Gebrauchtwagenkauf: Negative Beschaffenheitsvereinbarung unterliegt verschärften formellen Anforderungen
OLG Köln v. 9.4.2025 - 11 U 20/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte 2023 von der beklagten Händlerin einen mehr als 16 Jahre alten Pkw für 11.999 € gekauft. Der Wagen hatte bei Erwerb eine Laufleistung von 112.000 km. Der Kläger zahlte 6.999 € in bar und gab das bisher von ihm genutzte Fahrzeug für 5.000 € in Zahlung. In dem Kaufvertragsformular hieß es u.a.:
Durch Ankreuzen der nachfolgenden Checkbox(en) akzeptiert der/die Käufer/-In die jeweilig beschriebenen negativen Beschaffenheitsvereinbarungen.
(x) Der Verkäufer übernimmt keine Haftung auf Unfallfreiheit, Nachlackierungen/Spachtelarbeiten, da das Fahrzeug gebraucht und die Fahrzeughistorie nicht bekannt ist.
(x) Es ist möglich, dass das Fahrzeug einen oder mehrere Unfälle hatte. Frühere Unfälle, Nachlackierungen, Spachtelarbeiten oder infolge dessen entstehenden weiteren Schäden an jeglichen Bauteilen sind von der Haftung ausgeschlossen.
(x) Dem Käufer ist dies bewusst, handelt auf eigene Rechnung und Gefahr und bestätigt mit dessen Unterschrift
Kurze Zeit später stellte der Kläger ein Ruckeln beim Fahren fest und ließ das Auto in einer Werkstatt überprüfen. Dort stellte man fest, dass das Fahrzeug an zahlreichen Bauteilen nachlackiert worden war. Das Fahrzeug hatte mindestens einen Unfallschaden erlitten. Der Kläger hielt das Fahrzeug daraufhin für mangelhaft und forderte von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags Diese berief sich u.a. darauf, dass hinsichtlich der Eigenschaft als Unfallfahrzeug im Kaufvertrag eine negative Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden sei.
Das LG hat die auf Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage überwiegend stattgegeben.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag lagen vor. Entgegen der Ansicht des LG war nämlich ein Sachmangel des Fahrzeugs bei Übergabe gegeben.
Am Maßstab objektiver Kriterien stellt eine Unfallvorbelastung einen Sachmangel dar. Seit der Schuldrechtsreform 2022 setzt sich im - vorliegenden - Verbrauchsgüterkauf eine Beschaffenheitsvereinbarung (als Teil der subjektiven Anforderungen, § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) auch nicht mehr gegenüber den objektiven Anforderungen durch. Denn eine Abweichung von den objektiven Anforderungen gem. § 434 Abs. 3 BGB ist beim Verbrauchsgüterkauf nach § 476 Abs. 1 S. 2 BGB nur unter Einschränkungen zulässig.
Soll zu Lasten des Verbrauchers von den objektiven Anforderungen durch eine Beschaffenheitsvereinbarung abgewichen werden (negative Beschaffenheitsvereinbarung), muss er vor Vertragsschluss von der konkreten Abweichung eigens in Kenntnis gesetzt werden und dieser gesondert zustimmen. Die negative Beschaffenheitsvereinbarung unterliegt somit verschärften formellen Anforderungen. Ferner kann sich der Unternehmer-Verkäufer nicht auf eine vor Mitteilung eines Mangels getroffene Vereinbarung zur Haftungsbeschränkung berufen, § 476 Abs. 1 S. 1 BGB. Daher ist die Haftungsbeschränkung von der negativen Beschaffenheitsvereinbarung abzugrenzen.
Die Parteien hatten keine haftungsentlastende negative Beschaffenheitsvereinbarung nach § 476 Abs. 1 S. 2 BGB getroffen. Unabhängig von dogmatischen Einzelheiten wird im Ergebnis wohl einhellig die Meinung vertreten, dass jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar bewirkt, dass der Verbraucher das Risiko der Existenz eines verborgenen Mangels trägt, als ein unzulässiger Haftungsausschluss zu bewerten ist. Eine negative Beschaffenheitsvereinbarung müsse beschreibenden Charakter haben. Für die Ungewissheit, ob das Fahrzeug bei Übergabe objektiv mangelhaft ist oder nicht, habe der Unternehmer-Verkäufer einem Verbraucher gegenüber unbedingt und uneingeschränkt einzustehen. Danach war hier eine konkrete Beschaffenheitsabweichung nach unten und insbesondere die Eigenschaft als Unfallfahrzeug nicht wirksam vereinbart worden.
