27.08.2025

FluggastrechteVO ist nicht als deutsches Recht zu qualifizieren

Einerseits kann deutsches Recht als in Deutschland geltendes Recht verstanden werden. Davon wären auch Verordnungen der Europäischen Union umfasst, die nach Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV in Deutschland unmittelbar gelten. Andererseits kann es aber auch als Recht eines deutschen Gesetzgebers zu verstehen sein. In diesem Fall handelt es sich bei der FluggastrechteVO nicht um deutsches Recht.

AG Köln v. 24.7.2025 - 131 C 42/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, ein auf Fluggastrechte spezialisierter Rechtsdienstleister mit Sitz in Litauen, hatte sich vorgerichtlich erfolglos um die Geltendmachung der Ausgleichsansprüche eines französischen Fluggastes, mit wohnhaft in Frankreich, bemüht. Die Parteien haben sich hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der Abtretung auf die Anwendung deutschen Sachrechts geeinigt.

Die Klägerin war der Ansicht, die vertraglich vereinbarte Abtretung sei wirksam. Diesbezüglich behauptete sie, sie betreibe ihre Website ausschließlich aus Litauen. Der Fluggast habe die Website auf Spanisch aufgerufen. In dieser Sprache sei auch der Abtretungsvertrag verfasst. Die Beklagte meinte, die Abtretung sei mangels Eintragung der Klägerin im Rechtsdienstleistungsregister nach § 134 BGB i.V.m. §§ 3, 1 Abs. 2 RDG unwirksam.

Das AG hat dem Ausgleichsanspruch i.H.v. 600 € nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) aus abgetretenem Recht stattgegeben. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Berufung zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 600 € aus abgetretenem Recht verlangen. Ihr stand gegen die Beklagte ein entsprechender Anspruch aus Art. 7 Abs. 1 c), 5 Abs. 1 c) FluggastrechteVO zu.

Der Abtretungsvertrag war nicht gem. § 134 BGB nichtig. Nach § 1 Abs. 2 RDG war das Rechtsdienstleistungsgesetz auf den Abtretungsvertrag nicht anwendbar. Dieses findet keine Anwendung, wenn eine Rechtsdienstleistung ausschließlich aus einem anderen Staat heraus erbracht wird und ihr Gegenstand deutsches Recht ist. Und der Gegenstand der von der Klägerin erbrachten Rechtsdienstleistung war nicht deutsches Recht. Unerheblich war, dass die Parteien sich hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der Abtretung auf die Anwendung deutschen Sachrechts geeinigt hatten. Vielmehr bildete lediglich der abgetretene Ausgleichsanspruch den Gegenstand der Rechtsdienstleistung der Klägerin. Dieser ergab sich aus der FluggastrechteVO, die nicht als deutsches Recht i.S.d. Norm zu qualifizieren war.

Ob Europarecht unter den Begriff fällt, ist umstritten. Teilweise wird dies befürwortet (so für einen Fall, in dem die Zedenten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten OLG Hamm, Urt. v. 24.7.2024 - I-11 U 69/23; LG Hamburg, Urt. v. 21.8.2018 - 312 O 89/18), nach überzeugender Ansicht aber abgelehnt (LG Berlin II, Urt. v. 29.4.2025, 52 O 103/25 eV; AG Dortmund, Urt. v. 8.4.2025 - 423 C 8372/24; AG Köln, Urt. v. 11.4.2025 - 115 C 922/24). Der Wortlaut lässt diesbezüglich keinen Schluss zu. Einerseits kann deutsches Recht als in Deutschland geltendes Recht verstanden werden. Davon wären auch Verordnungen der Europäischen Union umfasst, die nach Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV in Deutschland unmittelbar gelten. Andererseits kann es aber auch als Recht eines deutschen Gesetzgebers zu verstehen sein. In diesem Fall handelt es sich bei der FluggastrechteVO nicht um deutsches Recht. Denn deren Gesetzgeber ist die Europäische Union.

Für letztere Auslegung streitet bereits eine systematische Betrachtung. So stellt der Gesetzgeber dem Begriff des deutschen Rechts vielfach den Begriff des ausländischen Rechts gegenüber, vgl. §§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 11 Abs. 3, 13c Abs. 5 und 15 Abs. 7 S. 1 RDG. Dabei regelt er in § 10 Abs. 1 Nr. 3 RDG auch, dass die Registrierung zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde auch für das Recht der Europäischen Union erteilt werden kann, wenn besondere Sachkunde in einem ausländischen Recht eines Mitgliedstaats besteht. Dieselbe Möglichkeit besteht für das Gebiet des Rechts des Europäischen Wirtschaftsraums. Der Gesetzgeber unterscheidet also zwischen rein nationalem Recht wie dem deutschen Recht und supranationalem Recht wie dem Recht der Europäischen Union. Es erscheint abwegig, dass er diese Unterscheidung gerade bei der Normierung des internationalen Anwendungsbereichs des Rechtsdienstleistungsgesetzes in § 1 Abs. 2 RDG aufgeben wollte.

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