Geschäftliche Tätigkeit in einer Wohnung allein durch Angabe der Wohnanschrift als Geschäftsadresse?
AG München v. 18.9.2025 - 419 C 23314/24
Der Sachverhalt:
Der Beklagte zu 1) hatte im März 1995 gemeinsam mit einer weiteren Mieterin die streitgegenständliche Wohnung der Klägerin angemietet. Nach Auszug der weitere Mieterin 2006 wurde dem Beklagten zu 1) die Erlaubnis erteilt, rückwirkend ab dem 1.2.2005 einen Untermieter in die Wohnung aufzunehmen. Mittlerweile ist der Beklagte zu 2) Untermieter des Beklagten zu 1). Dieses Untermietverhältnis wurde der Klägerin jedenfalls bis zum 26.6.2024 nicht angezeigt.
Mit Schreiben vom 22.3.2022 teilte die Klägerin dem Beklagten zu 1) mit, dass eine Nutzung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken nicht genehmigt werden könne und eine Zweckentfremdung der Mietsache darstelle. Der Beklagte zu 1) habe somit die "festgestellte vertragswidrige Nutzung" der Wohnung durch Betrieb eines Ladens für Kitboards und Kitefoils einzustellen. Mit Schreiben vom 18.7.2024 sprach die Klägerin dem Beklagten zu 1) die außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses aus.
Zur Begründung führte die Klägerin an, der Beklagte habe der mehrfachen Aufforderung die "festgestellte vertragswidrige Nutzung" der Wohnung durch Betrieb eines Ladens für Kitboards und Kitefoils einzustellen, trotzt erfolgter Abmahnung nicht entsprochen. Die Nutzung einer Wohnung für gewerbliche Zweck stelle einen wichtigen Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB dar, dies auch dann, wenn der Laden überwiegend als Online-Shop betrieben werde, da die Anlieferung, die Lagerung wie auch das Fertigmachen zum Versand der verkauften Waren über die vorstehende Wohnung erfolge.
Mit der Klage vom 12.9.2024 sprach der Klägervertreter dem Beklagten zu 1) gegenüber erneut die außerordentliche fristlose Kündigung aus mit der Begründung, er habe über Jahre hinweg ohne Unterrichtung der Klägerin immer neue Untermietverhältnisse begründet, aktuell mit dem Beklagten zu 2). Das gesamte Verhalten belege, dass über Jahre hinweg die Rechte der Klägerin missachtet worden seien, daher sei kein Raum für eine Abmahnung. Mit der Widerklage begehrte der Beklagte zu 1) die Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers an den Beklagten zu 2).
Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung, da die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen das Mietverhältnis nicht beendet haben.
Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 I, II 1 Nr. 2 BGB waren ebenso wenig wie die für eine ordentliche Kündigung nach den § 573 I, II Nr. 1 BGB erfüllt. Die Ausübung eines Gewerbes in einer zu Wohnzwecken vermieteten Wohnung kann zwar eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung darstellen. Der eindeutig beweisbelasteten Klägerin ist es jedoch nicht gelungen, die von ihr behauptete Pflichtverletzung in Form von vertragswidrigen gewerblichen Nutzung der Wohnung durch den Beklagten zu1) nach Ausspruch der maßgeblichen Abmahnung nachzuweisen.
Der BGH hat im Hinblick auf die Frage, in welchem Umfang der Mieter einer Wohnung in den Mieträumen auch einer geschäftlichen Tätigkeit nachgehen darf, ohne dass dies vertragswidrig ist, entschieden, dass es darauf ankommt, ob der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen in Erscheinung tritt, etwa indem er die Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt. Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter - etwa im häuslichen Arbeitszimmer - ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen hingegen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des "Wohnens". Die vom Vertragszweck gedeckte Nutzung zum Wohnen wird demnach nicht überschritten, wenn der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen nicht in Erscheinung tritt.
Die diesbezüglich aufgestellte Behauptung der Klägerin, die Anlieferung, die Lagerung wie auch das Fertigmachen zum Versand der von dem Beklagten zu 1) verkauften Waren erfolge über die streitgegenständliche Wohnung, verblieb allerdings bei einer bloßen Behauptung ins Blaue hinein ohne konkrete Anknüpfungstatsache oder ein taugliches Beweisangebot. Zwar kann die vom Vertragszweck gedeckte Nutzung zum Wohnen überschritten sein, wenn der Mieter die Wohnanschrift als Sitz der Betriebsstätte angibt, in der Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt. Maßgeblich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls. Die bloße Angabe der Wohnanschrift als Geschäftsadresse gegenüber Kunden, auf einer Website, trägt die Annahme einer Überschreitung der Grenze der Wohnnutzung allein nicht.
Auch die Kündigung gestützt auf die Untervermietung eines Teils der Wohnung an den Beklagten zu 2) hat das Mietverhältnis nicht beendet. Zwar ist ein Mieter gem. § 540 BGB ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten. Vielmehr stellt dies grundsätzlich ein vertragswidriges Verhalten dar. Eine außerordentliche Kündigung nach § 543 I, II 1 Nr. 2 BGB verlangt aber eine mit der Gebrauchsüberlassung einhergehende Verletzung der Rechte des Vermieters "in erheblichem Maße". Zugunsten des Beklagten zu 1) war insofern nicht nur der Umstand zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis zum Zeitpunkt des ersten Kündigungsausspruchs bereits seit knapp 30 Jahren bestand, sondern auch, dass dem Beklagten zu 1) gem. § 553 Abs. 1 BGB ein berechtigtes Interesse zur teilweisen Überlassung der Wohnung an den Beklagten zu 2) zusteht, so dass die Klägerin ohnehin zur Genehmigung der Gebrauchsüberlassung verpflichtet gewesen wäre.
