16.09.2025

Gilt das sog. Werkstattrisiko auch für Mietfahrzeugkosten?

Die neuere BGH-Rechtsprechung zum Werkstattrisiko ist nicht auf Werkstatt- und Privatgutachterkosten beschränkt, sondern auf sämtliche Schadenspositionen - auch Mietfahrzeugkosten - übertragbar. Die entscheidungserhebliche Frage, ob die Grundsätze zum Werkstattrisiko auf Mietfahrzeuge übertragbar sind, ist (soweit ersichtlich) obergerichtlich bislang nicht entschieden worden, seitdem der BGH seine Urteile zum Werkstattrisiko veröffentlicht hat. Infolgedessen wurde die Berufung zugelassen.

AG Bad Oeynhausen v. 22.8.2025 - 24 C 70/25
Der Sachverhalt:
Nach einem Verkehrsunfall am 15.4.2021, für dessen Folgen die Beklagte allein haftet, verlangte der Kläger von der Beklagten, restliche Mietfahrzeugkosten i.H.v. 524,41 € an den Fahrzeugvermieter. Der Kläger hatte noch am Unfalltag ein Mietfahrzeug angemietet. Ein von ihm beauftragter Privatgutachter besichtigte am 21.4.2021 das Klägerfahrzeug. Am 23.4.2021 erhielten der Kläger und die Beklagte das Privatgutachten. Noch am selben Tag verkaufte der Kläger das Unfallfahrzeug. Der Kläger erwarb ein neues Fahrzeug, das er am 28.4.2021 zuließ und gab das Mietfahrzeug am selben Tag zurück.

Die Beklagte behauptet, die in Rechnung gestellten 1.785,36 € lägen über den ortsüblichen Preisen, weshalb sie nur 1260,95 € gezahlt habe. Ein Geschädigter könne zwischen Mietwagenanbietern frei wählen und in Sekundenschnelle im Internet alternative Mietwagenanbieter abrufen. Außerdem war die Beklagte der Ansicht, der Kläger habe bei der Anmietdauer gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.

Das AG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Allerdings wurde die Berufung zugelassen.

Die Gründe:
Die Klage ist begründet.

Das Risiko, dass nach einem Verkehrsunfall ein Fahrzeugvermieter dem Geschädigten ein Mietfahrzeug zu überhöhten Preisen vermietet, trägt der Schädiger, sofern der Geschädigte von dem Schädiger verlangt, die Mietfahrzeugkosten direkt an den Fahrzeugvermieter zu zahlen. Die neuere BGH-Rechtsprechung zum Werkstattrisiko ist nicht auf Werkstatt- und Privatgutachterkosten beschränkt, sondern auf sämtliche Schadenspositionen - auch Mietfahrzeugkosten - übertragbar. Es gibt keinen Grund, die Risiken bei Mietfahrzeugkosten anders zu behandeln als die Risiken bei Werkstatt- und Privatgutachterkosten.

Die Beklagte muss die Mietwagenkosten für den gesamten Anmietzeitraum ersetzen. Denn bei der Anmietdauer hatte der Kläger nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Zwar ist der Geschädigte zur Schadensbehebung in angemessener Zeit und damit zur unverzüglichen Einleitung der Wiederherstellung verpflichtet. Es ist aber grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Unfallgeschädigter erst das Folgefahrzeug zulässt und dann - anschließend, aber noch am selben Tag - das Mietfahrzeug zurückgibt. Zwar können im Einzelfall Umstände vorliegen, die zu einer anderen Beurteilung führen. Solche besonderen Umstände hatte die Beklagte jedoch nicht dargelegt; sie waren auch nicht anderweitig ersichtlich.

Die entscheidungserhebliche Frage, ob die Grundsätze zum Werkstattrisiko auf Mietfahrzeuge übertragbar sind, ist (soweit ersichtlich) obergerichtlich bislang nicht entschieden worden, seitdem der BGH seine Urteile zum Werkstattrisiko veröffentlicht hat. Infolgedessen wurde die Berufung zugelassen.

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