12.08.2025

Fluggastrechte-VO stellt kein deutsches Recht i.S.d. § 1 Abs. 2 RDG dar

Bei EU-Verordnungen wie der Fluggastrechte-VO handelt es sich nicht um deutsches Recht i.S.d. § 1 Abs. 2 RDG. Auch der bloße Umstand, dass das beklagte Luftfahrtunternehmen seinen Sitz in Deutschland hat, sorgt nicht für die Anwendung des Rechtsdienstleistungsgesetzes.

AG Köln v. 14.7.2025 - 149 C 60/25
Der Sachverhalt:
Der S. hatte einen von der Beklagten durchgeführten Flug von Brüssel über München nach Palermo gebucht. Der S. kam letztlich mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden am Zielort an. Die Flugstrecke von Brüssel nach Palermo beträgt nach der Großkreismethode 1.569 km.

Die Klägerin ist ein Inkassodienstleister, der für eine Provision Ansprüche durchsetzt. Sie hat weder in Deutschland noch in der EU eine Niederlassung oder ein Büro. Die Website der Klägerin ist ausschließlich in englischer Sprache verfügbar. Sie bietet ihre Dienstleistungen ausschließlich in englischer Sprache an. Zum Zeitpunkt der streitigen Abtretung bzw. Beauftragung durch den Fluggast war sie nicht im Rechtsdienstleistungsregister registriert.

Die Klägerin forderte die Beklagte aufgrund der Verspätung des streitgegenständlichen Flugs erfolglos zur Zahlung von 400 € unter 14-tägiger Fristsetzung auf. Die Beklagte war der Ansicht, die Abtretung sei nach § 134 BGB i.V.m. §§ 3, 1 Abs. 2 RDG wegen Verstoßes gegen das RDG nichtig. Ferner bestritt sie eine wirksame Abtretung mit Nichtwissen, namentlich dass es sich bei den Unterschriften auf der vorgelegten Anlage um diejenige des jeweiligen Zedenten / Fluggastes handeln soll.

Das AG gab der Klage vollumfänglich statt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 400 € gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b), 5 Abs. 1 lit. c) der Fluggastrechte-VO i.V.m. § 398 BGB.

Die Klägerin ist Anspruchsinhaberin. Der Fluggast hatte seine Entschädigungsansprüche aus Art. 7 der Fluggastrechte-VO gem. § 398 BGB wirksam an die Klägerin abgetreten. Die behauptete Abtretung als solche hat nach Überzeugung des Gerichts stattgefunden. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. § 286 ZPO fordert den Richter hierbei auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Dies bedeutet, dass der Richter lediglich an Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf (Zöller/Greger, 34. Aufl. 2022, § 286 ZPO Rn. 13). Hierbei können auch Indiztatsachen zum Tragen kommen (Zöller/Greger, a.a.O., § 286 ZPO Rn. 9a).

Zwar hatte die Beklagtenseite - im Ausgangspunkt zulässig - mit Nichtwissen bestritten, dass es sich hierbei um die Unterschrift des Fluggasts handelte. Indes hatte die Klägerseite weitere Unterlagen zur Akte gereicht. So hat sie die - erkennbar am Flughafen ausgegebenen - Bordkarten des Fluggastes vorgelegt. Dass diese gefälscht seien, behauptete selbst die Beklagte nicht. Mit Blick darauf, dass die Klägerin nicht nur von dem streitgegenständlichen - zudem als solches unstreitigen - Geschehen wusste, sondern zusätzlich über die vorgenannten Unterlagen verfügte, hat das Gericht keine vernünftigen Zweifel daran, dass es der Fluggast selbst gewesen ist, der seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten hatte.

Der Abtretungsvertrag war nicht gem. § 134 BGB nichtig, da das Rechtsdienstleistungsgesetz gem. § 1 Abs. 2 RDG im vorliegenden Fall keine Anwendung fand. Bei EU-Verordnungen wie der Fluggastrechte-VO handelt es sich nicht um deutsches Recht i.S.d. § 1 Abs. 2 RDG. Die Klägerin machte keine deutschen Verzugszinsen oder Mahnkosten, sondern lediglich Prozesszinsen geltend. Das zur Akte gereichte Abtretungsformular ("Assignment Form") war nicht in deutscher, sondern in englischer Sprache gehalten. Insofern war kein Bezug zum Inland erkennbar. Der bloße Umstand, dass das beklagte Luftfahrtunternehmen seinen Sitz in Deutschland hat, genügte nicht.

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