15.01.2024

Glatteisunfall durch Ausbleiben der beauftragten Fachfirma - Wer haftet?

Zwar können deliktische Verkehrssicherungspflichten grundsätzlich auf einen Dritten übertragen werden. Übernimmt etwa ein Fachunternehmen die Pflichten, darf sich der Übertragende zwar grundsätzlich auf die Erfüllung verlassen und muss ohne konkreten Anhaltspunkt nicht alle Einzelheiten kontrollieren. Allerdings verbleiben trotzdem Kontroll- und Überwachungspflichten bei dem Übertragenden.

LG Köln v. 18.12.2023 - 15 O 169/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines LKW mit Auflieger. Die Beklagte betreibt auf ihrem Betriebsgelände einen Warenumschlagplatz. Sie hat die Räum- und Streupflicht für dieses Grundstück durch Vertrag auf eine Gebäudereinigungsfirma übertragen. In einer Nacht im Dezember 2022 war das Betriebsgelände der Beklagten aufgrund eines plötzlichen Kälteeinbruchs vereist. Wenige Minuten nach Mitternacht befuhr ein Mitarbeiter der Klägerin mit dem Gespann aus LKW und Auflieger das Betriebsgelände, um dort an einer Wechselbrücke das Fahrzeug be- und entladen zu lassen. Der Fahrer verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und rutschte gegen eine der Wechselbrücken.

Es entstand sowohl an der Zugmaschine als auch an dem Auflieger ein Schaden, den die Klägerin zum Teil über ihre Kaskoversicherung regulieren ließ. Anschließende anwaltliche Zahlungsaufforderungen der Klägerin gegenüber der Beklagten blieben erfolglos. Das LG hat der Klage u.a. auf Schadensersatz vollumfänglich stattgegeben.

Die Gründe:
Die Beklagte haftet der Klägerin gegenüber aus Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt, indem sie trotz der jedenfalls seit 22:30 Uhr erkannten Untätigkeit des hiermit beauftragten Unternehmens ihrerseits untätig geblieben war. Dies war schließlich ursächlich für den Schadensfall. Ein Mitverschulden der Klägerin war nicht erwiesen. Zwar können deliktische Verkehrssicherungspflichten grundsätzlich auf einen Dritten übertragen werden. Übernimmt etwa ein Fachunternehmen die Pflichten, darf sich der Übertragende zwar grundsätzlich auf die Erfüllung verlassen und muss ohne konkreten Anhaltspunkt nicht alle Einzelheiten kontrollieren. Allerdings verbleiben trotzdem Kontroll- und Überwachungspflichten bei dem Übertragenden.

Die Beklagte hatte zum Schadenszeitpunkt bereits seit mehr als 90 Minuten Kenntnis davon gehabt, dass das beauftragte Unternehmen trotz des Kälteeinbruchs untätig geblieben war. Insofern hätte sie es nicht bei einer bloßen weiteren Mahnung gegenüber dem Übernehmer belassen dürfen, sondern hätte selbst tätig werden müssen. Auch wenn sie selbst nicht selber habe streuen können, hätte sie jedoch einen Warnhinweis an der Einfahrt des Geländes anbringen können. Ein Fußgänger, der von der Glätte weiß, sollte in der Lage sein, sich mit äußerster Vorsicht unfallfrei über das Grundstück zu bewegen. Außerdem hätte die Beklagte die Klägerin telefonisch warnen können.

Letztlich ergab sich auch ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Schäden aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Es war davon auszugehen, dass die Klägerin nicht ohne vertragliche Absprache mit der Beklagten Waren holte und lieferte. In diesem Zusammenhang war der Beklagten ein Fehlverhalten des mit dem Winterdienst betrauten Unternehmens nach § 278 BGB zuzurechnen.

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LG Köln - PM v. .31.12.2023
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