Gebrauchtwagenhändler muss Reparaturhistorie ungefragt mitteilen
LG Lübeck v. 8.5.2025 - 3 O 150/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Dezember 2018 bei der Beklagten einen gebrauchten S3 Sportback mit einer Laufleistung von 92.799 km für 25.990 € einschließlich Umsatzsteuer und Gebrauchtwagengarantie gekauft. Eine Bank finanzierte den Gesamtkaufpreis mit insgesamt 32.744 €. Das Fahrzeug war durch einen vorigen Fahrzeughalter bei der Beklagten mehrfach repariert worden, insbesondere wurden zwischen 2014 und 2016 Turbolader, Katalysator, Kupplung, Rumpfmotor und Kühlmittelpumpe ersetzt. Hierauf wies die Beklagte den Kläger allerdings nicht hin. Streitig blieb, ob der Kläger gezielt nach Reparaturen gefragt hatte oder nicht.
Im September 2019 leuchtete die Abgaskontrollleuchte des Fahrzeugs auf, woraufhin der Kläger in eine Werkstatt fuhr. Dort wurden Fehler der Nockenwellenverstellung und Saugrohrklappe ausgelesen. Nach einigen Tagen konnte es der Kläger gegen Zahlung von 299 € abholen. Als er zu Hause ankam, leuchtete die Kontrollleuchte erneut auf, woraufhin der Kläger die Beklagten kontaktierte. Auf deren Empfehlung ließ der Kläger das Fahrzeug näher untersuchen. Infolgedessen erfuhr er von den oben genannten Reparaturen.
Der Kläger meldete das Fahrzeug 2019 ab mit einem Kilometerstand von 110.923 km. Die Beklagte wies Mängel im Zeitpunkt der Übergabe zurück. Es folgten Einigungsversuche, die letztlich erfolglos blieben. Am 28.4.2020 erklärte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte Anfechtung und Rücktritt. Er hatte bis dahin an die Bank zwölf Darlehensraten von insgesamt 4.677 € gezahlt. Von der Beklagten verlangte er Rückabwicklung unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen i.H.v. 2.442 €. In Kenntnis der Reparaturhistorie hätte er das Fahrzeug nicht gekauft.
Das LG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte die Beklagte u.a. dazu, an den Kläger 22.993 € zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des S3 Sportback 2.0 TFSI Quattro.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Die Beklagte hat i.S.d. Norm etwas durch Leistung des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt, denn nach wirksamer Anfechtung war der Kaufvertrag rückwirkend nichtig, § 142 Abs. 1 BGB.
Der Anfechtungsgrund lag hier in einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB durch die unterbliebene Aufklärung über die Reparaturhistorie des Fahrzeugs, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger gezielt danach gefragt hatte oder nicht. Schließlich bestand für die Reparaturhistorie eine ungefragte Offenbarungspflicht. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur bei entsprechender Offenbarungspflicht eine Täuschungshandlung dar; dabei ist entscheidend, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall redlicherweise eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand erwarten durfte. Und das war hier in Bezug auf die Reparaturhistorie des Fahrzeugs der Fall.
Eine Offenbarung außergewöhnlichen Reparaturen durfte der Kläger als Käufer nach Treu und Glauben erwarten. Unerheblich war, ob die Reparaturhistorie auf Grund der Wertverbesserung durch den Einbau eines Neuteils einen Sachmangel darstellte oder nicht, denn § 123 BGB dient gerade dem Schutz der Entscheidungsfreiheit und nicht der Mangelfreiheit. Zwar besteht regelmäßig ohne entsprechende Anhaltspunkte keine Pflicht, ein Gebrauchtwagen auf Unfallschäden zu untersuchen und dazu die Reparaturhistorie bei der zentralen Datenbank des Herstellers abzufragen. Hier war die Sachlage jedoch anders, weil die Reparaturen bei der Verkäuferin selbst erfolgten und die Reparaturen bekannt waren.
Die Beklagte handelte durch ihre Mitarbeiter auch arglistig i.S.d. § 123 BGB. Da die Reparaturen bei der Beklagten durchgeführt worden waren, bestand positive Kenntnis von Art und Umfang der Reparaturen ebenso wie bedingter Vorsatz in Bezug auf die fehlende Kenntnis des Klägers und dessen dadurch bedingter Kaufentscheidung. Die Beklagte konnte sich nicht auf eine Unkenntnis ihres Mitarbeiters berufen. Dieser war kein Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB. Unerheblich war auch, dass die Reparaturen im Zeitpunkt des Kaufvertrags drei bis vier Jahre zurücklagen. Denn einerseits sind drei bis vier Jahre eine eher kurze Zeitspanne, zum anderen ist der Zeitablauf für den Schutz der Entscheidungsfreiheit bei Vertragsabschluss ohne Bedeutung.