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Justiz NRW
Der Kläger hatte 2023 von der beklagten Händlerin einen mehr als 16 Jahre alten Pkw für 11.999 € gekauft. Der Wagen hatte bei Erwerb eine Laufleistung von 112.000 km. Der Kläger zahlte 6.999 € in bar und gab das bisher von ihm genutzte Fahrzeug für 5.000 € in Zahlung. In dem Kaufvertragsformular hieß es u.a.:
Durch Ankreuzen der nachfolgenden Checkbox(en) akzeptiert der/die Käufer/-In die jeweilig beschriebenen negativen Beschaffenheitsvereinbarungen.
(x) Der Verkäufer übernimmt keine Haftung auf Unfallfreiheit, Nachlackierungen/Spachtelarbeiten, da das Fahrzeug gebraucht und die Fahrzeughistorie nicht bekannt ist.
(x) Es ist möglich, dass das Fahrzeug einen oder mehrere Unfälle hatte. Frühere Unfälle, Nachlackierungen, Spachtelarbeiten oder infolge dessen entstehenden weiteren Schäden an jeglichen Bauteilen sind von der Haftung ausgeschlossen.
(x) Dem Käufer ist dies bewusst, handelt auf eigene Rechnung und Gefahr und bestätigt mit dessen Unterschrift
Kurze Zeit später stellte der Kläger ein Ruckeln beim Fahren fest und ließ das Auto in einer Werkstatt überprüfen. Dort stellte man fest, dass das Fahrzeug an zahlreichen Bauteilen nachlackiert worden war. Das Fahrzeug hatte mindestens einen Unfallschaden erlitten. Der Kläger hielt das Fahrzeug daraufhin für mangelhaft und forderte von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags Diese berief sich u.a. darauf, dass hinsichtlich der Eigenschaft als Unfallfahrzeug im Kaufvertrag eine negative Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden sei.
Das LG hat die auf Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage überwiegend stattgegeben.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag lagen vor. Entgegen der Ansicht des LG war nämlich ein Sachmangel des Fahrzeugs bei Übergabe gegeben.
Am Maßstab objektiver Kriterien stellt eine Unfallvorbelastung einen Sachmangel dar. Seit der Schuldrechtsreform 2022 setzt sich im - vorliegenden - Verbrauchsgüterkauf eine Beschaffenheitsvereinbarung (als Teil der subjektiven Anforderungen, § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) auch nicht mehr gegenüber den objektiven Anforderungen durch. Denn eine Abweichung von den objektiven Anforderungen gem. § 434 Abs. 3 BGB ist beim Verbrauchsgüterkauf nach § 476 Abs. 1 S. 2 BGB nur unter Einschränkungen zulässig.
Soll zu Lasten des Verbrauchers von den objektiven Anforderungen durch eine Beschaffenheitsvereinbarung abgewichen werden (negative Beschaffenheitsvereinbarung), muss er vor Vertragsschluss von der konkreten Abweichung eigens in Kenntnis gesetzt werden und dieser gesondert zustimmen. Die negative Beschaffenheitsvereinbarung unterliegt somit verschärften formellen Anforderungen. Ferner kann sich der Unternehmer-Verkäufer nicht auf eine vor Mitteilung eines Mangels getroffene Vereinbarung zur Haftungsbeschränkung berufen, § 476 Abs. 1 S. 1 BGB. Daher ist die Haftungsbeschränkung von der negativen Beschaffenheitsvereinbarung abzugrenzen.
Die Parteien hatten keine haftungsentlastende negative Beschaffenheitsvereinbarung nach § 476 Abs. 1 S. 2 BGB getroffen. Unabhängig von dogmatischen Einzelheiten wird im Ergebnis wohl einhellig die Meinung vertreten, dass jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar bewirkt, dass der Verbraucher das Risiko der Existenz eines verborgenen Mangels trägt, als ein unzulässiger Haftungsausschluss zu bewerten ist. Eine negative Beschaffenheitsvereinbarung müsse beschreibenden Charakter haben. Für die Ungewissheit, ob das Fahrzeug bei Übergabe objektiv mangelhaft ist oder nicht, habe der Unternehmer-Verkäufer einem Verbraucher gegenüber unbedingt und uneingeschränkt einzustehen. Danach war hier eine konkrete Beschaffenheitsabweichung nach unten und insbesondere die Eigenschaft als Unfallfahrzeug nicht wirksam vereinbart worden.
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