28.09.2021

Gerichtskosten: Gebührenermäßigung wegen Klagerücknahme ist nicht aufgrund eines zuvor erlassenen Teilurteils ausgeschlossen

Entgegen dem Wortlaut der Nr. 1222 KV-GKG ist eine Gebührenermäßigung wegen Klagerücknahme nicht durch ein zuvor erlassenes Teilurteil ausgeschlossen.

OLG München v. 22.9.2021 - 11 W 1179/21
Der Sachverhalt:
Mit ihrer Klage vor dem LG nahm die Klägerin die Beklagte wegen Patentverletzung in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagte u.a. zur Unterlassung der Patentverletzung. Das Urteil wurde u.a. gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung von 18 Mio € für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die Beklagte legte gegen das Urteil des LG Berufung ein; vorab beantragte sie eine Höherfestsetzung der Sicherheitsleistung. Das OLG München als Berufungsgericht entsprach mit Teilurteil unter Zurückweisung im Übrigen teilweise dem Antrag der Beklagten auf Erhöhung der Vollstreckungssicherheit gemäß § 718 Abs. 1 S.1 ZPO. Die Kostenentscheidung blieb der Endentscheidung vorbehalten.

Im weiteren Verlauf kam es zu einer außergerichtlichen Einigung der Parteien in deren Folge die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen wurde.

Durch Kostenrechnung des OLG München wurden ausgehend von einem Gegenstandswert von 3 Mio € eine 4,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 1220 KV-GKG i.H.v. ca. 50.000 € gegen die Beklagte festgesetzt. Gegen die Kostenrechnung legte die Beklagte Erinnerung ein mit dem Antrag, die Gerichtsgebühren nach Nr. 1222 KV GKG wegen der Klagerücknahme auf 2,0 zu reduzieren.

Die Bezirksrevisorin bei dem OLG München lehnte dies ab. Nach dem Wortlaut der Nr. 1222 KV GKG komme nach Erlass eines Teilurteils eine Gebührenermäßigung auch nach vollständiger Klagerücknahme nicht mehr in Betracht. Der Gerichtskostenerinnerung half die Kostenbeamtin daher nicht ab und legte die Akten dem Senat zur Entscheidung vor.

Das OLG hat die Schlusskostenrechnung dahingehend abgeändert, dass anstelle der 4,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 1220 KV-GKG in Höhe von 50.144,00 €, eine 2,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 1222 KV-GKG i.H.v. ca. 25.000 € festgesetzt wird.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung der Kostenbeamtin und der Bezirksrevisorin schließt der Erlass eines Teilurteils zur Höhe der Vollstreckungssicherheit nach § 718 Abs. 1 ZPO bei nachfolgend erfolgter vollständiger Klagerücknahme im Berufungsverfahren die Annahme einer Gebührenermäßigung von 4,0 auf 2,0 nach Nr. 1222 KV-GKG nicht aus.

Diese Frage wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Während ein gewichtiger Teil der Kommentarliteratur eine Gebührenermäßigung in diesem Fall verneint, bejaht ein anderer Teil die Anwendbarkeit der Nr. 1222 KV-GKG unter Verweis auf den Beschluss des OLG München vom 13.2.2003 - 11 W 662/03.

Obwohl die Senatsentscheidung vom 13.2.2003 noch zur alten Fassung des Ermäßigungstatbestandes erging, welcher maßgeblich auf die Terminsbestimmung abstellte, hält der Senat die darin enthaltenen Erwägungen auch unter Anwendung des neuen Gebührentatbestandes nach Nr.1222 KV-GKG, welcher die Gebührenermäßigung davon abhängig macht, dass abgesehen von den in Nr. 1222 Ziff.2 KV-GKG genannten, privilegierten Urteilsarten, keine Urteile oder Beschlüsse in der Hauptsache ergingen, für weiterhin zutreffend.

Zwar ist der Bezirksrevisorin beizupflichten, dass eine streng am Wortlaut der Nr. 1222 KV-GKG orientierte Auslegung des Gebührenermäßigungstatbestandes zu dem Ergebnis führt, dass ohne weitere Differenzierung jedes vorangegangene Urteil, soweit es sich nicht um ein Anerkenntnisurteil, Verzichtsurteil oder Urteil handelt, das nach § 313a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält, eine Gebührenermäßigung nach vollständiger Klagerücknahme ausschließen würde.

Der Senat hält aber demggü. eine am Sinn und Zweck der Regelung ausgerichtete Auslegung der Gebührenermäßigungstatbestände für geboten. Der Senat verkennt dabei nicht, dass grundsätzlich auch der Erlass von Teilurteilen, die nicht den gesamten Streitstoff umfassen, einer Gebührenermäßigung entgegenstehen. Anders sieht der Senat jedoch die Sache, wenn in Form von Teilurteilen oder Zwischenurteilen Entscheidungen ergehen, in denen sich das Gericht gar nicht mit dem eigentlichen Streitstoff und den Prozessaussichten auseinandersetzen muss.

Die Gebührenermäßigungstatbestände nach Nrn.1211 und 1222 KV-GKG dienen der Prozesswirtschaftlichkeit mit dem Ziel Verfahrensbeendigungen, die mit einer deutlichen Arbeitsersparnis auf Seiten des Gerichts einhergehen, zu honorieren. Es kann dabei aber nicht auf den Arbeitsanfall im Einzelfall ankommen, sondern es ist eine generell abstrakte Betrachtung heranzuziehen. Zumal im Kostenrecht, das in besonderer Weise auf Formalisierung und einfache Handhabbarkeit für die damit befassten Kostenbeamten ausgelegt ist, eine Typisierung erforderlich erscheint. Demzufolge wird, auch nach ständiger Rechtsprechung des Senates, regelmäßig nicht auf ein Maß an Arbeit, sondern auf die Erfüllung bestimmter Tatbestände abgestellt.
Justiz Bayern online
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