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Landesregierung Schleswig-Holstein
Der Kläger hatte im Dezember 2018 bei der Beklagten einen gebrauchten S3 Sportback mit einer Laufleistung von 92.799 km für 25.990 € einschließlich Umsatzsteuer und Gebrauchtwagengarantie gekauft. Eine Bank finanzierte den Gesamtkaufpreis mit insgesamt 32.744 €. Das Fahrzeug war durch einen vorigen Fahrzeughalter bei der Beklagten mehrfach repariert worden, insbesondere wurden zwischen 2014 und 2016 Turbolader, Katalysator, Kupplung, Rumpfmotor und Kühlmittelpumpe ersetzt. Hierauf wies die Beklagte den Kläger allerdings nicht hin. Streitig blieb, ob der Kläger gezielt nach Reparaturen gefragt hatte oder nicht.
Im September 2019 leuchtete die Abgaskontrollleuchte des Fahrzeugs auf, woraufhin der Kläger in eine Werkstatt fuhr. Dort wurden Fehler der Nockenwellenverstellung und Saugrohrklappe ausgelesen. Nach einigen Tagen konnte es der Kläger gegen Zahlung von 299 € abholen. Als er zu Hause ankam, leuchtete die Kontrollleuchte erneut auf, woraufhin der Kläger die Beklagten kontaktierte. Auf deren Empfehlung ließ der Kläger das Fahrzeug näher untersuchen. Infolgedessen erfuhr er von den oben genannten Reparaturen.
Der Kläger meldete das Fahrzeug 2019 ab mit einem Kilometerstand von 110.923 km. Die Beklagte wies Mängel im Zeitpunkt der Übergabe zurück. Es folgten Einigungsversuche, die letztlich erfolglos blieben. Am 28.4.2020 erklärte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte Anfechtung und Rücktritt. Er hatte bis dahin an die Bank zwölf Darlehensraten von insgesamt 4.677 € gezahlt. Von der Beklagten verlangte er Rückabwicklung unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen i.H.v. 2.442 €. In Kenntnis der Reparaturhistorie hätte er das Fahrzeug nicht gekauft.
Das LG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte die Beklagte u.a. dazu, an den Kläger 22.993 € zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des S3 Sportback 2.0 TFSI Quattro.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Die Beklagte hat i.S.d. Norm etwas durch Leistung des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt, denn nach wirksamer Anfechtung war der Kaufvertrag rückwirkend nichtig, § 142 Abs. 1 BGB.
Der Anfechtungsgrund lag hier in einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB durch die unterbliebene Aufklärung über die Reparaturhistorie des Fahrzeugs, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger gezielt danach gefragt hatte oder nicht. Schließlich bestand für die Reparaturhistorie eine ungefragte Offenbarungspflicht. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur bei entsprechender Offenbarungspflicht eine Täuschungshandlung dar; dabei ist entscheidend, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall redlicherweise eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand erwarten durfte. Und das war hier in Bezug auf die Reparaturhistorie des Fahrzeugs der Fall.
Eine Offenbarung außergewöhnlichen Reparaturen durfte der Kläger als Käufer nach Treu und Glauben erwarten. Unerheblich war, ob die Reparaturhistorie auf Grund der Wertverbesserung durch den Einbau eines Neuteils einen Sachmangel darstellte oder nicht, denn § 123 BGB dient gerade dem Schutz der Entscheidungsfreiheit und nicht der Mangelfreiheit. Zwar besteht regelmäßig ohne entsprechende Anhaltspunkte keine Pflicht, ein Gebrauchtwagen auf Unfallschäden zu untersuchen und dazu die Reparaturhistorie bei der zentralen Datenbank des Herstellers abzufragen. Hier war die Sachlage jedoch anders, weil die Reparaturen bei der Verkäuferin selbst erfolgten und die Reparaturen bekannt waren.
Die Beklagte handelte durch ihre Mitarbeiter auch arglistig i.S.d. § 123 BGB. Da die Reparaturen bei der Beklagten durchgeführt worden waren, bestand positive Kenntnis von Art und Umfang der Reparaturen ebenso wie bedingter Vorsatz in Bezug auf die fehlende Kenntnis des Klägers und dessen dadurch bedingter Kaufentscheidung. Die Beklagte konnte sich nicht auf eine Unkenntnis ihres Mitarbeiters berufen. Dieser war kein Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB. Unerheblich war auch, dass die Reparaturen im Zeitpunkt des Kaufvertrags drei bis vier Jahre zurücklagen. Denn einerseits sind drei bis vier Jahre eine eher kurze Zeitspanne, zum anderen ist der Zeitablauf für den Schutz der Entscheidungsfreiheit bei Vertragsabschluss ohne Bedeutung.
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