22.09.2020

Genehmigungspflicht für regelmäßige Kurzzeitvermietung einer Wohnung

Eine nationale Regelung, die die regelmäßige Kurzzeitvermietung einer Wohnung an Personen, die sich nur vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, von einer Genehmigung abhängig macht, steht mit dem Unionsrecht in Einklang. Die Bekämpfung des Mangels an Wohnungen, die längerfristig vermietet werden, stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine solche Regelung rechtfertigt.

EuGH v. 22.9.2020 - C-724/18 u.a.
Der Sachverhalt:
Cali Apartments und HX sind jeweils Eigentümer einer Einzimmerwohnung in Paris. Die Einzimmerwohnungen wurden auf einer Website zur Vermietung angeboten und regelmäßig ohne vorherige Genehmigung der örtlichen Behörden für kurze Zeit an Personen vermietet, die sich lediglich vorübergehend in der Stadt aufhielten.

Das in dieser Sache für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Gericht sowie das Berufungsgericht und in Paris verurteilten Cali Apartments und HX gemäß dem französischen Bau- und Wohnungsgesetzbuch zur Zahlung einer Geldbuße und ordneten die Rückumwandlung der betreffenden Räume in Wohnungen an. Das französische Bau- und Wohnungsgesetzbuch sieht vor,
  • dass die Umnutzung von Wohnungen in französischen Gemeinden mit mehr als 200.000 Einwohnern und in den Gemeinden dreier an Paris angrenzender Departements der vorherigen Genehmigung bedarf,
  • dass die Tätigkeit der regelmäßigen Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, eine solche Umnutzung darstellt,
  • dass die Umnutzungsgenehmigung, die vom Bürgermeister der Gemeinde erteilt wird, in der das betreffende Gebäude belegen ist, von einem Ausgleich durch gleichzeitige Umwandlung von anders genutztem Raum in Wohnraum abhängig gemacht werden kann und
  • dass mit einem Beschluss des Stadtrats für jeden Stadtteil bzw. -bezirk im Hinblick auf die Ziele der sozialen Vermischung und unter Berücksichtigung insbesondere der Lage auf den Wohnungsmärkten und der Notwendigkeit, den Wohnungsmangel nicht zu verschärfen, die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen und die Festsetzung des Ausgleichs bestimmt werden.

Im Rahmen von Verfahren über Kassationsbeschwerden, die von den Eigentümern der beiden Einzimmerwohnungen gegen die Berufungsurteile eingelegt wurden, hat der Kassationsgerichtshof in Frankreich die Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, um über die Vereinbarkeit der in Rede stehenden nationalen Regelung mit der Richtlinie 2006/123 über Dienstleistungen im Binnenmarkt entscheiden zu können.

Die Gründe:
Eine nationale Regelung, die die Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Wohnraumvermietung von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, fällt unter den Begriff "Genehmigungsregelung" i.S.v. Art. 4 Nr. 6 der Richtlinie 2006/123 und nicht unter den der Anforderungen i.S.v. Nr. 7 dieser Vorschrift. Eine Genehmigungsregelung unterscheidet sich von Anforderungen darin, dass der Dienstleistungserbringer eine förmliche Entscheidung erwirken muss, mit der die zuständigen Behörden seine Tätigkeit genehmigen, was bei der in Rede stehenden Regelung der Fall ist. Eine Genehmigungsregelung wie die durch die in Rede stehende Regelung eingeführte muss den Anforderungen gem. Kapitel III Abschnitt 1 der Richtlinie 2006/123 entsprechen, insbesondere Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie. Daher ist in einem ersten Schritt nach Art. 9 der Richtlinie zu prüfen, ob die Einführung der Regelung als solche gerechtfertigt ist, und in einem zweiten Schritt nach Art. 10 der Richtlinie, ob die für die Erteilung der Genehmigungen gem. der Regelung maßgeblichen Kriterien die entsprechenden Anforderungen erfüllen.

Mit der in Rede stehenden Regelung soll ein System zur Bekämpfung des Mangels an Wohnungen, die längerfristig vermietet werden, geschaffen werden, um der Verschlechterung der Bedingungen für den Zugang zu Wohnraum und der Verschärfung der Spannungen auf den Immobilienmärkten Rechnung zu tragen. Dies stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Die in Rede stehende nationale Regelung ist in Bezug auf das angestrebte Ziel verhältnismäßig, und das angestrebte Ziel kann auch nicht durch ein milderes erreicht werden.

Das nationale Gericht hat zu prüfen, ob mit der Befugnis tatsächlich einem in den betreffenden Gebieten festgestellten Mangel an Wohnungen, die längerfristig vermietet werden, Rechnung getragen wird. Außerdem hat es sich zu vergewissern, dass die Befugnis nicht nur der Lage auf dem Mietmarkt in den betreffenden Gemeinden angepasst, sondern auch mit der in Rede stehenden Vermietungstätigkeit vereinbar ist. Dabei hat es zu berücksichtigen, dass diese Tätigkeit, wie allgemein festgestellt wird, rentabler ist als die Vermietung von Wohnungen zur Begründung eines Wohnsitzes. Es hat ferner zu berücksichtigen, wie der Ausgleichspflicht an dem betreffenden Ort in der Praxis nachgekommen werden kann. Es muss sich vergewissern, dass der Ausgleichspflicht durch eine Vielzahl von Ausgleichsmechanismen nachgekommen werden kann, die angemessenen, transparenten und zugänglichen Marktbedingungen entsprechen.

Es liegt nicht bereits deshalb ein Verstoß gegen die Erfordernisse der Klarheit, der Unzweideutigkeit und der Objektivität vor, weil der Begriff der "regelmäßigen Kurzzeitvermietung einer möblierten Wohnung an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen" in der in Rede stehenden Regelung nicht definiert ist, insbesondere nicht durch Schwellenwerte, solange die betreffenden örtlichen Behörden klar, eindeutig und objektiv bestimmen, was mit dem Begriff gemeint ist. Die Voraussetzungen für die Erteilung der in einer Regelung vorgesehenen Genehmigungen sind grundsätzlich auch nicht bereits deshalb als nicht hinreichend klar und objektiv anzusehen, weil der nationale Gesetzgeber die Frage, auf welche Weise sie von den örtlichen Behörden zu bestimmen sind, lediglich insoweit geregelt hat, als er auf die Ziele verwiesen hat, die die Behörden zu berücksichtigen haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die nationale Regelung nicht nur die Ziele vorgibt, die von den betreffenden örtlichen Behörden zu verfolgen sind, sondern darüber hinaus auch die objektiven Gesichtspunkte, nach denen die örtlichen Behörden die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen festzulegen haben.

Hinsichtlich der Erfordernisse der vorherigen Bekanntmachung, der Transparenz und der Zugänglichkeit der Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen angeht, ist festzustellen, dass es insoweit genügt, dass jeder Eigentümer, der beabsichtigt, eine möblierte Wohnung an Personen zu vermieten, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, vor Aufnahme einer solchen Tätigkeit in vollem Umfang wissen kann, welche Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung und welche Ausgleichspflicht von den betreffenden örtlichen Behörden festgelegt worden sind, was durch den Aushang der Protokolle der Sitzungen des Gemeinderats im Rathaus und die Veröffentlichung dieser Protokolle auf der Website der Gemeinde erreicht werden kann.

EuGH PM Nr. 111 vom 18.9.2020
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