.2022 in dessen Wohnung an, ohne dass dabei mit ihm noch ein zielführendes Gespräch über die Adoption geführt werden konnte.
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Die Gründe:
Mit der gegebenen Begründung konnte das OLG den Ausspruch der Annahme nicht verweigern.
Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit des Annehmenden jedenfalls im Zeitpunkt der notariell beurkundeten Antragstellung auf Ausspruch der Annahme vorgelegen haben muss. Da das OLG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der annehmende Ehemann im Beurkundungstermin am 29.4.2022 (noch) geschäftsfähig war, ist dies vorliegend zu unterstellen. Das OLG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der annehmende Ehemann jedenfalls im Zeitpunkt seiner Anhörung durch den Familienrichter am 25.11.2022 nicht mehr in der Lage war, Tragweite und Auswirkungen einer Adoption zu erkennen, seinen Willen insoweit frei zu bilden und nach den zutreffend gewonnenen Erkenntnissen zu handeln. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob es dem Ausspruch der Adoption stets entgegenstehe, wenn der Annehmende seine Geschäftsfähigkeit nach Stellung des Adoptionsantrages, aber noch vor dem Erlass der gerichtlichen Entscheidung verliert. Das ist jedoch zu verneinen.
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Im Übrigen wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der Wegfall der Geschäftsfähigkeit des Annehmenden im Verlauf des Adoptionsverfahrens den Ausspruch der Annahme sowohl eines minderjährigen als auch eines volljährigen Kindes schlechthin hindere. Es gelte der allgemeine Grundsatz, dass sämtliche Annahmevoraussetzungen im Zeitpunkt des Ausspruchs der Annahme vorliegen müssten, und es sei kein Grund ersichtlich, warum gerade bei der Prüfung der Geschäftsfähigkeit hiervon abgewichen werden solle. Demgegenüber steht die mittlerweile wohl überwiegende Auffassung auf dem Standpunkt, dass es jedenfalls bei der Erwachsenenadoption nicht von vornherein schädlich sei, wenn die Geschäftsfähigkeit des Annehmenden nach wirksamer Antragstellung im Laufe des Adoptionsverfahrens nachträglich wegfalle. Eine davon abweichende Sichtweise würde insbesondere zu Wertungswidersprüchen mit § 1753 Abs. 2 BGB führen, wonach selbst nach dem Tode des Annehmenden ein Ausspruch der Annahme zulässig bleibe, wenn der Adoptionsantrag entweder schon eingereicht oder der Notar mit der Weiterleitung an das Gericht beauftragt worden ist. Die letztgenannte Auffassung trifft zu.
Die angefochtene Entscheidung konnte nach alldem keinen Bestand haben. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die volle Geschäftsfähigkeit des Annehmenden im Zeitpunkt des Adoptionsantrages positiv festgestellt werden muss und die nach Erschöpfung sämtlicher Erkenntnismöglichkeiten verbleibenden Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Annehmenden dem Ausspruch der Adoption entgegenstehen. Denn bei diesem Antrag handelt es sich nicht nur um eine (amtsempfangsbedürftige) materiell-rechtliche Willenserklärung, sondern gleichzeitig auch um die verfahrenseinleitende Handlung im Annahmeverfahren.
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