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Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.
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Bayern.Recht
Der Beklagte zu 1) hatte im März 1995 gemeinsam mit einer weiteren Mieterin die streitgegenständliche Wohnung der Klägerin angemietet. Nach Auszug der weitere Mieterin 2006 wurde dem Beklagten zu 1) die Erlaubnis erteilt, rückwirkend ab dem 1.2.2005 einen Untermieter in die Wohnung aufzunehmen. Mittlerweile ist der Beklagte zu 2) Untermieter des Beklagten zu 1). Dieses Untermietverhältnis wurde der Klägerin jedenfalls bis zum 26.6.2024 nicht angezeigt.
Mit Schreiben vom 22.3.2022 teilte die Klägerin dem Beklagten zu 1) mit, dass eine Nutzung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken nicht genehmigt werden könne und eine Zweckentfremdung der Mietsache darstelle. Der Beklagte zu 1) habe somit die "festgestellte vertragswidrige Nutzung" der Wohnung durch Betrieb eines Ladens für Kitboards und Kitefoils einzustellen. Mit Schreiben vom 18.7.2024 sprach die Klägerin dem Beklagten zu 1) die außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses aus.
Zur Begründung führte die Klägerin an, der Beklagte habe der mehrfachen Aufforderung die "festgestellte vertragswidrige Nutzung" der Wohnung durch Betrieb eines Ladens für Kitboards und Kitefoils einzustellen, trotzt erfolgter Abmahnung nicht entsprochen. Die Nutzung einer Wohnung für gewerbliche Zweck stelle einen wichtigen Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB dar, dies auch dann, wenn der Laden überwiegend als Online-Shop betrieben werde, da die Anlieferung, die Lagerung wie auch das Fertigmachen zum Versand der verkauften Waren über die vorstehende Wohnung erfolge.
Mit der Klage vom 12.9.2024 sprach der Klägervertreter dem Beklagten zu 1) gegenüber erneut die außerordentliche fristlose Kündigung aus mit der Begründung, er habe über Jahre hinweg ohne Unterrichtung der Klägerin immer neue Untermietverhältnisse begründet, aktuell mit dem Beklagten zu 2). Das gesamte Verhalten belege, dass über Jahre hinweg die Rechte der Klägerin missachtet worden seien, daher sei kein Raum für eine Abmahnung. Mit der Widerklage begehrte der Beklagte zu 1) die Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers an den Beklagten zu 2).
Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung, da die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen das Mietverhältnis nicht beendet haben.
Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 I, II 1 Nr. 2 BGB waren ebenso wenig wie die für eine ordentliche Kündigung nach den § 573 I, II Nr. 1 BGB erfüllt. Die Ausübung eines Gewerbes in einer zu Wohnzwecken vermieteten Wohnung kann zwar eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung darstellen. Der eindeutig beweisbelasteten Klägerin ist es jedoch nicht gelungen, die von ihr behauptete Pflichtverletzung in Form von vertragswidrigen gewerblichen Nutzung der Wohnung durch den Beklagten zu1) nach Ausspruch der maßgeblichen Abmahnung nachzuweisen.
Der BGH hat im Hinblick auf die Frage, in welchem Umfang der Mieter einer Wohnung in den Mieträumen auch einer geschäftlichen Tätigkeit nachgehen darf, ohne dass dies vertragswidrig ist, entschieden, dass es darauf ankommt, ob der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen in Erscheinung tritt, etwa indem er die Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt. Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter - etwa im häuslichen Arbeitszimmer - ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen hingegen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des "Wohnens". Die vom Vertragszweck gedeckte Nutzung zum Wohnen wird demnach nicht überschritten, wenn der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen nicht in Erscheinung tritt.
Die diesbezüglich aufgestellte Behauptung der Klägerin, die Anlieferung, die Lagerung wie auch das Fertigmachen zum Versand der von dem Beklagten zu 1) verkauften Waren erfolge über die streitgegenständliche Wohnung, verblieb allerdings bei einer bloßen Behauptung ins Blaue hinein ohne konkrete Anknüpfungstatsache oder ein taugliches Beweisangebot. Zwar kann die vom Vertragszweck gedeckte Nutzung zum Wohnen überschritten sein, wenn der Mieter die Wohnanschrift als Sitz der Betriebsstätte angibt, in der Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt. Maßgeblich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls. Die bloße Angabe der Wohnanschrift als Geschäftsadresse gegenüber Kunden, auf einer Website, trägt die Annahme einer Überschreitung der Grenze der Wohnnutzung allein nicht.
Auch die Kündigung gestützt auf die Untervermietung eines Teils der Wohnung an den Beklagten zu 2) hat das Mietverhältnis nicht beendet. Zwar ist ein Mieter gem. § 540 BGB ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten. Vielmehr stellt dies grundsätzlich ein vertragswidriges Verhalten dar. Eine außerordentliche Kündigung nach § 543 I, II 1 Nr. 2 BGB verlangt aber eine mit der Gebrauchsüberlassung einhergehende Verletzung der Rechte des Vermieters "in erheblichem Maße". Zugunsten des Beklagten zu 1) war insofern nicht nur der Umstand zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis zum Zeitpunkt des ersten Kündigungsausspruchs bereits seit knapp 30 Jahren bestand, sondern auch, dass dem Beklagten zu 1) gem. § 553 Abs. 1 BGB ein berechtigtes Interesse zur teilweisen Überlassung der Wohnung an den Beklagten zu 2) zusteht, so dass die Klägerin ohnehin zur Genehmigung der Gebrauchsüberlassung verpflichtet gewesen wäre.
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§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.
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